Viele Probleme galt es jedoch zu bewältigen, bevor der endgültige Startschuss für die Produktion fallen konnte, bei der Peter Jackson zunächst nur als Produzent fungierte. Guillermo Del Toro war für den Regie-Posten vorgesehen, der zwei Jahre lang mit Jackson, Philippa Boyens und Fran Walsh das Drehbuch ausarbeitete. Eben jene Probleme verzögerten die Produktion, weshalb Guillermo Del Toro aus dem Projekt ausstieg. Peter Jackson tat das einzig Richtige und übernahm selbst die Zügel. Ursprünglich nur zwei Filme geplant, begrüßten die Produktionsstudios sicherlich Jackson’s Entscheidung die 400-seitige Kindergeschichte auf drei Filme auszudehnen. Mit der ominösen HFR-Technik an Bord, machte sich Skepsis bei der treuen Zuschauerschaft breit. Skepsis, die selbstverständlich nicht unbegründet ist: Wie sieht dieses HFR-Format (High Frame Rate) eigentlich aus? Können überhaupt mit einem vergleichsweise dünnen Roman drei Filme à 3 Stunden Laufzeit (plus weitere Szenen für bereits bestätigte Extended Cut’s) gefüllt werden? Von Peter Jacksons „Post-HdR-Filmen“ konnte nur „King Kong“ wirklich überzeugen. Und vergessen sollte man natürlich nicht die Hürde, die Jackson selbst mit der Ring-Trilogie in schwindelerregenden Höhen platziert hat, die seitdem am Fantasy-Film-Himmel thront. Und deutsche Zuschauer müssen auch noch mit einer neuen Synchronstimme für Gandalf auskommen? Absurd. Um eins vorweg zu nehmen: „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise“ ist nicht perfekt. Objektiv betrachtet, erreicht die Geschichte des Bilbo Beutlin nicht das Level der letzten Filmreihe aus Mittelerde. Noch nicht. Doch alles der Reihe nach, worum geht’s denn überhaupt?
Bilbo Beutlin (Martin Freeman) ist ein Hobbit, wie er im Buche steht. Der Begriff „Konvention“ wird bei ihm groß geschrieben und sichert eine ereignislose, bequeme und vor allem ruhige Zukunft im Auenland. Doch mit der Ruhe hat es ein schnelles Ende, als Gandalf (Ian McKellen) eines Tages vor seiner Türschwelle steht, kurz darauf 13 weitere Zwerge. Die Speisekammer geplündert, unterbreiten sie Bilbo ein Angebot: Er hilft den Zwergen ihre Heimat Erebor aus den Fängen des Drachen Smaug zu befreien, erhalten soll er im Gegenzug einen Anteil an der Beute. Den Vertrag unterzeichnet, begleitet Bilbo die muntere Zwergen-Versammlung bei ihrer Aufgabe, angeführt von Thorin Eichenschild (Richard Armitage).
Wie schon „Die Gefährten“ auch (das Intro nicht mitgezählt), beginnt „Der Hobbit“ im Auenland und verzaubert unser Ohr mit dem bereits bekannten Hobbit-Theme von Howard Shore. Die Hügel-Hütten zieren das Bild, saftige Wiesen becircen das Auge. Peter Jackson ist klug genug, dem Skeptiker mit bekannten und geliebten Bildern den Einstieg in Tolkiens Welt zu ebnen. Ein alternder Bilbo (erneut Ian Holm) und Frodo (erneut Elijah Wood) assoziieren im Hirn des gemeinen Kinogängers wohlbekannte Erinnerungen, die gleichzeitig die Rahmenhandlung bilden. Seine Botschaft „Hab keine Angst, das ist immer noch Mittelerde“ akzeptiert der Fanboy bedingungslos mit leuchtenden Augen. Zehn Sekunden braucht „Der Hobbit“, dazu ein paar schöne Aufnahmen des Auenlands mit der Million-Dollar-Kamera und die Musik, um das Publikum wie ein Strudel der Glückseligkeit ins Auenland zu ziehen. Der Regisseur/Drehbuchautor hat das Publikum genau da, wo er es haben möchte und beginnt mit einer extrem beeindruckenden Rückblende in die Geschichte der Zwerge den eigentlichen Film. Der Flash-Back ähnelt der Anfangs-Sequenz aus „Die Gefährten“, während dem die Vorgeschichte um den Ring mit einem Voice-Over Galadriels (Cate Blanchett) eindrucksvoll erläutert wurde. Das Erzählen übernimmt hierbei Zukunfts-Bilbo. Anschließend schaltet Peter Jackson drei Gänge runter.
Es dauert etwa eine dreiviertel Stunde bis das Fantasy-Abenteuer von einem netten Filmchen, zum erwarteten Epos ausartet. Die erste Stunde wird gefüllt mit der Vorstellung der 13 Zwerge, von denen bis auf Thorin Eichenschild und ein paar weitere Ausnahmen allesamt blass und profillos bleiben. Darauf setzt Peter Jackson es aber auch nicht an, schließlich sind 13 Charaktere in einem Film nur schwer ausreichend definierbar. Den Fakt bedenkend, dass „Der Hobbit“ auf dem Kinderroman „Der kleine Hobbit“ basiert, bleibt der erste Teil der Hobbit-Trilogie erschreckend (und erfreulich) düster, was schon das PG-13-Rating ankündigt. Mit nicht verwendeten Notizen Tolkiens und eigenen Ideen umschifft Peter Jackson clever die Kinder-Klippe und verdüstert manuell den Ton des Films. Vor allem der Ork-Antagonist „Azog, der Schlächter“ (Manu Bennett) ist wahrlich nicht für die Augen eines 6-jährigen geeignet.
