Inhalt
Nach 20 Jahren erfolgloser Suche in einem Wald in Kamerun steht der Franzose Michel Ballot kurz davor, die Mission seines Lebens abzubrechen: die Suche nach dem mysteriösen Mokélé-Mbembé. Schliesslich wendet er sich an Eingeweihte und begibt sich, hin und her gerissen zwischen wissenschaftlichem Beweis und der Hellsicht der Weisen, auf eine letzte Reise, auf der er Mächten, Weisheiten und dem Unsichtbaren begegnet.
Kritik
Die Prämisse Marie Voigniers dokumentarischer Spurensuche klingt nach einer der sensationalistischen Abenteuer-Reportagen, die das Publikum mit der Faszination mythischer Monster und fantastischer Entdeckungen locken. Tief im Dschungel am trüben Wasser des Kongo haust eine sagenhafte Kreatur namens Mokele-Mbembe. Zeichnungen des vierbeinigen Wesens mit langem Hals erinnern an einen Brontosaurus. Die Einheimischen, die überhaupt daran glauben, betrachten es als animistische Kraft, nicht als ein reales Tier, dass man einfangen oder photographieren kann. So wie es ein französischer Abenteurer seit Jahrzehnten versucht.
Michel Ballot reist seit 20 Jahren nach Kamerun in der Hoffnung, einen Blick auf das sagenhafte Wesen zu erhaschen. Voigner wird zur stillen Beobachterin der unermüdlichen Suche nach etwas, das für den Protagonisten längst mehr als nur ein spektakulärer Fund ist. Ballots einheimische Fährtenleser und Gastgeber*innen folgen seiner selbstgewählten Mission mit einer Mischung aus Unverständnis, Mitgefühl und Wirtschaftsgeist. Wenn ihr Dauergast schon ein Vermögen für seine bizarre Passion ausgibt, wollen sie auch daran verdienen.
Zugleich scheint niemand den Protagonisten ausnehmen zu wollen. Vielmehr versuchen die Ortsanwohnenden dem Fremden zu vermitteln, dass seine Erfolgsaussichten gering sind und das, was er für eine physische Realität hält, teils Fabeltier, teils spirituelle Metapher ist. Auch die unaufgeregte Inszenierung konzentriert sich nicht auf Spannung und Mystery, sondern die leise Tragik der Ereignisse. Diese ziehen subtile Parallelen zu historischem Unrecht. Die Plünderung ihrer und anderer afrikanischer Länder Kunst- und Kulturschätze ist den Kameruner*innen schmerzlich präsent.
Wenn eine Anwohnerin ironisch fragt, ob Ballot das Mokele-Mbembe mit nach Hause nehmen möchte, liegt darin auch das bittere Bewusstsein eurozentrischer Gier. Europäer gehen nicht gern mit leeren Händen, sagt ein Kameruner zu Ballot. Dessen vergebliches Unterfangen erhält eine unterschwellige Symbolik als mystische Strafe für vergangene Raubzüge. Zugleich wird die in ruhigen Bildern eingefangene Aktion zum bedrückenden Beispiel eines abstrahierten Besitzanspruchs. Nachdem die Europäer sich alles Greifbare angeeignet haben, sind sie hinter den geisterhaften Dingen her.
Fazit
In minimalistischen, observativen Szenen ohne Soundtrack, Erklärungen oder Kommentar dokumentiert Marie Voigniers parabolisches Porträt eine skurrile Fixierung. Mit intuitivem Gespür für die zwischenmenschlichen Anekdoten, die sich in die zentralen Ereignisse flechten, lauscht die französische Regisseurin auf die psychologischen, kulturellen und spirituellen Zwischentöne eines melancholischen Abenteuerromans. Kontext und Hintergrund des Geschehens erschließen sich beiläufig durch die Gespräche der Einheimischen, die von Nebenfiguren zu den eigentlichen Protagonist*innen werden. Ein kontemplatives Stück Kryptozoologie mit einer leise bestrickender Atmosphäre.
Autor: Lida Bach