Inhalt
Bill Williamson findet, dass es zu viele Menschen auf der Erde gibt, und dass die Reichen an allem schuld sind. Also zieht er los mit einem Haufen Waffen in einem Vollkörperpanzer, um die Bevölkerungszahl vorübergehend und zumindest in seinem Heimatnest zu senken. Danach taucht er unter. Nun ist er wieder da in gewohnter Montur und bringt eine Fernsehstation in seine Gewalt. Dort zwingt er den Nachrichtensprecher, kritische Texte zu senden, und tötet einen Haufen weiterer Leute. Der Intendant ist begeistert, die Polizei schon weniger.
Kritik
Obwohl er mit „Heart in America“ bereits im Jahr 2001 einen Film inszenierte, der sich kritisch mit einer gesellschaftlichen Thematik auseinandersetzte, galt Uwe Boll früher als Herr der Videospielverfilmungen. Erst seit einigen Jahren erfilmte er sich auch den Ruf relevante Themen kinematografisch anzupacken. Dies änderte freilich nicht seinen schlechten Ruf. Seine aussagekräftigen Werke wie „Siegburg“, „Auschwitz“ oder „Darfur“ wurden (mit einigen Ausnahmen) wie bereits seine Game-Verfilmungen meist in der Luft zerrissen. Das Ergebnis: Uwe Boll machte es sich jetzt erst recht in der Wut-Ecke gemütlich, pöbelte und tobte gegen Kritiker, die Politik sowie die Gesellschaft im Allgemeinen. Dabei legt er eine Selbsteinschätzung seiner Werke und seiner eigenen Person an den Tag, die er mit oft cholerischem Engagement verteidigt und publiziert. Den Mund lässt sich Boll nun mal nicht verbieten und schon gar nicht das Filmemachen, auch wenn viele seinen Ausstieg aus der Branche Beifall klatschend begrüßen würden.
Mit „Rampage“ aus dem Jahre 2010 inszenierte Boll einen seiner umstrittensten Filme. Der Inhalt: Ein junger Mann aus einer Kleinstadt besorgt sich einen kugelsicheren Körperpanzer, einige Waffen und veranstaltet einen Amoklauf, in dem hunderte Menschen sterben. Am Ende gelingt dem Mann, Bill Williamson ist sein Name, die Flucht. Er nimmt Millionen von Dollar mit, die er aus einer Bank gestohlen hat und hinterlässt eine Stadt voller Leichen. Genau dieser Bill Williamson kehrt nun in „Rampage – Capital Punishment“ zurück. Genau wie im Vorgängerteil hat Bills Handeln einen Grund. Im Sequel ist es aber nicht die Erbeutung von Geld (gekoppelt an eine Kapitalismuskritik), sondern die Verbreitung seiner Weltansichten. Schnell wird dabei klar, es ist keine fiktive Figur die hier zu uns spricht, sondern es ist Uwe Boll persönlich. Bills Tiraden gegen Obama, Lobbyismus, Kriegstreiberei, politischer Feigheit und anderen Thematiken sind Bolls Meinungen und er lässt sie ungefiltert auf die Zuschauer los. Es erinnert an einen Oberlehrer, der sich mit verbaler Prügelstrafe und ausgestreckten Mittelfinger über die heutige Welt auskotzt.
Doch mehr wie dieses Auskotzen geschieht nicht wirklich. Uwe Boll gelingt es nicht, dass der Film aufrüttelt. Warum? Nun, vielleicht liegt es daran, dass „Rampage – Capital Punishment“ einem das Gefühl suggeriert, man selbst wäre einer der Hauptschuldigen daran. Anders ausgedrückt: Wenn man von jemanden andauernd mit schreiender, sprachlicher Pose angeschuldigt wird, hat man recht schnell keinen Bock mehr sich der Thematik zu stellen.
