MB-Kritik

Photophobia 2023

Drama, Documentary

Nikita Tyshchenko
Viktoriia Mats
Yana Yevdokymova
Yevhenii Borshch
Vitaly Pavlovitch
Tetiana Volodymyrivna Syrbu
Anna Tyshchenko

Inhalt

An einem kalten Februarmorgen suchen der  12-jährige Niki und seine Familie in Kharkiv in der Metro-Station Schutz vor den Bombenangriffen. Für die Familie ist Tageslicht gleichbedeutend mit Todesgefahr und für Niki ist das Verlassen des Metro-Geläbdes verboten. Bei einem seiner Streifzüge entlang  überfüllter Bahnsteige und verlassener Autos begegnet er dem 11-jährigen Vika und entdeckt eine neue welt, abseits der kalten Neon-Lichter des Schutzraums.

Kritik

So wie das Tageslicht, das für die kindlichen Charaktere Ivan Ostrochovskýs und Pavol Pekarčíks (Velvet Terrorists) semi-dokumentarischem Drama nur eine ferne Erinnerung ist, über der Decke ihres unterirdischen Unterschlupfs beinahe spürbar scheint, wirkt die brutale Realität fast greifbar hinter dem fiktiven Filter. Er hüllt eine abstrahierende Atmosphäre spielerischer Spontanität um die Protagonisten des Hybrids aus Kinder- und Kriegsfilm. Darin entführt das preisgekrönte Regie-Duo das Publikum vom sonnenüberfluteten Lido in das kalte Lampen-Licht Kharkivs zu Bunkern umfunktionierter U-Bahn-Stationen.

Es ist das neue Zuhause des 12-jährigen Niki (Nikita Tyshchenko), der mit seiner Familie wie zahlreiche andere Bewohnende der Stadt im Nordosten der Ukraine vor russischen Bombenangriffen hierher geflohen ist. In der überfüllten Metro-Station bleibt ihnen nur eine Ecke, in der Niki meiste Zeit an seinem Handy verbringt. Beim Gesundheitscheck sagt die Ärztin, ihm fehlen Bewegung und Tageslicht, doch beides scheint unendlich weit weg in dieser dystopischen Welt ohne Tag und Nacht, Regen und Sonne. 

Streifzüge mit seiner neuen Spielgefährtin Vika (Viktoriia Mats) führen Niki durch ein neon-fahles Netzwerk an Gängen. Dort harren die Menschen mit ihren Habseligkeiten und Haustieren der Rückkehr in eine Oberwelt, von der nicht mehr viel übrig ist. Sie weinen, singen und teilen Traumata. Fast trotzig begegnet die Inszenierung diesem monotonen Grauen mit einem Hauch Phantasie. Beim Blick durch einen alten Dia-Betrachter werden die entrückten Ansichten eines friedlichen Alltags lebendig: ein Schimmer Hoffnung inmitten des Horrors.

Fazit

Eine verstörende Atmosphäre apokalyptischer Alltäglichkeit liegt in der abgestandenen Luft der U-Bahn-Tunnel, die für die jungen Figuren zum zeitlosen Zufluchtsort werden. Das Gefühl surrealen Stillstands verstärkt die unwirkliche Aura der klaustrophobischen Kulisse. Hier findet die sich an der Intuition der Kinder orientierende Kamera in jeder Ecke Gespräche, Gesten und Gegenstände, die schon allein durch den historischen Kontext mit vielschichtiger Bedeutung aufgeladen werden. Die Regisseure müssen das Ganze nur noch zusammenfügen - und tun das äußerst wirkungsvoll.

Autor: Lida Bach
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