Inhalt
1980 in der Ölmetropole Abadan, der größten Hafenstadt im Iran. Der 14-jährige Omid spielt mit seinen Freunden Fußball, als eine Rakete in eine nahe gelegene Raffinerie einschlägt. Der Angriff der irakischen Armee stürzt die Stadt innerhalb kürzester Zeit ins Chaos. Zu Hause sieht Omid gerade noch, wie sein älterer Bruder in einen Transporter steigt, der Kämpfer an die Front bringt. Während seine Mutter schon notdürftig gepackt hat und bereit ist, mit der Familie zu fliehen, weigert sich Omid.
Kritik
Das Feuerrot brennender Öltanks, das gleißende Orange von Bombenexplosionen und die kohlefarbenen Kontrastlinien von Rauchstreifen am Horizont geben Zerstörung und Schrecken des Krieges in Sepideh Farsis erstem Animationsfilm eine verwirrende Schönheit. Diese zeugt jedoch nicht von einem verklärten Blick auf die Kampfhandlung, der sich der junge Hauptcharakter Omid zu Beginn der während des ersten Irak-Kriegs spielenden Handlung noch anschließen will, sondern im Gegenteil von einem Grauen, an das die Erinnerung nur künstlerisch sublimiert erträglich ist.
So erscheint es wie ein gespenstischer Totentanz, wenn der 14-jährige Protagonist und sein erwachsener Freund Farshid auf einer Fahrt mit dem Lieferwagen einem plötzlichen Bombenregen auf ihre Heimatstadt Abadan auszuweichen versuchen. In Erik Truffaz’ grandiosem Soundtrack vermischen sich traditionelle Klänge mit Jazz und Pop-Songs aus den Jahren vor der Revolution. Die enorm reiche Kunst- und Kulturszene, die unter dem Ayatollah-Regime verboten wurde, beklagt die bittersüße Ballade von Hoffnung und Horror als vergessenes Opfer des Krieges.
Verkörperung dieser unterdrückten Kreativität und Eleganz ist die mit Auftrittsverbot belegte Diva Elaheh, in deren Tochter Omid verliebt ist. Sie ist wie viele der fiktiven Bewohnenden des realen Schauplatzes ein Amalgam, das mehr eine Facette des sozialen Miteinanders darstellt als eine reale Persönlichkeit. Diese Mischung aus Imagination und Ikonographie fügt sich in das magisch-realistische Narrativ, das ebenso als lyrisches Sinnbild des Todes gedeutet werden kann wie als Wunschtraum eines Überlebens, das bis heute ungewiss ist.
Fazit
Die klassische Zeichenstil, indem Grafiker Zaven Najjar die fünfte Spielfilm- und erste animierte Regiearbeit Sepideh Farsis zum Leben erweckt, unterstreicht die nostalgischen Nuancen der poetischen Melange aus Coming-of-Age-Story und Kriegsdrama. Deren intensive Farbpalette dominiert von Rot, Gelb und Orange-Tönen evoziert ebenso Gefühle von Bedrohung und Aggression wie Wehmut und Liebe. Letzte sind die treibenden Motive der märchenhaften Memoiren. In ihnen vereinigen sich Szenarien hypnotischen Horrors und heilenden Humors zu einer schönen und bedrückend schmerzlichen Filmfabel.
Autor: Lida Bach