Inhalt
Zwei schwere Schicksalsschläge haben die wohlhabende Familie Ashby gebeutelt: Vor 11 Jahren starben die Eltern bei einem Unfall, drei Jahre später nahm sich der damals 15jährige Sohn Anthony das Leben, in dem er sich aus Verzweiflung von den Klippen stürzte. Seither kümmert sich Tante Harriet um den Besitz und die beiden anderen, inzwischen erwachsenen Kinder Eleanor und Simon, die in wenigen Wochen alt genug sind um ihr Erbe selbst zu verwalten. Der skrupellose Trinker Simon versucht, seine labile Schwester in den Wahnsinn zu treiben, um auch ihren Teil des Erbes einzustreichen. Doch da steht plötzlich der totgeglaubte Anthony vor der Tür…
Kritik
Beim Gedanken an die HAMMER-Studios kommen einen unweigerlich zuerst typische Horror- und Gruselfilme wie deren Kreaturen in den Sinn. Vampire, Monster oder Mumien, seine bekanntesten Werke errichtete die Produktionsfirma auf diesem Fundament, diese meist sogar direkt angelehnt an berühmten Genre-Klassiker wie Dracula oder Frankenstein. Die dann in Serie so lange ausgewalzt wurden, bis kein Penny mehr aus ihnen zu pressen war. Woran das Studio am Ende auch teilweise zu Grunde ging. Gerade in den Jahren des Aufstiegs und der großen Erfolge wagte man sich jedoch einige Male über den Tellerrand hinaus. Neben im Verhältnis recht zahlreicher und oft eher durchschnittlich bis mäßiger Abenteuerfilme in Form von nur wenigen, dafür aber meist erstklassigen Psychothrillern. Filme wie Der Satan mit den langen Wimpern oder vor allem War es wirklich Mord? zählen zu den Highlights des HAMMER-Katalog, aber an dessen Spitze thront sogar Haus des Grauens. Selbst Prunkstücke wie Dracula, Der Hund von Baskerville oder Sie sind verdammt! müssen sich dahinter einordnen.
Auf den ersten Blick scheint der vom zweifachen Oscar-Preisträger und HAMMER-Urgestein Freddie Francis (Frankensteins Ungeheuer) erneut (aber nie so fantastisch wie hier) bestechend inszenierte Film wie ein weiterer Ableger von Clouzot’s Psychothriller Meilenstein Die Teuflischen, der nachweislich mehrere Dutzend Werke danach direkt beeinflusste, darunter selbst Sternstunden wie Psycho. Ein perfides Spiel mit einer psychisch labilen Person, das sie Stück für Stück in den Wahnsinn treiben soll. So beginnt alles und der Film macht aus dieser Tatsache auch keinen großen Hehl. Es stellt sich somit gleich zu Beginn die Frage, was denn für den Zuschauer da noch kommen soll. Nun, gerade dafür zaubert Haus des Grauens die perfekte(n) Antwort(en) aus dem Ärmel – immer und immer wieder. Denn statt jetzt das Programm des berühmten Vorbildes (das trotz der hier präsentierten Individualität eindeutig Pate steht, was ja auch völlig okay ist) sehr ähnlich abzuspulen, wird sein ganz eigener, in nur 80 Minuten sich rasend schnell und immer weiterentwickelnder Masterplan entworfen.
Keine Figur ist nebensächlich. Alle übernehmen eine taktisch wichtige Position auf einem Schachbrett, auf dem Zug für Zug eine bitterböse und unvorhersehbare Partie gespielt wird, die immer wieder mit falschen Finten wie gezielt gesetzten Erklärungen hantiert, nur um in der Folge daraus neue Fragen aufzuwerfen. Wer will hier eigentlich wen, wie und vor allem warum in den Wahnsinn treiben? Oder ist alles doch ganz anders? Bis zu der relativ verblüffenden und für seine Zeit ziemlich radikalen Pointe (ganz nebenbei wird sogar die Inzest-Karte ausgespielt, 1963 wohlgemerkt) ist man als Zuschauer ständig angespannt und komplett in der Geschichte gefangen, deren Plot locker das Beste ist, was jemals über den HAMMER-Schreibtisch gewandert ist. Dazu nicht nur – wie bei Freddie Francis gewohnt – exzellent fotografiert, erzeugen die zum damaligen Zeitpunkt längst nicht mehr notwendigen Schwarz-Weiß-Bilder eine ganz besondere und somit bewusst gewählte Stimmung. Sie passen zu diesem düsteren, abgründigen Lug-und-Trug-Konstrukt, das darüber hinaus dem damaligen Studio-Stammdarsteller Oliver Reed (Der Fluch von Siniestro) eine grandiose Performance entlockt. Ein im wahrsten Sinne des Wortes irrer Auftritt. Bei aller Liebe zu HAMMER: So was erwartet man von ihnen eigentlich nicht. Umso schöner, wenn es geschieht.
Fazit
Ein so raffinierter, elegant vorgetragener wie strategisch herausragend konstruierter Psychothriller, der sich hinter nichts und niemanden verstecken muss. HAMMER’s wahrscheinlich größter Triumph. Nicht vom Erfolg, aber qualitativ kommt da hausintern eigentlich nichts heran. Wenige in die Nähe, aber der steht über allem. Und kann sich mit der internationalen Konkurrenz – selbst der eigenen Inspirationsquelle fast auf Augenhöhe – locker messen. Viel zu unterschätzt, viel zu klein (gehalten) für seine wahre Größe.
Autor: Jacko Kunze