Inhalt
Thomas Müller ist der durchschnittlichste Deutsche und führt eine ganz durchschnittliche Ehe mit Sabine, hat die durchschnittlichen Verständnisprobleme für seinen durchschnittlich pubertierenden Sohn Alexander und dessen Freundin Mira und steckt, wie so viele, am Rande des ganz durchschnittlichen Abgrundes: Job verloren, Immobilienkredit am Hals, Ehe kriselt. Von seiner Verzweiflung fast überwältigt trifft Thomas auf den charismatischen Stefan Schmidt, der nicht nur für all seine Sorgen Verständnis und ein offenes Ohr hat, sondern Thomas kurzerhand einen neuen Job anbietet. Stefan ist unglaublich interessiert an seiner Meinung zu allem und jedem, von der Biermarke, seiner Lieblingsmusik, der Krawattenfarbe bis zu seinen politischen Ansichten. Doch eines Tages findet Thomas raus, warum er plötzlich so wichtig geworden ist - denn was der durchschnittlichste Deutsche denkt, das lenkt die Masse.
Kritik
Passend zum Start des Dokumentarfilms „Wer ist Thomas Müller“, in dem sich Autor und Regisseur Christian Heyen auf die Suche nach dem Durchschnittsdeutschen begibt, erscheint auch die Satire „König von Deutschland“ auf DVD. Obwohl mit Olli Dittrich und Veronica Ferres in den Hauptrollen doch recht prominent besetzt, ging der Film an den Kinokassen völlig unter. Zurecht?
Regie und Drehbuch zu „König von Deutschland" stammen von David Dietl, der als Sohn von TV-Legende Helmut Dietl (Schtonk!, Zettl) die Grundzüge der Satire quasi mit in mit in die Wiege gelegt bekam. Die Story erinnert in groben Zügen an Peter Weirs „Die Truman Show“, da auch hier ein scheinbar durchschnittlicher Typ ohne sein Wissen auf Schritt und Tritt manipuliert, verfolgt und dabei gefilmt wird.
Thomas Mülller ist der durchschnittlichste aller durchschnittlichen Deutschen. Er ist durchschnittlich groß, verdient durchschnittlich viel, hat durchschnittliche Hobbys und eine durchschnittliche Familie. Das macht ihn vor allem für ein professionelles Marktforschungsinstitut hochinteressant, denn schließlich müsste er ja den Durchschnitt von ganz Deutschland repräsentieren. Nachdem Thomas plötzlich arbeitslos wird und sich von einer Brücke stürzen möchte, wird er von einer Firma engagiert, deren Sinn und Tun am Anfang noch im Dunkeln wird. Doch schon bald entdeckt Thomas, was sich hinter dem Namen der Firma Industries Unlimited befindet.
„Der König von Deutschland“ ist am ehesten noch in die Kategorie Gesellschaftssatire einzuordnen und verzichtet dabei erfreulicherweise auf jeglichen Klamauk. Doch was macht eine gelungene Satire aus? In erster Linie muss sie glaubwürdig sein und sich eines Themas annehmen, dass einen aktuellen Bezug hat und die Menschen bewegt. Eine durch staatliche Mittel geförderte Institution wie die fiktive Industries Unlimited, die die eigenen Bürger auf Schritt und Tritt überwacht, das hat durch die Abhöraffäre der NSA natürlich Brisanz. Im Kern besitzt Dietls Geschichte also einen ernsten Hintergrund, streut jedoch genug Übertreibungen und skurrile Szenen ein, die die Handlung auflockern.
Nach einer durchaus auch interessanten ersten Filmhälfte flacht „König von Deutschland“ zusehends ab. Ja er dümpelt regelrecht vor sich hin und langweilt nur noch. Es häufen sich Logikfehler, der Film tritt auf der Stelle und Charaktere beginnen zu nerven, weil sie sich völlig irrational verhalten. Die Dramaturgie beginnt in sich zusammenzustürzen, da die Handlung für jeden Filmkenner schrecklich vorhersehbar wird, weil so manche Wendung schon viel zu früh angedeutet wird.
