Inhalt
"Remember" erzählt die Geschichte von Zev, der im Altersheim von seinem Freund und Mitbewohner Max eine erschütternde Nachricht erhält. Der KZ-Aufseher, der vor mehr als 70 Jahren ihre Familien ermordet hat, hält sich immer noch unter einer anderen Identität versteckt. Der demente Zev kann sich nur noch mit Mühe an seine eigene Vergangenheit erinnern. Mit Hilfe eines Briefes von Max, in dem ausführliche Anweisungen stehen, soll er den Schuldigen finden und durch seine eigene Hand endlich Gerechtigkeit üben. Eile ist geboten, denn ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit - den Tätern von damals und den überlebenden Opfern. Obwohl es dem gebrechlichen alten Mann viel Kraft kostet, bricht Zev zu seiner Mission auf. Es wird eine bewegende Reise in eine düstere Vergangenheit auf der Suche nach Wahrheit und Vergeltung.
Kritik
Wer den großartigen Thriller "Memento" von Regisseur Christopher Nolan ("The Dark Knight") gesehen hat, wird sich vor allem an den außergewöhnlichen Erzählkniff erinnern, der die Handlung maßgeblich bestimmte. Die Hauptfigur des Films leidet aufgrund eines Unfalls unter dem ständigen Verlust ihres Kurzzeitgedächtnisses. Um sein Leben einigermaßen zusammenzuhalten, behilft sich der Protagonist mit Polaroid-Fotos, geschriebenen Notizen und tätowiert sich ganz entscheidende Hinweise.
Diese erzählerische Parallele teilt sich Nolans Werk mit "Remember – Vergiss nicht, Dich zu erinnern", dem aktuellen Film von Atom Egoyan ("Chloe"). Die Geschichte handelt von einem knapp 90-jährigen Juden, welcher unter Demenz leidet und in einem Altersheim lebt. Von einem Freund, mit dem er damals in Auschwitz untergebracht war, erhält Zev einen Zettel, der einen Auftrag für ihn enthält und prompt dafür sorgt, dass dieser aus dem Altersheim flüchtet und eine Reise mit zunächst ungewissem Ziel antritt. Der Regisseur hat aus dem Drehbuch von Benjamin August dabei einen weitestgehend handlungsgetriebenen, oftmals geradezu hastigen Film gestrickt, der den Zuschauer lange im Trüben fischen lässt und klare Motive sowie Hintergründe gezielt im Verborgenen hält.
Eine wirklich umfassendere Beschäftigung mit den Figuren bleibt deshalb fast vollständig aus, denn "Remember – Vergiss nicht, Dich zu erinnern" greift in vielen Momenten auf die Tatsache zurück, dass die demente Hauptfigur immer wieder mental von vorne beginnen, gegen das eigene Vergessen ankämpfen und gleichzeitig seinem Ziel näher kommen muss. Der Film wird seinem Titel somit direkt in doppelter Hinsicht gerecht, denn es geht nicht nur darum, weit in der Vergangenheit zurückliegende Ereignisse aufzuarbeiten und dadurch alte Wunden neu aufbrechen zu lassen, sondern auch um die Schwierigkeit, sich mit der chaotischen Situation des Hier und Jetzt zu arrangieren.
Nach einer Weile, wenn Egoyan seine Hauptfigur irreführende Stationen passieren lässt und immer stärkere Klarheit in die Handlung bringt, scheint man die zentralen Motive erfassen zu können, die eine Auseinandersetzung einer Täter-Opfer-Beziehung, einen Rache-Akt sowie Identität, Schuld und Vergebung zu thematisieren scheinen. Ab dem letzten Drittel entgleist der zuvor puzzleartige, nebulöse Plot allerdings zunehmend und zerfällt in mitunter wirklich verwirrend bizarre Momente, die mit den vorab vermuteten Kernaussagen des Films komplett brechen und brutale Haken schlagen.
Im Prinzip könnte "Remember – Vergiss nicht, Dich zu erinnern" spätestens mit der finalen, äußerst misslungenen Enthüllung als glatte Themaverfehlung durchgehen, würde er in seinem inhaltlichen Scheitern nicht doch eine gewisse Faszination ausstrahlen, die sich aus den unentschiedenen, überraschenden und somit dezent aufregenden, weil schließlich völlig überdrehten Einzelelementen ergibt.
Dass der Film trotz der kruden Atmosphäre nie in gänzlich lächerliche Gefilde abrutscht, hat er zuletzt seinem Hauptdarsteller Christopher Plummer ("Twelve Monkeys") zu verdanken. Der verleiht seiner verwirrten bis überforderten Figur eine gleichzeitig felsenfeste Entschlossenheit, die der zunehmend ins fast schon Absurde abdriftenden Handlung einen emotionalen Anker beschert, an den sich der Zuschauer meistens klammern kann.
Fazit
"Remember – Vergiss nicht, Dich zu erinnern" ist als Gesamtwerk ein mehr als seltsamer Film, der einen nach der Sichtung sicherlich noch etwas beschäftigen wird. Während sich der Plot zunächst sehr unklar und mysteriös entfaltet, schlägt die eigentlich vielversprechende Geschichte mit zunehmender Dauer immer wildere, mitunter völlig bizarre Haken und gipfelt in einen absurden Höhepunkt. Trotzdem offenbart der Film dabei einen gewissen Unterhaltungswert und ergibt zusammen mit den gelungenen Ansätzen und einem tollen Christopher Plummer in der Hauptrolle trotz des inhaltlichen Chaos einen interessanten Film, der aber unter Garantie nicht jedem zusagen wird und alles in allem nicht wirklich als gelungen bezeichnet werden kann. Faszinierend gescheitert sozusagen.
Autor: Patrick Reinbott