Inhalt
Romain Esnard ist jung und hat das ganze Leben noch vor sich. Sein Vater Michel ist Postbeamter alter Schule und geht gerade in Rente. Seine geliebte Großmutter Madeleine musste jüngst ins Seniorenheim und sein Opa ist gerade gestorben. Eigentlich interessiert sich Romain für Literatur und vielleicht möchte er auch ein Buch schreiben, doch die ganz normalen Familiengeschichten halten ihn in Atem. Das Seniorenheim findet Oma Madeleine so scheußlich, daß sie urplötzlich Reißaus nimmt und spurlos verschwindet. Familie Esnard, beziehungsweise das, was von ihr übrig ist, gerät in noch größeren Aufruhr. Vater Michel, ohnehin konsterniert über den eigenen Ausstieg aus dem Leben, kriegt einen Wutanfall nach dem nächsten. Und Romains Mutter erklärt, dass sie die Scheidung will. Eines Tages findet Romain in seinem Briefkasten eine Postkarte. Und am nächsten Tag eine weitere, kleine Hinweise, an welchem Ort nach Madeleine zu suchen ist. Romain macht sich auf den Weg an die Nordküste Frankreichs und begegnet nicht nur einem unverhofften Tankstellenorakel, das Auskunft über die große Liebe gibt, sondern auch Erinnerungen an erste und späte Dinge des Lebens.
Kritik
Der französische Originaltitel „Les Souvenirs“, zu Deutsch also „Die Erinnerungen“ gibt schon eher als der deutsche Verleihtitel Auskunft über das, was einen hier erwartet. Die Geschichte, die ihre Fäden geringfügig makaber zwischen zwei Beerdigungen spannt, läuft dann aus allen verschiedenen Ecken in der Figur des Enkels zusammen. Der wird von Mathieu Spinosi so überaus charmant gespielt dass man sich das gerne anschaut. Überhaupt, Charme ist hier die Geheimzutat. Es gibt Todesfälle, aber das macht den Film noch lange nicht zur Tragödie. Die Figuren sind bekannte Archetypen, aber durch die Bank weg so liebenswürdig dass man ihnen nach wenigen Minuten miteinander ein Happy End wünscht. Da macht es auch nichts dass bisweilen verschwurbelte Sätze in das Gesicht des Protagonisten geschleudert werden, denn so wenig wie wir verstehen was das Gegenüber will, so wenig versteht es auch Romain. Man fühlt sich also gleich mit ihm verbunden.
So pendelt Romain in seinem Leben zwischen verschiedenen Bezugspersonen hin und her. Seine Oma hat ihren Mann verloren, und weil Romain als angehender Schriftsteller noch keine Geschichten auf Lager hat hört er sich kurzerhand ihre an. Für Madeleine sind diese Erinnerungen wie eine Art Lebenselixier, das Erzählen scheint ihr Kraft zu geben. Wenn sie die Vergangenheit ausbreitet verfliegt ihrer eigener Kummer für eine Weile, und Romain und damit auch der Zuschauer hört geduldig zu. Den Gegenpol dazu bietet Romains Vater, Madeleines Sohn Michel. Der kommt mit dem Rentnerdasein überhaupt nicht zurecht und schiebt dann die eigene Mutter noch ins Altersheim ab. Das macht wiederum seine Frau nicht mit, und schon verkommt der wütende Mann zu einem Häufchen Elend. Dass das nicht lächerlich wirkt ist Michel Blanc zu verdanken, der die Rolle wirklich ausfüllt. Überhaupt, die Schauspieler leisten hier wirklich großartiges. Nuancierte Mimik trifft auf das seltene Gefühl dass man es hier nicht mit Schauspielern zu tun hat, sondern tatsächlich eine ganz alltägliche Familie beobachtet.
So ist man für die Dauer des Films dieser Familie sehr nah, aber es fühlt sich niemals so an als würde sich da jemand dem anderen aufdrängen. „Zu Ende ist alles erst am Schluß“ wird von zarter Selbstironie durchzogen, zeigt aber ein riesiges Herz für seine Figuren und blickt mit ihnen gemeinsam wehmütig in die Vergangenheit. Das ist manchmal skurril, manchmal dramatisch, immer ein wenig traurig aber vor allem sehr, sehr zufriedenstellend. Dazu gibt es mit dem Verschwinden der Großmutter noch ein herrliches Versteckspiel zwischen Oma und Enkel, bei dem man sich schnell dabei ertappt die Hinweise mit zu entziffern. Abgerundet wird das Wohlfühlpaket dann von stimmigen Chansons, die man so halt eben auch nur in Frankreich findet.
Fazit
Eine Geschichte muss nicht immer stringent erzählt sein und es muss auch nicht immer ein konkretes Ziel angestrebt werden, um einen runden Film zu ergeben. Fast schon nebenbei werden hier von wunderbar aufspielenden Darstellern zentrale Themen abgearbeitet, man verliebt sich natürlich auch. Nein, das ist nicht überraschend oder innovativ, aber es ist schön anzusehen und verdient den Titel „Wohlfühlkomödie“ allemal.Wer diesem Genre etwas abgewinnen kann, der ist hier wirklich gut beraten.