Die Vorstellung der Zwerge fällt sehr amüsant und witzig aus, Kenner der Vorlage dürften hierbei ihre helle Freude haben. Es wird gesungen, herumgekaspert, hier und da etwas Slapstick, was aber schon nach einer kurzen Weile zu langweilen beginnt. „Der Hobbit“ zieht sich anfangs, auch die Sequenz mit den (hervorragend animinerten) Trollen ist unnötig ausschweifend und hätte man sich für den Extended Cut aufsparen können. Die anfängliche Durststrecke hat „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise“ womöglich der Streckung auf drei Filme zu verdanken, die sich beim ersten Teil der Hobbit-Trilogie auf qualitativer Ebene noch nicht rentiert. Aber ähnlich wie auch „Der Herr der Ringe“ wird „Der Hobbit“ letztendlich als Trilogie bewertet werden müssen. Ob sich die Dreiteilung gelohnt hat, erfahren wir demnach erst 2014.
Mit der Ankunft der Zwergen-Gemeinschaft in Bruchtal drückt Peter Jackson endlich auf den Turbo-Boost und versetzt das Kino in den „Herr der Ringe“-Modus. Erst wird gehackt, geschossen, gestochen und geschlagen, bis sich die stählernen Elben-Schwerter biegen. „Herr der Ringe“-typische Mittelerde-Panoramen schmeicheln den Augen, unterlegt mit dem neuen, aber nicht minder Gänsehaut erregenden Zwergen-Score von Howard Shore, sorgen sie für wahre Glücksgefühle. Wenn drei Berg-hohe Steinriesen in einer stürmischen Nacht inmitten von Blitzen und Regen ums Leben wrestlen, ist das ein ähnlicher Augenöffner, wie die Hallen von Moria. Und in solchen Sequenzen gibt das HFR-Format alles, was es hat.
Das HFR-Format projiziert 48 Bilder pro Sekunde auf die Leinwand, anstatt die üblichen 24. Dadurch entsteht ein noch nie da gewesener Detailreichtum, sodass man gar nicht weiß, wo man hingucken soll. In den CGI-Sequenzen (die Orks, die Trolle, Kamerafahrten durch riesige Höhlen, etc) lässt das neue Format die Muskeln spielen, in Kombination mit dem 3D-Effekt übertrifft es in seiner Perfektion sogar „Avatar“. Leider hat dies auch seinen Preis: Bereits im vorneherein wurde dies als „Soap-Opera-Effekt“ bekannt, wofür Peter Jackson anfangs viel Kritik einstecken musste. Durch die 48 Bilder pro Sekunde machen die Bilder paradoxerweise den Eindruck, als entstammten sie einer billigen TV-Dokumentation. Die Bilder wirken so real, dass sie den „Cinematic Look“ einbüßen und dementsprechend Elijah Wood beispielsweise älter aussieht, als er in der „Herr der Ringe“-Trilogie ist (was er ja auch ist. Das Kaschieren gelingt aber dadurch nicht). Letztendlich ist dies aber eine Geschmacksfrage. Viele werden diesen Effekt leicht ignorieren können, für viele andere hingegen wird es einen dicken Kritikpunkt markieren. Schade ist auch, dass Orks nicht mehr wie in „Der Herr der Ringe“ echte Darsteller in Kostümen sind, sondern reine Motion-Capture-Animationen. Gewiss, diese sind dafür nahezu perfekt, aber eben nicht echt und büßen einen Teil ihrer Wirkung ein.
Und nicht zu vergessen ist selbstverständlich der Auftritt von Gollum ein absoluter Höhepunkt. Andy Serkis spielt den krummrückrigen, kahlen Ringhüter so gut, wie eh und je, als hätte er nie etwas anderes getan. Vor allem in HFR-Bildern sind die Animationen von den realen Bewegungen eines Martin Freeman praktisch nicht zu unterscheiden. Auch strahlt Martin Freeman in der Rolle des Hobbits und lässt zu keiner Sekunde Zweifel an seiner Präsens als Bilbo zu. Während die restlichen Zwergen-Darsteller durchweg gute Performances abliefern, kann verständlicherweise keiner von ihnen wirklich auftrumpfen. Schließlich sind die einzelnen Auftritte nur von kurzer Dauer. Der einzige relevante Zwerg, Richard Armitage, überzeugt indes als mürrischer, nach Rache dürstender Skeptiker. Nicht zu erwähnen bräuchte man eigentlich Ian McKellen als Gandalf, der ähnlich wie Andy Serkis, so gut spielt, als wandere er auch im privaten Alltag mit Robe und Zauber-Hut durch die Gegend. McKellen’s neuer Synchronsprecher Eckart Dux lässt den 2006 verstorbenen Joachim Höppner (der Gandalf in der Ring-Trilogie noch die Stimme lieh) keineswegs vermissen. Sich über den Tod des alten Sprechers nicht bewusste Zuschauer, dürften den Unterschied nicht einmal bemerken.