Es fällt schwer, das Spielfilmdebüt von Ishana Night Shyamalan nicht mit dem Schaffen ihres Vaters M. Night Shyamalan zu vergleichen. They See You fühlt und sieht sich bis auf den Vornamen im Abspann genauso an wie ein Werk des ehemaligen Wunderkindes, das sich mit The Sixth Sense unfehlbar machte, später jedoch immer wieder Schiffbruch erlitt. Trotz aller Rückschläge blieb er stets Gesprächsthema und konnte mal mehr, mal weniger erfolgreiche Filme realisieren. Dank eines neuen Vertrags bei Warner, der nicht nur seinen kommenden Film Trap: No Way Out (ab 8. August 2024 im Kino) herausbringen wird, sondern zuvor auch They See You, den Papa Shyamalan produziert hat – eine Ehrensache.
Die Shyamalan-Handschrift ist von der ersten Minute an erkennbar. Die Erzählweise ist nicht langsam, aber gediegen. Unwichtige Figuren, wie der Vorgesetzte der Hauptfigur Mina (Dakota Fanning, The Equalizer 3 - The Final Chapter), bleiben außerhalb des Sichtbereichs. Shyamalan Junior versucht, die Handlung so konzentriert wie möglich zu gestalten. Das gelingt ihr, und schon bald befinden wir uns mit Mina, einem Vogel im Käfig und viel Nebel in einem Wald, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint.
Eine ältere Frau, gespielt von der wundervollen Olwen Fouéré, die zuvor unter anderem in Mandy und dem letzten Texas Chainsaw Massacre zu sehen war, fungiert zunächst als Retterin und danach als Erklärbärin. Es wird viel erklärt, was in Ordnung wäre, wenn darauf etwas folgen würde, das zumindest das Gefühl von Sinnhaftigkeit vermittelt. Aber The Watchers (so der Originaltitel) ist mehr Anhänger von Exposition statt Motivation. Das führt dazu, dass sich die wenigen wirklich wichtigen Figuren fast schon absurd verhalten. Die Psyche von Daniel (Oliver Finnegan, Einfach unheimlich) scheint beispielsweise vollkommen darauf ausgelegt zu sein, irgendwie einen Konflikt zu integrieren. Sei’s drum.
All das wäre verschmerzbar, wenn der Film ansatzweise Spannung erzeugen würde. Was diesbezüglich geboten wird, ist jedoch heiße Luft, die am Ende für eine Auflösung angestaut und freigesetzt wird, die weder das große Gefühl eines Ahas noch ein staunendes Oh hervorruft. Zugegeben, wer die Watchers letztlich sind, darauf kommt wohl niemand so schnell. Was nicht bedeutet, dass die obligatorische Auflösung clever und kunstfertig wäre. Eher im Gegenteil. Mehr als eine Pflichterfüllung ist das Ganze nämlich nicht, selbst wenn das Script, bzw. die Romanvorlage von A. M. Shine sich in einem Gebiet bedient, welches nicht ohne eigene Reize ist.
Immerhin: Es schleichen sich vereinzelte Momente in den Film, die leichten Schauer provozieren. Etwa, wenn wir erstmals die Bedrohung etwas klarer sehen und sie sich regelrecht vor uns aufbäumt. Es sind nur kurze Augenblicke, denen auch spannungstechnische Nulllinien gegenüberstehen, aber Ishana Night Shyamalan zeigt zumindest rudimentär, dass sie in der Lage ist, wirkungsvolle Bilder zu erschaffen. Blöd nur, dass diese sich – zumindest in ihrem Kinofilmdebüt – nicht in die Gedanken des Publikums eingraben. Aber während der Film von der Netzhaut eingefangen wird, bleibt eh nicht viel Platz für tiefgründige Überlegungen. Eine Frage schlängelt sich jedoch ungewollt durch den Film: Was soll das? Die Antwort bleibt er schuldig.