Inhalt
Nach 18 Jahren auf dem Index nun frei erhältlich: Nach dem Selbstmord eines Forschers bekommt der Historiker Norman dessen Stelle und zieht mit seiner Familie von New York in dessen Haus in Neu-England. Das Glück scheint perfekt bis sich die merkwürdigen Ereignisse häufen. Normans kleiner Sohn Bob benimmt sich eigenartig und lernt ein junges Mädchen kennen, das ihm von gruseligen Vorfällen im Haus aus der Vergangenheit erzählt. Irgendetwas scheint im Keller des Hauses zu lauern, denn von dort dringen immer wieder merkwürdige Geräusche nach oben. Stück für Stück kommt die Famile dem furchtbaren Geheimnis ihres Hauses an der Friedhofmauer näher.
Kritik
„No one will ever know whether children are monsters or monsters are children.“
Was verleitet einen Menschen dazu, sich das Leben zu nehmen? Oder anders formuliert: Was sind die Gründe für den Suizid eines Menschen, der gemeinhin als ausgeglichene, lebenslustige Person wahrgenommen wurde? Dieser Frage spürt Dr. Norman Boyle (Paolo Malco) nach, hat sich doch erst kürzlich sein Kollege während intensiver Forschungsarbeiten stranguliert, nachdem er auch seine Geliebte bestialisch in die ewigen Jagdgründe beförderte. Antworten wird der Historiker im Anwesen des Professors Freudstein finden, dem Ort des Geschehens, dem Haus an der Friedhofsmauer. Dass es Lucio Fulci (Über dem Jenseits) keinesfalls um psychologische Konditionen geht, jedenfalls nicht im wissenschaftlichen Sinne, versteht sich nach Werken wie Silbersattel, Syndikat des Grauens und Ein Zombie hing am Glockenseil von selbst. Aber worum geht es dem italienischen Splatter-Papst denn in Wahrheit?
Die Antwort darauf fällt sichtlich schwer, scheint Das Haus an der Friedhofsmauer zwar ein greifbare Prämisse zu besitzen, die sich auf eine in ein Horrorhaus umziehende Familie beschränkt, darüber hinaus aber ist der Film ein einziges Gespinst aus Motiven, Ideen und Ansätzen. Es scheint ohnehin ein äußert müßiges Unterfangen zu sein, die inhaltliche Kohärenz von Lucio Fulcis Werken abzuklopfen, finden sich die Stärken seines Kinos doch ganz eindeutig im ausgeprägten Formalismus. Das Haus an der Friedhofsmauer hat dadurch zwar den Vorteil, dass er, angesichts der zerfransten Themenaspekte, die angeschnitten und urplötzlich wieder fallengelassen werden, dem Zuschauer einen gewissen Interpretationsraum ermöglicht, letztlich aber unterliegt der Reißer aus den frühen 1980er Jahren dem Eindruck einer kruder Grobheit. Sicherlich macht genau das einen Teil seines unverkennbaren Reizes aus.
An erzählerische Kontinuität also ist nicht zu denken, inszenatorisch aber belegt der gebürtige Römer erneut seine rigorose Kunstfertigkeit. Allein die bis ins kleinste Detail durchkomponierte Sequenz, in der im Wechselspiel aus Überblenden und Zooms eine Fotografie vor den Augen des blonden Sohnemanns Bob (Giovanni Frezza) erwacht, um eine Kamerafahrt später im Sepia-Ton der Vergangenheit zu erstarren, ist ganz großes Kino. Das Haus an der Friedhofsmauer scheint ohnehin von einem elaborierten Stilwillen beseelt, der den inhaltlichen Mumpitz zuweilen edler erscheinen lässt, als er letztlich ist. Lucio Fulcis handwerkliche Könnerschaft indes steht außer Frage: Die alptraumhafte, konsequent und unübersichtlich zwischen verschiedenen Wahrnehmungsebenen oszillierende Bildsprache offenbart zerdehnte Momente des tödlichen Unheils. Mag Das Haus an der Friedhofsmauer auch nicht ängstigen, in seinem wohligen Schmoddergrusel ist er nach wie vor hochinteressant.
Fazit
Sicherlich ist "Das Haus an der Friedhofsmauer" nicht der beste Film von Lucio Fulci, freilich aber bleibt der alptraumhafte Besuch im Hause Freudstein auch nach über 30 Jahren seiner Erstveröffentlichung ein interessanter. Inhaltlich regiert die krude Inkohärenz, formal aber überzeugt Lucio Fulci mit ästhetischem Stilwillen. Und wenn der bekloppte Freudstein aus dem muffigen Gewölbe steigt, um sich Frischfleisch zu sichern, darf auch der rote Lebenssaft ordentlich suppen.
Autor: Pascal Reis