7.7

MB-Kritik

Liebesbriefe aus Nizza 2024

Comedy

7.7

André Dussollier
Sabine Azéma
Thierry Lhermitte
Joséphine de Meaux
Sébastien Chassagne
Michel Boujenah
Gaël Giraudeau
Eva Rami
Céline Esperin
Claire Abeille
Maïna Le Noir
Maëlys Moreau
Marie Fabre
Stella Roussel
Solal Bouloudnine
Frédéric Deleersnyder

Inhalt

Als François auf dem Dachboden seines Hauses ein paar alte Liebesbriefe in die Hände fallen, fällt der pensionierte Offizier aus allen Wolken. Denn die wortreichen Ergüsse über den „vibrierenden Venushügel“ seiner Frau Annie stammen definitiv nicht von ihm. Francois fordert Revanche, mobilisiert seine Beziehungen zum Geheimdienst und spürt den Casanova von einst an der Riviera auf. Siegessicher reist er zusammen mit Annie ins sonnige Nizza. Während Annie den Ausflug in die Vergangenheit und das nächtliche Nacktbaden mit ihrem neuen alten Kavalier immer mehr genießt, verrennt sich François in seine Rachepläne.

Kritik

Wenn an Ivan Calbéracs (Weinprobe für Anfänger) seichter Senioren-Komödie überhaupt etwas witzig ist, dann noch am ehesten der Umstand, dass der Regisseur inszenatorisch ein ganz ähnliches Verhalten zeigt wie der im selbstverfassten Drehbuch dafür kritisierte Hauptcharakter. Der gealterte General findet beim Räumen im noblen Heim, das er mit Gattin Annie (Sabine Azéma, Docteur Knock) teilt, vier Jahrzehnte alte Liebesbriefe. Sich darüber zu echauffieren, wie François (André Dussollier, The Blaze) es natürlich tut, ist albern. Darum einen ganzen Film zu stricken, noch alberner. 

Dabei ist albern nicht zu verwechseln mit amüsant. Zweites ist keine der vorhersehbaren Peinlichkeiten, die sich der patriarchalische Protagonist in seiner verspäteten Eifersucht leistet. Denn das seichte Sittenstück ironisiert keineswegs prüde Moralbegriffe, ehelichen Besitzanspruch oder das martialische Männlichkeitsmodell, all denen François genügen will, wenn er für eine Schlägerei mit dem vermeintlichen Konkurrenten trainiert. Der Witz ist vielmehr François Scheitern daran, das seine Gattin prompt in die Arme des anderen treibt, genauer: in dessen Swimming Pool.

Ein solcher ist für das begüterte Ensemble so selbstverständlich wie ein Spontan-Trip an den Ort des deutschsprachigen Verleih-Titels. Der eliminiert den Bezug zu Guy Mardels gleichnamigen Chanson, dessen Verklärung von Verunsicherung als Mittel zu amouröser Erfüllung wie eine Anleitung zum Gaslighting klingen. Das immerhin passt zur verkorksten Dialektik, die an verstaubter Sittsamkeit festhält, weil die damit vorprogrammierten Konflikte die Leidenschaft erst ankurbelten. Bourgeoise Heuchelei wird nicht mehr verleugnet, sondern verklärt. Zeitgemäße Komik - für Spießbürger.

Fazit

Wenn Ivan Calbéracs Rentner-RomCom schließlich ein winziges Stück vom monogamen Manifest abrückt, sei es nur, um dieses in anderer Ausführung zu wiederholen, präsentiert der Regisseur das als postmoderne Progressivität. Wie solche fühlt es sich vermutlich an für das Zielpublikum der betulichen Beziehungsklamotte, deren elitäre Eheprobleme den Plot kaum in Gang halten können. Das solide Schauspiel kann den Mangel an Tempo und Originalität so wenig ausgleichen wie altbackene Rollen- und Moralschemata, die als fortschrittlich hingestellt werden. 

Autor: Lida Bach
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