Inhalt
Eines Abends tritt Bazil vor die Tür seiner Pariser Videothek – nur um eine verirrte Pistolenkugel in den Kopf zu bekommen. Dumme Sache, aber nicht unbedingt tödlich, entscheiden die Ärzte und entlassen Bazil aus dem Krankenhaus – mit Kugel im Kopf, aber ohne Job und Wohnung steht er auf der Straße. Doch das Glück lässt nicht lange auf sich warten: Bazil trifft auf den kauzigen Canaille, der mit einer Gruppe wunderlicher Außenseiter zusammenlebt. Bei dieser skurrilen Familie findet Bazil ein neues Zuhause und taucht unter in eine Welt voller magischer Momente mitten in einem unbekannten Paris. Vor allem die biegsame Mademoiselle Kautschuk weckt Bazils Interesse und erobert schnell sein Herz. Doch es wird noch eine Weile dauern bis beide zusammen kommen. Zunächst muss Bazil noch eine Mission erfüllen…
Kritik
Tote schlafen fest. Aber Bazil (Dany Boon) schläft nicht. Grund dafür ist nicht allein der Umstand, dass er noch am Leben ist. Sein allabendliches Filmritual mit John Hustons „The Big Sleep“ wurde empfindlich gestört und damit auch seine Nachtruhe. Die Ruhestörung beeinträchtig sein Befinden noch in anderer Weise. Ein Querschläger der Schießerei geht ihm ins Gehirn. Fortan trägt der Held von Jean-Pierre Jeunets filmischer Groteske eine Kugel im Kopf. Kaputtgehen konnte da drinnen offenbar nichts. Anders verhält es sich mit seiner Unterkunft. Die ist weg, als Bazil aus dem Krankenhaus wiederkommt. Seine Habseligkeiten haben die Nachbarn geklaut und seine Anstellung in der Videothek wurde neu vergeben. In solchen Momenten der verschrobenen Story soll man nicht wissen, ob man lachen oder weinen soll. Stattdessen spürt man eher Kopfschmerzen, was nicht an übermäßiger Empathie mit dem Hauptcharakter liegt. Von der ersten Einstellung an tut Jeunets Inszenierung dermaßen bemüht komisch (in jedem Sinne des Wortes), dass es extrem anstrengend ist.
Der nach langwieriger Verschiebung des geplanten Kinostarts verändert Titel spricht vom „großen Coup der kleinen Leute“. Jener Coup findet nie statt und kleine Leute gibt es im Film nicht. Der leicht zurückgebliebene Protagonist schlägt sich als Clochard durch und lernt auf der Straße den seinen sozialen Status im Namen tragenden Canaille (Jean Pierre Marielle) kenne. Canaille führt in in das unterirdische Geheimquartier seiner Bettelbande. Zu der gehören die matronenhafte Köchin Casoullette (Yolande Moreau) und die Schlangenfrau Mademoiselle Kautschuk (Julie Ferrier), in die sich Bazil verliebt. Gemeinsam planen sie Rache an den verfeindeten Waffenhändler Marconi (Nicolas Marie) und Fenouillet (Andre Dussolier). Als Obdachloser lebt es sich dank kleiner Gaunereien äußerst angenehm. In ihrem Geheimquartier, das wie einst das der Widerständler in „Delikatessen“ im Untergrund liegt, haben sich die Sonderlinge mit Ramsch, Fundsachen und selbst gebauten Maschinen komfortabel eingerichtet. Ohne fühlbare Armut und echtes Leid enthüllt sich die angebliche proletarische Revolte gegen die Industriellen als Staffage für Privatrache.
Letzte mit anzusehen verursacht weder Spaß noch Spannung. Die Außenseiter sind keine Individuen, sie sind Typen. Mit ihren außerordentlichen Fähigkeiten ähneln sie mehr Superhelden als Lumpenproletariat. Seine Filmwelt unterteilt Jeunet radikal in Gut-Böse-Klischees. Den Waffenhändlern sieht man ihre Niedertracht von weitem an. Die Waffenhändler sitzen in hohen Bürogebäuden, die Clochards unter der Erde: die Bösen da oben gegen die Anständigen da unten, lautet das simple Handlungsschema. Der Schlachtruf „Uns gehört Paris!“ kündet die Rückeroberung der von Profiteuren enteigneten Stadt an. Kleinbürgerliche Rachefantasien werden zum schrillen Spektakel. Damit selbst das US-Publikum hier ja keinen Sozialismus wittert, ist alles nur Scharade. Jetzt haben alle was gelernt: die Bilderbuchbösewichte, die braven Bürger, die nie geahnt hätten, das Kriegstreiber keine Mustermenschen sind, und das Filmpublikum. Unterwandert ist der fratzenhafte Film von Verneigungen des Regisseurs vor seine eigenen Werken. Die Hommage an Micmacs wird er sich wohl ebenfalls selber inszenieren müssen.
Fazit
Bazils Name erinnert wohl nicht zufällig an Brazil. Doch an die durchdachte Satire Terry Gilliams reicht der harmlose Klamauk nicht heran. Statt bissiger Satire mündet die verquere Chose in Sozialkitsch.
Autor: Lida Bach