Inhalt
Inkognito kehrt Dr. Victor Frankenstein nach Karlstadt zurück, um sein Werk an alter Wirkungsstätte fortzusetzen. Eine neue Kreatur muss er jedoch gar nicht erschaffen, findet er doch seine totgeglaubte Schöpfung eingefroren im Gebirge. Mit Hilfe des Hypnotiseurs Zoltan erweckt er ihn zu neuem Leben. Allerdings hat sein hinterhältiger Gehilfe ganz eigene Pläne mit dem Ungeheuer…
Kritik
Mit Frankensteins Fluch begründeten die HAMMER-Studios im Jahr 1957 ihren Ruf als europäische Gruselfilm-Schmiede Nr.1. Nur ein Jahr später folgte mit Frankensteins Rache das direkte Sequel, doch dann war es eine ganze Weile Stil um den Gründungsvater ihres Ruhms. Erst 1964 wurde das Franchise mit Frankensteins Ungeheuer fortgeführt. Obwohl der kommerzielle Erfolg praktisch garantiert schien, schob man eine weitere Fortsetzung lange vor sich hin. Sie war schlicht auch nicht notwendig, denn bis dahin hatte man genug Ideen für anderweitig interessante Projekte. Nicht umsonst können die späten 50er und frühen 60er Jahre zweifelsohne als die qualitativ stärkste Phase des Studios betrachtet werden. Dennoch war es nur eine Frage der Zeit, denn auch Baron Frankenstein-Darsteller Peter Cushing (Der Hund von Baskerville) und Stamm-Regisseur Terence Fisher (Blut für Dracula) hatten scheinbar einen Narren an der Reihe gefressen. Cushing spielte in sechs der sieben HAMMER-Frankenstein-Filmen seine Paraderolle und auf die gleiche Anzahl an Beteiligungen wäre auch Terence Fisher gekommen, wenn ein Autounfall ihn nicht kurzfristig von diesem Projekt ausschloss. Für ihn übernahm der nicht minder begabte Freddie Francis, der als Kameramann schon damals einen seiner später zwei Oscars innehatte und sich als Regisseur bei HAMMER schon mit den herausragenden Haus des Grauens und Der Satan mit den langen Wimpern empfohlen hatte.
Die Personalien stimmten somit und man hatte sogar noch ein weiteres Ass im Ärmel: Da sich UNIVERSAL die Rechte für den US-Vertrieb gesichert hatte, war es HAMMER erstmals gestattet, auf deren Konzept-Entwürfe des Frankenstein-Labors und des Creature-Make-Ups zurückzugreifen, das man aus den Klassikern der 30er und 40er Jahren kannte. Eigentlich konnte hier gar nichts schiefgehen – und vielleicht wiegte man sich deshalb zu sehr in Sicherheit. Zwar wurde Frankensteins Ungeheuer der erwartete kommerzielle Erfolg, ebnete den Weg für weitere Sequels und genießt bis heute einen recht anständigen Ruf, doch beim genaueren Blick über den Rand der Nostalgie- und Fanboy-Brille hinweg offenbart der dritte HAMMER-Frankenstein eigentlich unübersehbare Defizite, die sich besonders in dem erschreckend faden Skript niederschlagen.
Bei einer Laufzeit von knapp über 80 Minuten müsste die erste Hälfte komplett ohne die Kreatur auskommen, würde man nicht mehrere Minuten an (neu gedrehten) „Rückblicken“ einbauen, die sich aber nicht ernsthaft an den direkten Vorgängern orientieren und eher so tut, als gäbe es die nicht. Das spricht nicht gerade für eine starke, eigenständige Geschichte, in der man so einen Part sonst auch in locker 15 Minuten hätte abhandeln können (und in besseren HAMMER-Filmen auch tat). Frankenstein kehrt in die alte Heimat zurück, schwelgt in Erinnerungen, bekommt wieder Stress mit der Gemeinde und erschafft erneut ein Monster…sollte man meinen. Stattdessen findet der Baron sein „altes Model“ nach knapp 45 Minuten in einem Eisblock. Das ist schon etwas lazzy, denn die „Geburt“ der Kreatur war doch immer irgendwo die halbe Miete, vor allem erinnert es stark an UNIVERSAL’s Frankenstein trifft den Wolfsmensch (1943), welcher ja auch schon kein Prachtstück seiner Reihe mehr war.
In diesem UNIVERSAL-Anleihen geht es leider gescheitert weiter, denn das stolz verwendete Make-Up-Design des Ungeheuers erscheint dreißig Jahre später, in Farbe und wohl in Windeseile von den vermutlich nicht besten Maskenbildern der Welt erstellt eher seltsam als beeindruckend. Als hätten die einen Schuhkarton unter Pappmaché an die Stirn geklebt. Selbst das Setdesign versprüht nicht mehr dieses schaurig-schöne Gothic-Flair der ersten HAMMER-Interpretationen. Freddie Francis leistet per se gute Arbeit, was sich besonders in den gekonnt arrangierten Aufnahmen abzeichnet, die von Terence Fisher vorgelegte Stimmung man sich indes nie einstellen. Wenigstens Peter Cushing ist wie immer zu 100% verlässlich, doch selbst sein Frankenstein ist irgendwie nicht der gleiche. Zu sehr wird er hier tatsächlich in die Opfer-Rolle gedrängt. Sonst war doch gerade der ambivalente Zwiespalt zwischen Schöpfer und Schöpfung der spannende Aspekt der Serie. Hier wird ein zusätzlicher, „waschechter“ Antagonist hinzugefügt, der das Konzept praktisch zunichtemacht. Dem Monster wird hier, mehr als je zuvor und danach, nur die Rolle als Werkzeug zuteil. All das ergibt einen optisch zwar (bis auf das Creature-Design) ganz hübschen, für seine Verhältnisse wohl recht aufwändigen, insgesamt aber fast befremdlichen und lieblosen Vertreter seiner Zunft, der jedoch nur ein Zwischentief bleiben sollte. Zumindest fürs Erste.
Fazit
Frankenstein-Quereinsteiger und Gelegenheits-Gucker können sicherlich mit „Frankensteins Ungeheuer“ deutlich mehr anfangen, ist er doch für seine Mittel anständig inszeniert und bietet eine Geschichte, die praktisch ohne alle Vorgängerfilme und Inspirationsquellen auch so verständlich funktioniert. Speziell im Direktvergleich mit den beiden Erstlingen von Terence Fisher offenbaren sich jedoch seine Schwächen und glücklosen Abweichungen frappierend. Schon bemerkenswert, wie wichtig Fisher für das Franchise tatsächlich war, denn unter seiner Führung war man danach schnell wieder in der Spur. Und das ist bei einem 4. oder 5. Teil längst nicht selbstverständlich.
Autor: Jacko Kunze