Inhalt
Lester Parson scheint ein harmloser, durchschnittlicher Typ mittleren Alters zu sein. Aber unter der unscheinbaren Fassaden schlummert ein skrupelloses Monster. Um seine Spielsucht zu finanzieren kontaktiert er gezielt wohlhabende, alleinstehende Damen, um sie nach entsprechend finanzieller Absicherung anschließend brutal zu ermorden. Doch die eigene Schizophrenie wird plötzlich sein größter Gegner…
Kritik
Der Niedergang des italienischen Horrorfilms kann an kaum einem Beispiel treffender festgemacht werden als an dem von Lucio Fulci (Woodoo- Die Schreckensinsel der Zombies). Die 1970er Jahre waren die Hochphase von Giallo, Italo-Gore und Euro-Exploitation und Lucio Fulcio wurde einer der Greatest Hits. Während Kollegen wie Dario Argento (Suspiria) ihre Schlagzahl nach dem Ende des Trends, dem eindeutig stattgefundenen Brechen der kreative Welle (zunächst) auf ausgewählte, immer noch und besonders herausstechende Produktionen beschränkten (Argento inzwischen nachhaltig aussortiert), drehte Fulci unbeeindruckt immer weiter. Bis 1982 und gute (Der New York Ripper) oder akzeptable Werke (Amulett des Bösen) war das auch noch völlig in Ordnung, nur langsam wurde die Luft ziemlich dünn. Und inzwischen wusste auch ein Lucio Fulci wohl nicht mehr selbst, warum ihm einst die Genre-Welt zu Füßen lag. Das „beste“ Beispiel ist sein desaströser Offenbarungseid When Alice Broke The Mirror, dessen vielversprechender (aus dem italienischen Original tatsächlich sinngemäß übersetzter) Titel sogar die geringste Enttäuschung darstellt. Obwohl diese lose Versprechung schon frech genug ist.
Sein Panoptikum eines schizophrenen Psychopathen soll sichtlich ironische, pechschwarz-humoristische Züge aufweisen, ist aber selbst darin nur eine nicht mal mehr mitleiderregende Farce, die seinen sarkastischen Ansatz durch puren Dilettantismus selbst komplett torpediert. Richtig gelesen, Dilettantismus, und das von einem der Wegbereitern des europäischen Genrefilms, wie kann das sein? Gute Frage, die Antwort bleibt ein ungeklärtes Mysterium. Natürlich hatte Fulci schon immer deutliche Schwächen, die er aber stets gekonnt wusste zu überspielen. Nur wenige seiner Filme (Die Nackte und der Kardinal, Don’t Torture A Duckling oder Die sieben schwarzen Noten) definierten sich über narrative Qualitäten, hauptsächlich stand sein morbides Gespür für Atmosphäre und Stimmung im Vordergrund. Machten Arbeiten wie Ein Zombie hing am Glockenseil, Über dem Jenseits oder Das Haus an der Friedhofsmauer zu Klassikern, die sie oft nur aufgrund dessen verdienen. Aber dafür ohne Wenn und Aber. Davon ist die kranke Chose zwischen dem rohen, aber albern-verpeilt interpretierten Independet-Charme eines Henry: Portrait of a Serial Killer, wüsten und extrem geschmacklosen Vollkontakt-Splatter und Dödel-Satire jenseits von Doof und Peinlich so weit entfernt, das wohl erst in nochmal 30 Jahren diese Kritik als Echo in ihrem vollen Entsetzen ihren Bestimmungsort erreicht.
Ein bärtiger Typ Marke Buchhalter und Kleingärtner zum Übersehen (auch sichtlich desorientiert wie er das spielen soll: Brett Halsey, Der Pate 3) erschleicht sich durch sonderbar offenherzige, öffentliche Kleinanzeigen (Durchschnitts-Tenor: Weiblich, reich, notgeil, anspruchslos, sucht…) flott Herz, Schmuckkästchen und Tresor lustiger, sorgloser und manchmal gar ebenso bärtiger Witwen, um sie anschließend in nicht immer logischer Reihenfolge zu betäuben, erschlagen (manchmal eines direkt an das andere, warum auch immer), zu zersägen und an den Schweinestall, den Stubentiger und bei den Filetstücken natürlich auch an sich selbst zu verfüttern, wozu ist man denn verrückt? So: Nachdem man sich 30-40 Minuten durch übel explizite, billige und deutlich nur auf ekelhaften Exzesse zelebrierte Ultra-Gore-Effekte gearbeitet hat, ist When Alice Broke The Mirror nur noch ein zusammengeschusterter und erschreckend grässlich abgefilmter Quark, der offenkundig schocken und parodieren gleichzeitig will, aber nichts davon auch nur grob beherrscht.
Das Thema einer gespaltenen Persönlichkeit könnte aufregend sein, aber so schizophren wie die Hauptfigur ist auch der Drehbuch-Bierdeckel, der eine Situation in den Raum wirft und postwendend wieder vergisst. Sie wieder total abstrus aufgreift, sofort konsequent ignoriert um am Schluss so zu tun, als wäre das ein Wahnsinns-Coup, was selbst in der Geschlossenen nur müde belächelt werden dürfte. Planlos verhungert der im Prinzip nicht reizlose Plot am ausgestreckten Arm, weil ein sichtlich neben sich stehender, einst über seine individuellen Fähigkeiten hervorstechender Regisseur nicht mal mehr ein verzerrtes Spiegelbild seiner selbst ist. Konfus ist noch das Netteste, was über diesen Unsinn berichtet werden könnte. Früher war das bei Fulci auch schon ein ewiger Begleiter, aber er konnte es oft entwaffnen. Diese Totschlagargumente, sie wären hier notwendiger denn je. Keine Chance. Das ist ein argumentatives Gerippe. Fleischlos. Alles zersägt, verkaspert, aufgefressen und direkt wieder erbrochen. Mahlzeit.
Fazit
„When Alice Broke The Mirror“ ist ein ganz schlechter Witz. Ästhetisch erschreckend lieblos, einzig konzentriert auf möglichst bestialische (aber gleichzeitig zu schäbige) Gore-Effekte, erzählerisch totaler Müll und inszeniert wie von einem untalentierten Amateur ist es kaum zu glauben, dass dieser Regisseur zu den wichtigsten Künstlern eines gesamten Genres gezählt werden darf. Fulci war immer angreifbar in gewisser Weise, aber jegliche Verteidigung ist mit diesem Schrott ein offenes Scheunentor. Feuer frei, hier trifft es leider den Richtigen.
Autor: Jacko Kunze