Wobei die Thematik ist eh ein ganz eigenes Kapitel in „Rampage – Capital Punishment“. Denn die ausgesprochenen Pamphlete verpuffen ins Nichts, denn wenn Bill Williamson dutzende von Menschen erschießt oder Leute psychisch und physisch foltert nur weil sie einem Lebensstil folgen, der von Bill missbilligt wird (wahrscheinlich weil er ihn einfach nicht versteht), zeigt sich das „Rampage – Capital Punishment“ eigentlich nicht viel besser ist, als all die Widerlichkeiten in der Welt, die er anprangert. Boll betont zwar immer wieder in Interviews, dass Bill Williamson ein widerlicher Psychopath ist, aber dennoch glorifiziert „Rampage – Capital Punishment“ seine Taten, alleine schon damit, dass Bill seinem Umfeld immer zwei Schritte voraus ist. Da hilft es dann auch nicht, wenn Bill in einer Seitenstraße auf einem Campingstuhl sitzt und gelangweilt Passanten erschießt. Eine Szene, die ein gutes Beispiel für misslungen schwarzen Humor ist.
Funktioniert denn nichts in „Rampage – Capital Punishment“? Doch. Zum einen ist Bill Williamson-Darsteller Brendan Fletcher durchaus überzeugend und es ist zu begrüßen, dass er demnächst wohl mit dem Regisseur Fernando Meirelles („City of God“) zusammenarbeitet, zum anderen funktioniert die im Film dargereichte Kritik an der amerikanischen Waffenlobby. Ansonsten ist es schon recht schwer überzeugende Bereiche zu entdecken. Vor allem dann, wenn Uwe Boll selbst als Darsteller auftritt (diesmal nicht als Hitler, sondern als Senderchef) und die Pamphlete von Bill mit den Worten „Er hat Recht!“ kommentiert. Uwe Boll bestätigt Uwe Boll. Eigentlich eine schöne Szene, weil sie so überdeutlich aufzeigt wie durchdrungen er von sich und seinen Ansichten und wie scheinbar egal ihm die Meinung anderer ist. Uwe Boll scheint nur den Zuspruch von Uwe Boll zu brauchen.
Wobei seine Ansichten an und für sich nicht verkehrt sind, ja sogar (zumindest in den Augen des Rezensenten) durchaus richtig und wichtig erscheinen. Nur deren pöbelhafte, marktschreierische und trotzige Darreichung ist desolat. Dafür ist seine Inszenierung aus technischer Sicht nicht mehr so anti-harmonisch wie zu den Zeiten von „House of the Dead“ oder „Alone in the Dark“. Boll hat scheinbar Laissez-faire gelernt Filme zu drehen. Hochklassig sieht „Rampage – Capital Punishment“ zwar nicht aus – was aber nicht unbedingt an der recht passenden shaky cam von Bolls Stamm-Kameramann Mathias Neumann liegt -, allerdings ist der audiovisuell passend zusammengesetzt. Dass der Film aber recht kostengünstig produziert wurde, ist ihm dennoch überall anzusehen und der Eindruck, dass Uwe Boll das ziemlich egal ist, ist beständig. Immerhin ist es so einfacher über die wahren Aussagen und Schwächen des Films zu diskutieren. Dafür eignet sich das Sequel nämlich wirklich gut.
Fazit
Uwe Boll greift das System an und bauscht sich mit „Rampage – Capital Punishment“ endgültig zu einer Art Mahner und Apostel auf. Doch seine angebliche Kritik an der Gesellschaft, der Politik und allem was sonst noch falsch und verlogen ist in unserer Gesellschaft, erweist sich als zahnlos. Mag sein, dass die Dinge, die Massenmörder Bill von sich gibt, richtig sind und es mag auch sein, dass unsere Gesellschaft mit durchgedrücktem Gaspedal in Richtung Abgrund fährt, aber „Rampage – Capital Punishment“ ist am Ende nicht mehr wie die filmische infantilisierte Kanalisierung von Wut. Das einzig Satirische daran, ist den Film als Satire zu bezeichnen.
Autor: Sebastian Groß