Inhalt
Gerichtsdrama von Sidney Lumet. Die erfolgreiche Anwältin Jennifer Haines vertritt den des Frauenmordes angeklagten David Greenhill. Doch ihr Klient scheint nicht sauber zu sein.
Kritik
In seiner gut 50jährigen Kino-Karriere hat sich Regisseur Sidney Lumet (Hundstage) zwar als Meister aller Klassen erwiesen, dennoch schien sein Jahrhundertdebüt Die zwölf Geschworenen ihn insgeheim doch deutlicher geprägt zu haben. So kehrte er besonders im Herbst seiner Laufbahn immer wieder zum Justizthriller zurück, wie z.B. 1982 mit dem äußerst gelungenen The Verdict – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Jenseits der Unschuld war 1993 sein dritter von insgesamt fünf Thrillern, die sich direkt mit einem Gerichtsverfahren befassten. Auch im Alter von fast 70 Jahren hatte Lumet bis dahin qualitativ kaum Federn gelassen. Zwar lieferte er nicht mehr wie in den kompletten 70ern und frühen 80ern verlässlich einen Hochkaräter nach dem anderen ab, Ausrutscher ließen sich in seiner konstanten Vita jedoch kaum verzeichnen. Obgleich mit einer interessanten Grundidee ausgestattet und angesichts des Booms von verführerischen Hochglanz-Thrillern wie Basic Instinct oder Eiskalte Leidenschaft sogar direkt am Puls der Zeit, ist aber genau dieses Werk gefährlich nah dran an einem Reinfall. Für einen Lumet ist es sogar einer.
Strafverteidigerin Jennifer Haines (Rebecca De Mornay, Die Hand an der Wiege) ist jung, smart, ehrgeizig und unglaublich erfolgreich. Selbst landesweit berüchtigte Mobster kann sie durch ihre cleveren Taktiken auf freien Fuß setzen. Bei dem schmierigen Playboy Greenhill (Don Johnson, Knives Out - Mord ist Familiensache) stößt sie jedoch erstmals an ihre Grenzen. In mehrfacher Hinsicht. Der ekelhafte Chauvi macht keinen Hehl daraus, das sein großes Talent die Manipulation von Menschen und das Verführen wie Ausnehmen von Frauen ist. Deshalb scheint die Anklage gegen ihn wegen Mord an seiner reichen Gattin eine wasserdichte Verurteilung zu sein. Er bittet Jennifer um seine Verteidigung, die zunächst angewidert ablehnt, danach aber doch das Mandant übernimmt. Sie findet den Fall interessant und obwohl sie Greenhill für ein überhebliches Arschloch hält, glaubt sie tatsächlich an seine Unschuld. Eine echte Herausforderung mit hohem Publicity-Potenzial. Zu spät bemerkt sie, dass sie nur eine Schachfigur in einem Spiel ist, bei der jeder ihrer Züge bereits vor der Ausführung ausgekontert wurde. Aber selbst für die Reißleine ist es schnell zu spät, zu tief hat sie sich in dem Fall verzettelt und selbst Grenzen überschritten, die ein unbeschadetes Ausscheiden unmöglich machen. Nun steht sie nicht nur vor einer unmenschlichen Gewissensfrage, sondern ist ganz persönlich in arger Bedrängnis.
Sidney Lumet als Regisseur klingt wie ein Persilschein für einen cleveren Justizthriller, stutzig macht einen dagegen der Blick auf den Drehbuchautor: Larry Cohen kennt man vornehmlich aus dem B-Horror-Genre der 80er (u.a. die Maniac Cop-Reihe). Jenseits der Unschuld war sein erster Versuch abseits dieser Insel auf dem Konzert der Großen mitzuspielen und trotz ordentlicher Ansätze verfiedelt er sich dabei unverkennbar. Die Chemie von Rebecca De Mornay und Don Johnson ist von Anfang an präsent und praktisch bei ihrer ersten Konfrontation brodelt es bereits gewaltig. Leider entlädt der Film dies in einer viel zu früh offenbarten Wendung, von der an alles Weitere ziemlich durchschaubar, unspektakulär und Klischee-verseucht seiner Wege geht. Komplett spannungsbefreit ist das freilich nicht, bewegt sich aber maximal in dem Rahmen standardisierter Hausmannskost, wie sie in den 90ern bei Thrillern dieser Art erstaunlich oft vorkam. Da steckt wenig erkennbare Leidenschaft drin und echte Raffinesse schon mal gar nicht, obwohl man gerne so tut als ob. Ein richtiger Schuss vor den Bug ist das Finale, das statt eines entwaffnenden Gegenschlags vor Gericht nur eine plumpe „Final Girl“-Konfrontation auffährt. Ganz schön dürftig. Trotzdem ist das alles in allem noch halbwegs vernünftig konsumierbar, da im Grunde eben erprobter Durchschnitt und einer rockt dann doch die Show: Don Johnson ist perfekt für diese Rolle und zelebriert sie so schön widerwärtig, dass allein ist schon einen Blick wert.
Fazit
Mittelprächtige Thriller-Kost, bei der ihr sonst großartiger Regisseur wohl nur das Rentensparschwein auffüllte. In der Summe seiner Teile aber noch ganz in Ordnung, was vor allem an dem glänzenden Don Johnson liegt. Der Rest schwankt zwischen ganz okay und klar zu wenig.
Autor: Jacko Kunze