6.1

MB-Kritik

In der Stille der Nacht 1982

Mystery, Drama, Crime, Thriller, Suspense – USA

6.1

Roy Scheider
Meryl Streep
Jessica Tandy
Joe Grifasi
Sara Botsford
Josef Sommer
Frederikke Borge
Irving Metzman
Larry Joshua
Tom Norton
Richmond Hoxie
Hyon Cho
Danielle Cusson
John Bentley
George A. Tooks
Sigrunn Omark

Inhalt

Ein Patient des Psychiaters Sam Rice wurde ermordet. Dessen Geliebte Brooke fürchtet, bald als Verdächtige zu gelten und sucht das Vertrauen zu Sam. Dieser verliebt sich in die Frau, auch wenn die Indizien gegen sie bald erdrückend sind.

Kritik

Aus dem Stehgreif: Welcher Film hat wohl bei der Oscarverleihung 1980 nahezu alle wichtigen Preise abgeräumt? Unvorbereitet und ohne konkretes Hintergrundwissen sollte die Blitzantwort wohl Apocalypse Now lauten, aber das ist natürlich falsch. Der große Gewinner war der gute, aber in keiner Weise überragende Sorgerechtstreit Kramer gegen Kramer, mit dem Regisseur & Co-Autor Robert Benton einfach den Puls der Zeit traf. Da war ein fatalistischer Vietnam-Fiebertraum nicht mehr angebracht, ein greifbareres Familiendrama umso mehr (sah man auch im Folgejahr mit Eine ganz normale Familie). Gutes Timing, aus heutiger Sicht sicherlich etwas fragwürdig, ohne den Film per se seine vorhandene Qualität abzusprechen. Warum diese einleitenden Zeilen? Es sollte der unbestrittene Karrierehöhepunkt von Robert Benton sein und bis zu dem direkten Folgewerk In der Stille der Nacht gingen auch drei Jahre ins Land. Die Erwartungen dürften entsprechend hoch gewesen sein, aber dass dieser Film – wie viele des Regisseurs – bis heute nahezu in Vergessenheit geraten sind, spricht durchaus Bände. Es war nicht alles schlecht, vieles aber eher mittelprächtig bis ganz nett und dieser hier ist sogar davon noch im unteren Drittel einzusortieren.

Alles beginnt mit dem Mord an einem Kunsthistoriker eines Auktionshauses. Sein Psychiater Sam Rice (Roy Scheider, Das fliegende Auge) gerät nicht nur aufgrund des Patientenverhältnis in die Ermittlungen, sondern in erster Linie durch den unfreiwilligen Kontakt mit der Geliebten des Opfers. Brooke (Meryl Streep, Die Verlegerin) kontaktiert ihn unmittelbar vor der Polizei und bittet ihn eigentlich nur, die Uhr des Verstorbenen an dessen Frau zu übergeben. Auf die sehr naheliegende Nachfrage, warum sie diese nicht einfach mit der Post verschicken würde, erhält er keine Antwort und da beginnt der Plot schon vor sich selbst zu kapitulieren. Das ist eine völlig logische Frage und anstatt die irgendwie zu beantworten, passiert nichts. Solch Momente gibt es in der Folge sogar noch häufiger. Irgendwann erklärt Sam sein Verhalten vor seiner Mutter (Jessica Tandy, Die Vögel) – ebenfalls Psychologin – damit, dass er wisse irrational zu handeln, aber nicht anders könne. Das wäre sogar noch halbwegs okay, wenn es dafür vorher einen erlebbaren Grund gegeben hätte. Kurzum: Der Plot wird angestoßen durch eine komplett unlogische Situation, die in einer noch weniger nachvollziehbaren Situation eskaliert. Ja, Sam ist ganz schnell voll in Love mit der auf Femme Fatale getrimmten Meryl Streep. Wieso, weshalb, warum und insbesondere warum hier die krassesten Plotholes sogar direkt ausformuliert, aber schlichtweg ignoriert werden, kann das Skript aber niemals auch nur ansatzweise erklären.

Das ist in gewisser Weise eine Krankheit seiner Zeit. Speziell in den frühen 80ern wollte man gerne eine Art Neo-Noir erschaffen, hat es aber aus narrativer Sicht selten hinbekommen. Wenn diese Filme dann aber wenigstens gut inszenierte oder mit spannenden Sequenzen garnierte wäre, konnte das oftmals reichen. In der Stille der Nacht hat neben seinem konstruierten und extrem vorhersehbaren Plot bis auf die soliden Leistungen seiner beiden Topstars leider gar nichts zu bieten. E gibt exakt eine Szene (die panische Informationsweitergabe im Auktionshaus) die tatsächlich echte Hitchcock-Vibes hat (vergleichbar mit der Champagner-Sequenz aus Berüchtigt), alles andere ist irrelevantes Thriller-Einmaleins, gipfelnd in einem natürlich ebenso überraschungsarmen und viel zu unspektakulärem Finale, mit dem man schon 1982 kaum jemanden abgeholt haben dürfte. Robert Benton wurde danach zwar immer mal wieder etwas besser, aber hiermit wurde er relativ schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Kramer gegen Kramer war wohl bereits ein Magnum Opus war – und selbst dafür eben kein Meisterwerk.

Fazit

Roy Scheider und Meryl Streep mühen sich redlich, können aber kaum gegen das einfältige und müde Skript anspielen. Robert Benton kann als der stabile Handwerker, der er immer war, auch nicht viel mehr herausholen. Damals vermutlich noch halbwegs okay, aus heutiger Sicht aber komplett überholt in allen Belangen und völlig zu Recht praktisch vergessen.

Autor: Jacko Kunze
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