Inhalt
Die hübsche Tanzlehrerin Tao hat zwei Verehrer, den Minenarbeiter Liangzi und den Neureichen Zhang. Tao entscheidet sich für eine sichere Zukunft. Aber damit nicht unbedingt für das Glück, wie die folgenden 25 Jahre zeigen werden.
Kritik
Anders als in Hollywood, haben viele Regisseure auf der Welt nicht nur um die Finanzierung eines Projektes zu kämpfen, sondern auch um dessen Freigabe. Der vielleicht sogar wichtigste dieser Regisseure ist der Chinese Jia Zhangke. Kein anderer Regisseur aus dem Land der Mitte wagt so viel und ist dabei noch so erfolgreich. International ist der goldene Löwe und goldene Palme Preisträger schon ein gefeierter Künstler, doch im eigenen Land noch weitestgehend unbekannt. Trotzdem er seit 2004 offen und vom Staat genehmigt Filme produzieren darf, werden viele seiner Filme nicht freigegeben oder deren Veröffentlichung ins unendliche hinausgeschoben. Doch sein neuer Film "Mountains May Depart" hat es nun endlich in die chinesischen Kinos geschafft und wird ihn hoffentlich auch im eigenen Land zum gefeierten Künstler erheben, der er im Rest der Welt schon lange ist.
Die Geschichte von "Mountains May Depart" beginnt im China des Jahres 1999. Die selbstsichere Shen Tao (Großartig gespielt von Jia's Frau Zhao Tao) ist hin und her gerissen. Zwei Männer kämpfen um ihre Gunst und sie muss sich entscheiden. Nach einem Zeitsprung in die Gegenwart (mit dem auch eine Änderung des Bildformats von 1,33:1 auf 1,85:1 einhergeht) zeigen sich die Folgen von Taos Entscheidung. Die geschiedene Frau bleibt alleine in China zurück, während ihr Mann und ihr Sohn das Land zugunsten eines besseren Lebens verlassen. Mit dem dritten und letzten Teil der Geschichte (diesmal in 2,35:1 Cinemascope) ändert sich auch der Handlungsort. Tao's mittlerweile jugendlicher Sohn lebt mit seinem Vater in Australien. Er hat kaum noch einen Bezug zu seiner Herkunft, seiner Kultur und auch seiner Mutter, die ihn schmerzlich vermisst.
Wie auch schon in seinem vorherigen Film, setzt sich der Regisseur und Autor abermals mit den Gewinnern und Verlierern des plötzlichen Wirtschaftsbooms Chinas auseinander. Anders als in "A Touch of Sin" nutzt er diesmal aber nicht Gewalt, sondern Emotionen um seine Botschaft zu vermitteln und ist damit viel näher am Zuschauer dran. Deutlich zugänglicher präsentiert sich der Film gerade auch fürs westliche Publikum. Mit seiner drei Zeiten umfassenden Erzählweise weist er die Anfänge der wirtschaftlichen Öffnung, deren Folgen in der heutigen Zeit und auch eine Aussicht für die Zukunft aus, die treffender wohl nicht sein könnte. Während die Verlierer im eigenen Land untergehen, machen sich die Gewinner auf in den Westen.
Gerade der dritte Akt ist dabei interessant, denn im Gegensatz zu den anderen setzt er sich nicht aus Wissen, sondern aus Prognosen zusammen. Doch leider ist der eigentlich interessanteste, auch der schlechteste Teil des Films. Jia Zhangke dreht hier erstmals einen Großteil seines Films in englisch und hat dabei sehr mit der Sprachbarriere zu kämpfen. Die Dialoge wirken oft sehr unbeholfen und hölzern. Auch die Liebesgeschichte ist dadurch und durch das offensichtliche Unbehagen der beiden involvierten Darsteller unglaubwürdig. Das liegt aber keineswegs an deren Können. Denn Jungdarsteller Zijian Dong – der in Cannes sogar als bester Hauptdarsteller nominiert war – und die erfahrene Taiwanesin Sylvia Chang leisten beide großartiges. Durch ihr Schauspiel und das kraftvolle Finale (Bisher bester Einsatz des Songs "Go West", den es je in einem Film gegeben hat) gelingt es Jia das Ruder noch herumzureißen und ein weiteres Meisterwerk abzuliefern.
Fazit
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eines sich im Aufbruch befindenden Landes und die damit einhergehenden Ängste und Nöte seiner Bevölkerung. All dies verpackt Jia Zhangke in seinen bis dato zugänglichsten Film und liefert ein weiteres Meisterwerk ab, dass lediglich im dritten Akt ein bisschen schwächelt.
Autor: Tobias Bangemann