Inhalt
Die heroinsüchtige Hannah und der traumatisierte Tahir könnten auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein: Sie ist Amerikanerin aus gutbürgerlichem Haus, er Nigerianer mit dunkler Vergangenheit. Was sie vordergründig eint, ist ihr beider Schicksal: beide leben sie als Obdachlose auf den Straßen von New York. Eine Zufallsbegegnung sorgt dafür, dass sie erst Freunde und wenig später Liebende werden. Ihre Liebe zueinander gibt ihnen Kraft und Zuversicht, es noch einmal in ein bürgerliches Dasein zu schaffen, doch der Winter naht und droht ihre Pläne zu durchkreuzen ...
Kritik
In einer amerikanischen Besprechung des Filmes heißt es, dass das größte Problem an Shelter – Auf den Straßen von New York der Umstand sei, dass man Jennifer Connelly (A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn) und Anthony Mackie (The First Avenger: Civil War) ihre Rollen schlichtweg nicht abkauft – sie sind unglaubwürdig. Das hat in erster Linie auch nichts mit den Leistungen der renommierten Hollywoodstars zu tun, die Triebfeder für die Schwierigkeiten, die man als Zuschauer mit Shelter – Auf den Straßen von New York haben könnte, liegen in unserer (vor-)geprägten Wahrnehmung begraben, denn: Connelly und Mackie schlüpfen im Spielfilmdebüt von Paul Bettany, der einem größeren Publikum wohl am ehesten durch seine Performance des Albino-Mönchs Silas in der Dan-Brown-Verfilmung The Da Vinci Code – Sakrileg ein Begriff sein dürfte, in den Alltag eines obdachlosen Pärchens, welches sich in der titelgebenden Millionenmetropole kennen sowie lieben lernt und mit den Widrigkeiten dieser Existenz am sozialen Rand der Gesellschaft zu kämpfen hat.
Und man muss diesem Kritikpunkt durchaus beipflichten: Shelter – Auf den Straßen von New York ist alles andere als eine immersive Erfahrung. Paul Bettany, der auch das Drehbuch zum Film geschrieben hat, verrichtet seine Feuertaufe hinter der Kamera zwar formal hochwertig, inhaltlich aber scheint seine Melodrama zuvorderst auf Theatralik zu bauen. Mal davon abgesehen, dass Jennifer Connelly und Anthony Mackie in ihren abgenutzten Kleidungsstücken immer noch zu gepflegt erscheinen, begeht Shelter – Auf den Straßen von New York den schwerwiegenden Fehler, die großstädtische Obdachlosigkeit grundsätzlich über bedrückende Schicksalsschläge herzuleiten. Beinahe erweckt es den Eindruck, als wolle uns Paul Bettany eintrichtern, dass Menschen, die auf der Straße gelandet sind, niemals Opfer von gesellschaftlichen Mechanismen der Umstrukturierung respektive Rationalisierung wurden, sondern tiefe seelische Wunde mit sich tragen, die sie in den Pappkarton in der Seitengasse getrieben haben. Da werden Schicksale pauschalisiert und mit innerfamiliären Trauerfällen, Terroranschlägen und, natürlich, der Drogenabhängigkeit erklärt.
Paul Bettany findet kein organisches Gefühl für diese Subkultur und flüchtet sich permanent in weltschmerzbeladene Gesten, die sich irgendwo zwischen überzogener Gekünsteltheit und fehlgeleitetem Sozialrealismus wiederfinden. Und wenn rein gar nichts mehr hilft, hängt Shelter – Auf den Straßen von New York den Himmel mit weinenden Geigen voll, die dem Zuschauer noch mit Nachdruck vorzuschreiben versuchen, wie er sich denn genau in diesem Moment zu fühlen hat – dort wird immer wieder ganz deutlich, dass Bettany sich mit seiner neuen Funktion noch akklimatisieren muss und noch nicht in der Lage ist, filmische Ausdrucksmittel mit Subtilität zu stimulieren. Immerhin aber beweist Paul Bettany hin und wieder das Gespür dahingehend, eine zurückgenommene, ja, beinahe schon abstrakte Alltagspoesie im Chaos von Geldsorgen, Minusgraden, Suizidgedanken und knurrenden Mägen zu finden, die auch die aufopferungsvolle, aber zum Chargieren verleitete Jennifer Connelly dankbar aufnimmt und ihren zweifelhaften Mut zur Hässlichkeit mit der wortlosen Bereitschaft zur inneren Schönheit angenehm überdeckt.
Fazit
Paul Bettanys Regiedebüt ist ein Film für alle, die sich gerne in theatralischen Gesten wälzen. Man merkt "Shelter – Auf den Straßen von New York" immer wieder an, dass hier ein Filmemacher am Werk ist, der noch am Anfang seiner inszenatorischen Karriere steht und nur selten das Gespür besitzt, Emotionen durch subtile Einschübe zu entfachen. Darüberhinaus muss man "Shelter – Auf den Straßen von New York" ankreiden, dass er niemals ernsthaft immersiv wirkt, sondern über seine gut 100-minütige Laufzeit in erster Linie künstlich und plakativ erscheint.
Autor: Pascal Reis