Inhalt
George ist dreizehn Jahre alt, wohnt in einer Kleinstadt in North Carolina und hängt dort mit seinen Freunden seinen Träumen nach. George will ein Held sein und Präsident werden. Allerdings hat sich sein Schädel nach seiner Geburt nie richtig verschlossen, weshalb er einen Helm tragen muss. Als der kleine Cousin Buddy beim Spielen ums Leben kommt, geht die Clique auseinander und die Kids versuchen, mit der Last der Schuld fertig zu werden.
Kritik
Mit dem titelgebenden ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika könnte der Protagonist von David Gordon Greens (Ananas Express) Langfilmdebüt George Washington abgesehen vom gleichen Vornamen kaum weniger gemeinsam haben. Fernab der öffentlichen Wahrnehmung führt der 13-jährige afroamerikanische Junge George mit einer kleinen Gruppe von Freunden ein ärmliches Dasein inmitten einer postindustriellen Kleinstadt in North Carolina. Den Schauplatz zeichnet der Regisseur von den ersten Einstellungen an als gespenstische Geisterstadt, in der verfallene Bauruinen und verlorene Gestalten das Bild eines überaus trostlosen Milieus ergeben. Während sich zumindest die Erwachsenen, die Green zeigt, mit Arbeit gerade so über Wasser halten können, konzentriert er sich zunehmend auf die verschiedenen Kinder, welche ohne wirkliche Perspektive von einem Tag auf den anderen leben. Ihnen gehört dieser Film, in dem der ungeschönte Sozialrealismus der zurückhaltend reduzierten Geschichte von Anfang mit schwelgerischer Poesie durchbrochen wird.
Dabei strahlt das Kino der 70er Jahre aus jeder Pore von George Washington, den Green mit gerade einmal 42.000 US-Dollar Budget und überwiegend Amateur-Schauspielern gedreht hat. Besonders inspiriert wurde der Regisseur durch das Frühwerk von Terrence Malick (Der Schmale Grat), dessen verträumte Sicht auf das Leben, Gespür für wunderschöne Natur-Impressionen sowie sensibler Voice-over-Stil unverkennbare Spuren in Greens Film hinterlassen hat. Sobald die Stimme der 12-jährigen Nasia, die ein Teil des zentralen Freundeskreises ist, zum ersten Mal aus dem Off ertönt, scheint dieser Ort, den Green zusätzlich in verschiedene markante Brauntöne hüllt, einer ganz speziellen Perspektive zu unterliegen, die der armen, trostlosen Realität der Figuren hin und wieder zärtliche Nachdenklichkeit und leisen Optimismus entgegensetzt. In Form eines zerbrechlichen Filmpoems kreist der Regisseur um seine adoleszenten Protagonisten, die er tiefschürfenden Konflikten aussetzt, um ihnen im Zuge der mitunter drastischen Entwicklungen beim Wachsen und Reifen zuzusehen.
Neben den ersten Komplikationen, die die Liebe nun mal mit sich bringt, als sich Nasia von ihrem Freund Buddy trennt, um lieber mit George zusammen zu sein, ist es schließlich sogar der Tod, der in die Lebensrealität der befreundeten Gruppe Einzug hält. Beim harmlosen Spielen fügt sich Buddy eine schwerwiegende Kopfverletzung zu und stirbt. Dabei ist es eigentlich George, der besonders auf sich Acht geben muss, da er aufgrund eines Geburtsdefekts unter einem zu weichen Knochenbau im Kopf leidet und ständig einen Schutzhelm tragen muss. Gemeinsam verstecken einige Mitglieder der restlichen Gruppe den Leichnam ihres verstorbenen Freundes, doch einer Auseinandersetzung entkommen sie nicht. Auch wenn keiner von ihnen eine direkte Schuld an Buddys Tod trägt, wird in ihren Gesichtern trotzdem eine Art von Schuldempfinden sichtbar, das sie nach und nach verändert.
Diesen Prozess der Veränderung, der gerade in Coming-of-Age-Filmen üblicherweise im Mittelpunkt steht, thematisiert Green fast schon zurückhaltend, wenn er innere Zweifel seiner Figuren nur über kurze Blicke oder Sätze zum Ausdruck bringt. Auf märchenhaft-poetische Überhöhung setzt der Regisseur erst wieder im Umgang mit George, den Nasia alleine schon aufgrund ihrer Beschreibungen aus dem Off förmlich mythologische Züge verleiht. Als würde er eine furchtbare Tat sühnen wollen, rettet George einem anderen Kind wenig später das Leben, nachdem dieser regungslos auf der Oberfläche eines Pools treibt. Wie stark dieser Akt den Jungen tatsächlich in eine positive Zukunft entlässt, kann der Zuschauer dieses Films nur mutmaßen. Wenigstens für den Regisseur ist er allerdings kurzzeitig Grund genug, George tatsächlich zu einem Superhelden werden zu lassen. Eine Lichtgestalt innerhalb eines Milieus, in dem das Licht zu oft mit Abwesenheit glänzt und doch ein Hauch von Hoffnung durch die jungen, heranwachsenden Figuren strömt.
Fazit
Zwischen nüchternem Sozialrealismus und magischer Poesie hat David Gordon Green sein Langfilmdebüt „George Washington“ angesiedelt. Darin erzählt der Regisseur von einem kleinen Freundeskreis, deren Mitglieder sich in der ärmlichen Kleinstadt von North Carolina, wo die Kinder leben, aufgrund eines tragischen Unglücks mit den eigenen Schicksalen und Lebensweisen auseinandersetzen müssen. Irgendwo zwischen Harmony Korines „Gummo“ und Terrence Malicks „In der Glut des Südens“ entpuppt sich dieses Debüt als schwelgerisches Filmpoem, in dem unkonkrete, dezent verträumte Stimmungsbilder eindeutig über linearen Innhalten schweben.
Autor: Patrick Reinbott