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Als erste Amerikanerin vollzog Tonya Harding innerhalb eines Wettbewerbs gleich zwei sogenannten Dreifach-Axel - einer der anspruchsvollsten Sprünge im Eiskunstlauf. Ihr Name wird jedoch für alle Zeiten mit dem schlecht geplanten und stümperhaft durchgeführten Attentat auf ihre Konkurrentin Nancy Kerrigan in Verbindung bleiben, das ihre Erzrivalin trainingsunfähig machen und Tonya den Sieg in den amerikanischen Meisterschaften sichern sollte – doch es kam anders…

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Schon mal von Tonya Harding gehört? Wer professionelles Eiskunstlaufen verfolgt, ganz bestimmt, wer die olympischen Spiele in den 90ern in Erinnerung behalten hat, sicherlich ebenso. Aber auch ohne Interesse am Sport dürften einigen zumindest die Skandalmeldungen im Jahre 1994, die sie in Verbindung mit einem Attentat auf eine Konkurrentin brachten, in Erinnerung geblieben sein. Mit I, Tonya erhält die umstrittene US-amerikanische Eiskunstläuferin nun ihr eigenes Biopic. Und da ihre Geschichte für sich schon recht abgefahren ist, nimmt es sich Regisseur Craig Gillespie (Lars und die Frauen, The Finest Hours) direkt zum Anlass, einen bissigen, äußerst amüsanten Blick auf ihr Leben zu werfen, was aus I, Tonya ein durch und durch spritziges Vergnügen macht. 

I, Tonya por­t­rä­tie­rt das Leben seiner Hauptfigur vom Kindesalter an. Ein 4-jähriges Mädchen wird, entgegen des Willens einer Trainerin, von ihrer Mutter LaVona Golden (Allison Janney, The West Wing) in einen Kurs für Eiskunstläufer gesteckt, an dem eigentlich nur ältere Kinder teilnehmen. Wir lernen neben einem Mädchen mit Begeisterung und Talent für den Sport also auch gleich ihre dominante und äußerst harsche Mutter kennen, die ihr Kind bei der Ausübung ihres Hobbys zwar mit jedem Cent ihres hart verdienten Geldes fördert, ihr darüber hinaus aber keine Zuneigung, Liebe oder Beachtung schenkt. Auch Missbrauch wird immer wieder angedeutet, was sich mit offiziellen Aussagen von Tonya Harding aus diversen Interviews deckt. Ein kaputtes Familienverhältnis wird hier gezeichnet, was theoretisch genug Stoff für ein ernstes Drama hergeben würde, jedoch in diesem Fall stets mit gut portitioniertem schwarzen Humor aufgelockert wird. 

Tonya Harding (Margot Robbie, The Wolf of Wall Street) wächst schnell zu einer leistungsstarken Eiskunstläuferin heran, die sowohl bewundert, als auch verachtet wird. Denn während sie rein technisch gesehen ihren Konkurrentinnen mindestens ebenbürtig ist, wenn nicht gar überlegen, da sie als einzige den dreifachen Axel auf dem Eis erfolgreich vollführen konnte (eine Bewegungsform, die zu den kompliziertesten des Sports zählt und von den meisten Läufern oder Läuferinnen gar nicht erst versucht wird), passt sie durch ihre ruppige Art, ihrem Gefluche und ihren schrägen selbstgenähten Kostümen nicht ins amerikanische Vorzeigebild, das sich die Juroren vorstellten. Harding gibt sich alles andere als Ladylike, wird abwertend als "white trash" und später auch als "ice witch" bezeichnet und steht auf ewigem Kriegsfuß mit ihren Kritikern. 

Wer mit Eiskunstlauf nichts am Hut hat und sich bei dem Thema direkt abwenden möchte, sollte unbedingt noch dranbleiben, denn I, Tonya ist ein mehr als lohnenswerter Film, der einige Asse im Ärmel bereithält.  Zunächst einmal wäre dies der oben bereits angesprochene Stil, mit welchem das Thema hier behandelt wird. Viele der hier vorkommenden Figuren sind alles andere als geistig bewandert und verhalten sich regelrecht absurd, was Regisseur Craig Gillespie für einige gute Lacher zu nutzen weiß und den Film wirken lässt, als wären Ethan und Joel Coen (Burn After Reading) hier beteiligt gewesen. Der Film gipfelt letztendlich in einem großen Skandal, der der ohnehin schon absurden Abfolge von Ereignissen die Krone aufsetzt. Die Handlung gestaltet sich somit als vollkommen faszinierend und unterhaltsam zugleich, trotz seines eigentlich doch tragischen Hintergrunds.  

Zudem profitiert I, Tonya von seiner starken Hauptdarstellerin. Margot Robbie darf hier ganz groß aufspielen und sich von ihrer bis dato besten Seite zeigen. Ihre erhaltene Oscarnominierung hat sie sich damit zweifelsfrei verdient. Den Wahnsinn in ihren Augen durfte sie schon als Harley Quinn in Suicide Squad unter Beweis stellen, in I, Tonya wird ihr darüber hinaus einiges mehr an Mimik und Spiel abverlangt, was ihr hervorragend gelingt. Und mit Allison Janney, die ihre großschnäuzige Mutter spielt, steht ihr zudem fabelhafte Unterstützung zur Seite. Auch ihre erhaltene Oscarnominierung ist damit mehr als gerechtfertigt.

Für die Szenen auf dem Eis nahm Robbie zwar reichlich Unterricht, hätte sie in der hier dargestellten Form aber nie vollführen können (sonst wäre sie selbst bei Olympia). Durch den geschickten Einsatz von Computertricks und sicherlich auch Doubles entsteht aber durch die sich frei bewegende Kamera, die das Geschehen weitestgehend ohne Cuts einfängt, die perfekte Illusion, als würde Robbie zu jeder Zeit selbst tätig sein und auf dem Eis kleine Wunder vollbringen. Klasse Umsetzung.

Ob man einer Person wie Tonya Harding mit einem eigenen Film so viel Aufmerksamkeit schenken sollte, darüber lässt sich sicher streiten. Juristisch gesehen ist sie zwar vom eigentlichen Verbrechen freigesprochen, Zweifel an ihrer Unschuld bestehen aber bis heute. In Bezug auf das vollführte Attentat auf Nancy Kerrigan (Cameo in Die Eisprinzen) positioniert sich der Film aber nah am richterlichen Urteilsspruch, also den uns bekannten Fakten, wodurch Tonya, trotz ihrer Schattenseiten, doch relativ positiv gezeichnet wird. Dadurch erfährt die reale Tonya Harding momentan auch ein gewaltiges Medieninteresse, was sie sichtlich zu genießen scheint. Ob man es ihr gönnen möchte? Nun, das ist nicht so einfach zu beantworten, doch fällt es durchaus schwer, an einem so gelungenen Film wie I, Tonya keinen Gefallen zu finden.

Fazit

Mit seiner abgefahrenen Geschichte, basierend auf wahren Begebenheiten, versteht es "I, Tonya" bestens, das Interesse des Zuschauers zu wecken und ihn durchgängig zu unterhalten. Regisseur Craig Gillespie garniert seine handwerklich stark inszenierte Tragikomödie mit reichlich gut platziertem schwarzen Humor und großartig aufgelegten Darstellern, was im Gesamtpaket einen überaus lohnenswerten Film ergibt. 

Kritik: Sebastian Stumbek

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