Handwerklich ist Dietls Werk solide inszeniert. Die Macher spielen viel mit Farbfiltern und Unschärfen, auch gibt es einige tolle Kameraperspektiven zu bestaunen. Optisch ist also definitiv für Abwechslung gesorgt. Durchschnittlich sind dann leider wieder die Darsteller.
Gespielt wird Thomas Müller von Olli Dittrich, der ja zurecht einen hohen Bekanntheitsgrad bei uns genießt. Vor allem mit seiner Serie „Dittsche“ hat er Fernsehkult geschrieben und sich als Meister der Improvisation bewiesen. Als Durchschnittsdeutscher legt er seine Rolle auf jeden Fall sehr sympathisch an und wurde für seine Darstellung vielfach gelobt. Sein Schauspiel jedoch wirkt irgendwie sehr hölzern und gestellt. Man achte nur auf die Betonung seiner Aussprache, denn das klingt eher nach einem komödiantischen Theaterstück, als nach der Filmrolle des getriebenen Thomas Müller, der für sich und seine Familie nur das Beste will, sich aber ins Aus zu manövrieren droht.
Veronica Ferres als Thomas Müllers Ehefrau sieht gut aus, spielt aber recht gelangweilt und scheint etwas fehlbesetzt. Ihr Engagement erinnert mehrere Male daran, dass es sich bei „König von Deutschland“ genauso gut um eine TV-Produktion handeln könnte. Einzig Wanja Mues gibt einen charismatischen Bösewicht ab und scheint sichtlich Spaß an seiner Rolle zu haben. Auch die Jungdarsteller Jonas Nay und Jella Haase bringen viel willkommene Abwechslung in den Film, sind aber viel zu selten zu sehen.
"Sag mal Bienchen. Wie findest Du mich eigentlich? Findest Du irgendwas besonders an mir?"
"Ich weiß nicht. Ganz okay, sehr nett. Ich finde Du hast von allem etwas. Nicht zuviel, aber auch nicht zu wenig."
"Also so richtig schön normal?!"
"Ja. Normal ist doch gut."
Der Film hat einige amüsante Momente, die zum Schmunzeln einladen, das kann man nicht abstreiten. Die großen Lacher fehlen aber, was vielleicht daran liegt, dass viele Witze einfach durch andere deutsche Komödien total abgenutzt sind. Darüber hinaus fehlt es der Handlung einfach an Bissigkeit und Mut zur Konsequenz. Je mehr der Handlungsverlauf auf das schrecklich erzwungene Happy End zusteuert, desto seichter und vorhersehbarer wird es, denn viel zu oft lassen sich die handelnden Personen in die Karten schauen. Mit dem Hauptcharakter lässt sich auch nicht wirklich mitfühlen. Trotz einiger emotional angelegten Szenen ist dem Zuschauer das Schicksal des Thomas Müller reichlich egal. Ein typischer Fall von verschenktem Potential. Aber vielleicht wollte man diesen Film auch absolut durchschnittlich machen?
Fazit
„König von Deutschland“ treibt die Auswüchse der Marktforschung gekonnt auf die Spitze, ist letztendlich aber nicht mehr als seichte Unterhaltung. Die Chance dem typischen Durchschnittsdeutschen mit seiner eingefahrenen Sichtweise mal den Spiegel vorzuhalten bot viel Potential. Für eine bissige Satire fehlt den Machern aber einfach der letzte Wille, wirklich mehr zu sein als eben ein typisch deutscher Film, der keinem weh tut. So führt die Handlung bei durchschnittlichen 95 Minuten Laufzeit nebst leisen Schmunzlern auch oft zu lautem Gähnen.
Autor: André Schiemer