Inhalt
Weihnachten auf Finnisch
Kritik
Bereits vor knapp acht Jahren veröffentlichte das Team rund um Regisseur Jalmari Helander den Kurzfilm „Rare Exports Inc.“, in welchem man eine dreiköpfige Gruppe finnischer Jäger (Tracker, Marker und Sniper), bei der Pirsch auf ihre gefährlichste Beute und die daran anschließende langwierige Umerziehungsarbeit bis zur Verkaufsfähigkeit des erjagten Wesens, beobachten konnte. Der technisch und atmosphärisch brillant umgesetzte achtminütige Quickie erlangte innerhalb kürzester Zeit Kultstatus auf diversen Videoplattformen des WorldWideWeb und sorgte 2005 für eine nicht minder geniale Kurzfilm-Fortsetzung mit dem klingenden Titel „The Official Rare Exports Inc. Safety Instructions“. Die Benimmregeln für Importeure des raren Exportguts der drei Finnen, don’t curse, don’t drink und don’t smoke und die Konsequenzen einer eventuellen Nichtbeachtung, werden in diesem Lehrvideo amüsant, plakativ und effektiv in Szene gesetzt. Es sollte weitere fünf Jahre dauern bis im Jahr 2010 mit „Rare Exports“ schlussendlich der erste Langspielfilm rund um die finnische Exportfirma mit Hilfe französischer, norwegischer und schwedischer Geldgeber veröffentlicht werden konnte. Diese Art Origins-Story erschien nun Ende November 2011 in Deutschland bei Splendid Film auf DVD und BluRay.
Der kleine Pietari Kontio (Onni Tommila, der schon in „The Official Rare Exports Inc. Safety Instructions“ dabei war) und sein bester Freund, beobachten ein Forscherteam rund um Mr. Riley (Per Christian Ellefsen aus „Elling – Nicht ohne meine Mutter“) und Brian Greene (Jonathan Hutchings, der in den beiden Rare Exports Kurzfilmen bereits als Erzähler beteiligt war), das bei Arbeiten am Berg Korvatunturi ein riesiges unterirdisches Grab entdeckt hat und dessen Inhalt ans Tageslicht fördern will. Nachdem sich die beiden Jungen wieder durch ein Loch im Zaun vom Gelände entfernt haben, häufen sich ungewöhnliche Vorfälle. Bereits kurz nach dem Beobachtungstrip der Beiden segnen alle 200 Renntiere des Dorfes auf äußerst brutale Art und Weise das Zeitliche und wenig später beginnen sämtliche Kinder unter mysteriösen Umständen zu verschwinden. Pietari stößt bei seinen Nachforschungen auf die blutrünstige, aber offensichtlich wahre Geschichte des echten Weihnachtsmanns.
Mehr soll an dieser Stelle gar nicht verraten werden, über diese ungewöhnlich innovative Story, in der Regisseur Jalmari Helander den rauschebärtigen Coca-Cola-Weihnachtsmann frech fröhlich mit dem Krampus und dem Beelzebub kreuzt und dabei eine faszinierende Art Anti-Santa kreiert, den die Welt so noch nicht erlebt hat. Wenn diese irre Idee dann auch noch in den verschneiten Ebenen Lapplands situiert ist, die auch schon bei Genrehits wie „Let the Right One In“ für eine überwältigende Stimmung gesorgt haben, kann (zumindest atmosphärisch) nicht mehr viel schief gehen. Wobei von vornherein gilt, dass ein Film, der den Weihnachtsmann mit gigantischen gekrümmten Hörnern anstatt roten Bäckchen und einer Cola-Flasche präsentiert und seinen helfenden Elfen lange Bärte und „The Descent“ ähnliche Züge verpasst, grundsätzlich und ohne wenn und aber, gewürdigt werden muss.
Leider ist die ungewöhnliche Grundidee bereits in den beiden Rare Exports Kurzfilmen abgehandelt worden und bietet somit wenig bis gar nichts Neues respektive Erfrischendes für bereits vorinformierte Zuschauer. Trotz der extrem kurzen Laufzeit von gerade einmal 83 Minuten wirkt „Rare Exports“ im Gegensatz zu den acht- bis zehnminütigen Kurzfilmen etwas zäh, in die Länge gezogen und streckenweise fad inszeniert. Die mehr als achtfache Laufzeit des Spielfilms dient nämlich nicht gerade zur Straffung und Spannungssteigerung der vorweihnachtlichen Fantasy-Story. Auf den Punkt gebracht geschieht auf der Mattscheibe knapp 40 Minuten lang nichts wirklich Außergewöhnliches und „Rare Exports“ dümpelt, bis auf den ein oder anderen schrägen Einfall, lediglich träge vor sich hin. Erst in Hälfte zwei beziehungsweise eigentlich erst im letzten Drittel beginnt die Story an Fahrt aufzunehmen, wobei auch Filmverlauf und Spannungskurve endlich eine FSK 16 Einstufung rechtfertigen.
Technisch und schauspielerisch bleibt im Großen und Ganzen alles beim Alten. Nahezu der gesamte Cast und das komplette Produktionsteam waren – in der einen oder anderen Art und Weise – bereits bei den beiden ursprünglichen Kurzfilmen mit von der Partie und bieten somit einen nicht abzustreitenden Fan-Bonus. Trotz der durchaus vorhandenen schauspielerischen Qualität mag der Funke der Begeisterung aber gerade im Hinblick auf die Darsteller nicht so wirklich auf das Publikum überspringen. Besonders die beiden Kinderdarsteller nerven durch ihr übertrieben neunmalkluges Wickie-Gehabe und die unpassende deutsche Synchronisation. Außerdem fehlt der größte Pluspunkt der Kurzfilme, die ohne jegliche Ironie vorgetragene Rahmenhandlug durch den Erzähler, leider ebenso, wie die spannungsgeladene musikalische Untermalung. Grundidee, Setting, Atmosphäre und die kameratechnisch brillant eingefangenen Bilder weiter Schneelandschaften sowie in die Enge getriebener, blutrünstiger Elfen/Weihnachtsmänner von Mika Orasmaa (demnächst als Director of Photography in „Iron Sky“) entschuldigen allerdings für so mache Schwäche in den Bereichen inhaltliche Substanz, Flüssigkeit und schauspielerisches Talent.
Fazit
„Rare Exports“ ist ein unterhaltsamer und überaus atmosphärischer Film, der vor allem jene Zuschauer begeistern wird, welche die dem Film zugrunde liegende Idee noch nicht kennen. Alle Vorinformierten werden sich mit Sicherheit etwas an der elegischen Umsetzung und etwas trägen Inszenierung stören und nicht zuletzt auch daran, dass die geniale Stimmung der beiden Kurzfilme an keiner Stelle erreicht wird.
Autor: Christoph Uitz