Inhalt
Kritik
Inzwischen hat man sich weitestgehend damit arrangiert (allerdings auf die äußerst harte Tour), dass die Karriere des einstig so ansehnlichen Teenie-Idols John Cusack wohl nicht mehr zu retten ist. Mit „Numbers Station“, „Motel Room 13“ und „Drive Hard“ präsentierte sich Cusack nun schon mehrfach von seiner lustlosesten Seite und ließ jeden juvenilen Esprit vermissen, der ihn in „Grosse Pointe Blank – Ein Mann, ein Mord“ oder „High Fidelity“ so nahbar gemacht hat. Zu erklären ist dieses schiere Desinteresse gegenüber der beruflichen Verwirklichung wohl nur noch damit, dass den Mann seit Längerem erhebliche Geldnöte plagen – Das aber bleibt reine Spekulation, gibt Cusack doch kaum einen Einblick in seine systematisch abgeschirmte Privatsphäre. Allein die Streifzüge durch den Direct-to-DVD-Sumpf bleiben, kleinere Exkursionen wie etwa „Maps to the Stars“ erheitern nur temporär, denn der nächste Klopper steht schon wieder vor den Toren des Heimkinos: Wie zum Beispiel der Karibik-Thriller „Reclaim – Auf eigenes Risiko“.
Hier darf John Cusack mal wieder in die reizvolle Rolle des Antagonisten schlüpfen, allerdings weitaus weniger fröstelnd wie in seinem wohl letzten DTV-Lichtblick „Frozen Ground“, wo er an der Seite von DTV-Zeremonienmeister Nicolas Cage herrlich diabolisch einen bebrillten Serienkiller mimte. Stattdessen spannt „Reclaim – Auf eigenes Risiko“ einen Bogen zu zeitgeschichtlichen Vorfällen und sucht die wahrheitsgetreue Referenz im Erdbeben in Haiti im Jahre 2010: Die Opferzahlen kursieren in einer Dimension von über einer halben Million Toter. Und dass diese Naturkatastrophen daher genügend Waisen hinterlassen hat, versteht sich von selber. Dieser Umstand ruft ein dualistisches (Menschen-)Prinzip auf den Plan, denn wo sich Steven (Ryan Philippe) und Shannon (Rachelle Lefevre) schon immer einen Sprössling gewünscht haben und mit Nächstenliebe aus dem verwüstesten Fundus schöpfen wollen, benutzt Benjamin (John Cusack), Kopf einer sinister methodisierten Organisation, die Kinderlein, um jede Menge unsauberes Geld zu scheffeln und die Herzen unglücklicher Paare um ein Weiteres zu knicken.
Um keine falschen Vermutungen zu schüren: John Cusack ist nicht der Hauptdarsteller von „Reclaim – Auf eigenes Risiko“, diese Ehre wurde Ryan Philippe und Rachelle Lefevre, allerdings geht Cusacks Auftritt deutlich über den Cameo-Charakter eines „The Prince – Only God Forgives“ hinaus, was ihm auch den Freiraum gibt, dem Zuschauer zu beweisen, wie ranzig er sich inzwischen doch schon artikuliert: Das verschwitzte Gesicht, die verklebten Haare, die elektrische Zigarette in der Schnute und immer einen Spruch auf den Lippen („Ich dreh den Swag auf!“), der vor Kopfschütteln akute Nackenbeschwerden fördern. Ryan Philippe macht sich als Hauptdarsteller nicht schlecht, vor allem ist es interessant, dass sein Steven niemals zur Kampfmaschine heranwächst, um in die Bryan-Mills-Kerbe zu schlagen. „Reclaim – Auf eigenes Risiko“ ist hinsichtlich dessen schon darauf bedacht, Steven als schuldbeladenes Individuum zu porträtieren, die in Extremsituationen eben auch bereit ist, weiter zu gehen, als es ihm gut tun würde.
„Reclaim – Auf eigenes Risiko“ bleibt dennoch astreines „Najaaaa“-Kino aus der Retorte. Die geleckten Bilder des traumhaften Naturidylls von Puerto Rico sind zu selten, als dass man die Möglichkeit gewährt bekommen könnte, den Film allein auf seine blitzesauberen Landschaftsaufnahmen aus dem Urlaubskatalog zu beschränken. Als auf temporeichen Thrill ausgelegtes Konstrukt aber bleibt Alan Whites Inszenierung beinahe noch herber auf der Strecke: Wo es nicht reicht, inhaltliche Unwahrscheinlichkeiten an formale Unsauberkeiten aneinander zu ketten, obsiegt im Allgemeinen endgültig die Vorhersehbarkeit, kulminierend in einer ganz und gar altbackenen Sequenz, in der das Auto der Familie an den Klippen hängt und Vater Steven nur noch wenige Sekunden Zeit hat, Frau und Kind aus dem herabrutschenden Boliden zu zerren. Man muss allerdings sagen, so viel Fairness sei erlaubt, dass „Reclaim – Auf eigenes Risiko“ trotz seines konsequent obligatorischen Charakters niemals wirklich enerviert, fad vielleicht, belanglos definitiv, aber keinesfalls anstrengend. Dafür ist er schlichtweg zu uninteressant.
Fazit
Wenn man ehrlich ist, muss man „Reclaim – Auf eigenes Risiko“ schon als einen der besseren Direct-to-DVD-Flics von John Cusack bezeichnen, auch wenn der Film eigentlich Ryan Philippe gehört. Schauspielerisch ist das irgendwo solide, auch wenn Cusack immer heruntergekommener aussieht (tankt der nur noch die billigen Energydrinks?), dramaturgisch allerdings ist in „Reclaim – Auf eigenes Risiko“ nichts zu holen: Das oberste Gebot lautet Vorhersehbarkeit und der Film leistet ihm Folge.
Autor: Pascal Reis