4.7

MB-Kritik

Tenor: Eine Stimme - zwei Welten 2022

Comedy

4.7

Michèle Laroque
MB14
Guillaume Duhesme
Maéva El Aroussi
Samir Decazza
Marie Oppert
Louis de Lavignère
Stéphane Debac
Roberto Alagna
Doudou Masta
Oscar Copp
Rachid Guellaz
Bruno Gouery
Mickaël Sabah

Inhalt

Rapper Antoine schlägt sich als Lieferdienst-Kurier in den Pariser Banlieues durchs Leben. Bei einer Sushi-Lieferung in der Pariser Oper trifft er durch Zufall auf Madame Loyseau, die sein Talent als Opernsänger erkennt. Als Madame Loyseau Antoine als Schüler aufnimmt, verbirgt er seinen neuen Traum vor seinen Freunden und seiner Familie und stürzt sich in ein Doppelleben zwischen der vergoldeten Pariser Oberschicht und der rauen und gleichzeitig familiären Vorstadt. Doch bald holt die Wirklichkeit Antoine ein und zwingt ihn, seine eigene Stimme zu finden

Kritik

Auf den ersten Blick erscheint Claude Zidi Jr.s zweiter Spielfilm nur eine weitere Variation der Karriereromanzen, in denen ein junger Mensch aus problematischen Verhältnissen sich dank vorzugsweise musikalischer Begabung den Weg zu Erfolg und Anerkennung frei tanzt, spielt oder wie im Falle des als Sushi-Lieferant jobbenden Wirtschaftsstudenten Antoine (Mohammed Belkhir): singt. Erst bei genauerem Hinsehen zeigt sich, wie effektiv der Regisseur Klassenklischees bedient und die Mechanismen und Auswirkungen struktureller Diskriminierung ins Gegenteil verkehrt.

So hindern den jungen Hauptcharakter, der seine herausragende Singstimme bisher bei Rap Battles erprobte, nur seine eigenen Zweifel und die seines Milieus daran, die Grenze zur Welt der aspirierenden Stars der Pariser Oper zu überschreiten. In der passionierten Gesangslehrerin Madame Loyseau (Michèle Laroque, Belle & Sebastian - The Next Generation), dem für ein Cameo-Ständchen vorbeischauenden Roberto Alagna (Tosca) und der steinreichen Sopran-Studentin Joséphine (Marie Oppert) unterstützen gleich drei White Saviors den Jungen aus dem Ghetto, der nicht weiß, was er will. 

Rappen, Arien schmettern oder doch lieber Studium? Antoine fällt alles so leicht, dass sein einziges Dilemma die Wahl zwischen den Karrierewegen ist. Geld ist kein Problem und das Gesetz kommt nur seinem großen Bruder Didier (Guillaume Duhesme, Alles ist gutgegangen) ins Gehege. Keine Spur von materieller Benachteiligung, rassistischer Diskriminierung und Chancenlosigkeit. Die Nebenhandlung um Madame Loyseaus Krankheit bleibt genauso abgerissen wie die um Joséphines unangenehm fetischisierendes amouröses Interesse, wenn der vorhersehbare Plot dem unglaubwürdigen Happy End entgegen hetzt.

Fazit

Hinter dem naiven Idealismus, den Claude Zidi Jr. mit seiner betulichen Neuauflage der altbekannten Story eines über alle äußeren Widerstände triumphierenden Jungtalents oberflächlich versprüht, stecken Kommerz, Kalkül und Klassismus. Letzter durchtränkt die generische Mischung aus Jugendromanze und Aufsteiger-Story, in der Gig-Jobs der direkte Weg zur Kunstkarriere sind und die Erbelite sich um migrantische Jugendliche aus den Banlieue bemüht. Die Verhärtung klassistischer Hierarchien wird in dem bescheiden gespielten und uninspiriert inszenierten Sozialkitsch systematisch geleugnet.

Autor: Lida Bach
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