Inhalt
Seit mehr als einen Jahrzehnt steht das finstere, furchteinflößende Hill House einsam und verlassen da... zumindest scheint es so. Fasziniert von der sagenumwobenen Geschichte des Hauses lädt Dr. Marrow seine drei Testpersonen Theo, Nell und Luke zu einem scheinbar harmlosen Experiment auf das Anwesen ein. Seit ihrer Ankunft fühlt Nell sich jedoch auf sonderbare Weise von dem Haus angezogen... und diese Anziehung scheint erschreckenderweise auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Bei Einbruch der Nacht gerät das Experiment außer Kontrolle, als die vier Eindringlinge die furchtbaren Geheimnisse entdecken, die sich hinter den Mauern von Hill House verbergen.
Kritik
Was ist beeindruckender: Der Aufstieg oder der Fall des Jan de Bont (Lara Croft: Tomb Raider - Die Wiege des Lebens)? Als Kameramann bei Filmen wie Stirb langsam, Jagd auf roter Oktober, Black Rain oder Basic Instinct hat sich der Niederländer einen Namen gemacht, der es ihm schließlich auch ermöglichte, bei Speed den Regieposten bei einem Action-Thriller zu beziehen, der noch heute als Inbegriff des 1990er Jahre Adrenalinkinos herangezogen wird. Nur zwei Jahre später folgte mit Twister der nächste hochgradig erfolgreiche Streich, der das Katastrophenfilm-Genre nachhaltig prägen sollte. Dass man heutzutage allerdings nichts mehr von Jan de Bont hört, liegt an seinen darauffolgenden Regiearbeiten, die mit Speed 2: Cruise Control, Das Geisterschloss und Lara Croft: Tomb Raider - Die Wiege des Lebens seine zuvor glanzvolle Karriere beerdigen sollten.
Am ehesten brauchbar von diesem Triptychon des Grauens ist wohl der 1999 in den Kinos gestartete Das Geisterschloss. Eine Adaption des Romans Spuk in Hill House von Shirley Jackson, der nicht nur meisterhaft von Mike Flanagan für Netflix verfilmt worden ist, sondern bereits 1963 von Robert Wise unter dem deutschen Titel Bis das Blut gefriert brillant in Szene gesetzt wurde. Große Fußstapfen also, die Jan de Bont sich für seinen vierten Spielfilm vorgenommen hat - und letztlich gnadenlos scheitern sollte, auch wenn der Gruselfilm am Box Office immerhin noch auf 180 Millionen US-Dollar gekommen ist bei einem Budget von 80 Millionen US-Dollar. Ein guter Film aber ist hier mit Sicherheit immer noch nicht entstanden, was vor allem daran liegt, dass Jan de Bont ein extrem formalistischer Filmemacher ist.
Bei einem Stoff wie Spuk in Hill House, dessen psychologische Dimension immer Hand in Hand mit dem paranormalen Schrecken innerhalb des schaurigen Gemäuers geht, muss man schon ein Händchen dafür besitzen, um sich nicht nur auf das hochspannende Setting, sondern auch auf die Charaktere und ihre bunt gescheckte Dynamik einzulassen. Das Geisterschloss allerdings versteht sich als grobschlächtige XXL-Geisterbahnfahrt, die auf verschwenderischen Bombast, grelle Computereffekte und brachiale Ausstattungswut setzt. Dadurch gelingt es Jan de Bont zwar durchaus, einige stimmungsvolle Bildwelten zu erschaffen, wenn sich das gotische Schloss aus nebelverhangenen Wäldern erhebt und die Kamera behände durch das Innere des imposanten Schlosses gleitet. Am Ende aber mangelt es dem Horror-Blockbuster an Substanz, weil er einzig und allein darauf erpicht ist, seine technischen Möglichkeiten auszustellen.
Dadurch gewinnt Das Geisterschloss über seine knapp zweistündige Laufzeit kaum an atmosphärischer Sogwirkung, weil ihm das Kräftespiel der Angst (und die damit verbundene Emanzipation) kaum tangiert. Stattdessen bleibt die Geschichte um die grausame Legende des Hugh Crain eine berstende Fahrt durch den (Spuk-)Themenpark, deren Subtilität irgendwo zwischen knarrenden Dielen, durch die Hallen flehenden Kinderstimmen, wehenden Vorhängen und zum Leben erweckten Holzfiguren verschüttet wird. Es ist ein seltsam seelenloser Film, der vorgibt, sich mit den großen Themen rundum Identität, Zugehörigkeit und Erlösung zu beschäftigen - und man merkt ihm in jeder Minute an, dass Das Geisterschloss den (seriösen) Umgang mit seinen dem Horror-Genre geradezu inhärenten Motiven einzig und allein vorspiegelt. Die Krone setzt dem Ganzen dann noch ein kurios zusammengewürfelter Cast auf, den man in dieser Form eher in einer romantischen Komödie vermuten würde.
Fazit
Einige stimmungsvollen Sequenzen muss man "Das Geisterschloss" zugestehen, und ein herausragendes Setting besitzt er auch. Jan De Bont indes nutzt dieses jedoch zu keiner Zeit. Und während das Original, "Bis das Blut gefriert", auch als psychoanalytischer Diskurs funktionierte (mal ganz davon abgesehen, dass dieser auch exzellent inszeniert war), ist das Remake eine XXL-Geisterbahnfahrt, der das Herz am rechten Fleck fehlt. Das permanente Ausstellen technischer Möglichkeiten gestaltet sich als ermüdendes, seelenloses Unterfangen.
Autor: Pascal Reis