Inhalt
In dem unheimlichen Labor unter Baron Frankensteins Schloß tun sich erschreckende Dinge. Besessen von der Idee, tote Menschen wieder zum Leben zu erwecken, beginnt Frankenstein, Leichenteile zusammenzutragen. Doch anstatt eines denkenden Menschen konstruiert er ein unberechenbares Monster. Vergeblich versucht sein Assistent Paul, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Geschockt verläßt Paul das Schloß. Als er zurückkehrt, hat das Verhängnis seinen Lauf genommen. Frankensteins Monster ist ausgebrochen…
Kritik
Mit Frankensteins Fluch wagten sich die HAMMER-Studios erstmals an die Umsetzung klassischer Horrorliteratur und prägten damit die eigene Ausrichtung entscheidend. Nicht nur der Roman von Mary Shelley war weltberühmt, auch James Whale’s Frankenstein aus dem Jahr 1931 galt bereits als wegweisendes Meisterwerk. Eigentlich schien die Idee einer Wiederbelebung somit ziemlich riskant, doch die Produzenten Michael Carreras und Anthony Hinds hatten eine Vision: Ihre Versionen der großen Horror-Klassiker der UNIVERSAL-Studios auf die Leinwand zu bringen – in Farbe. Auf ihre Art und Weise, denn wenn etwas im Hause HAMMER selbst auf dem persönlichen Höhepunkt notorisch knapp bemessen war, dann Geld und Zeit. Frankensteins Fluch war somit so etwas wie ein Testballon und wäre er abgestürzt hätte das HAMMER zwar nicht das Genick gebrochen – dafür war das Investment schlicht zu gering -, allerdings die gesamte Identität des Studios vermutlich nachhaltig verändert. Es sollte anders kommen. Der Film wurde ein kommerzieller Erfolg und der Rest ist Geschichte.
Das goldene Zeitalter von HAMMER nahm hier seinen Anfang und praktisch über Nacht wurde ein neues Traum-Trio kreiert. Regisseur Terence Fisher, Victor Frankenstein-Darsteller Peter Cushing und Christopher Lee, der in er Rolle der Kreatur hier sogar nur einen verhältnismäßig kleinen, aber natürlich immens bedeutenden Auftritt hat. Gemeinsam drehten sie noch etliche Filme, darunter mit Dracula, Der Hund von Baskerville oder Die Rache der Pharaonen einige der besten Beiträge des hauseigenen Katalogs. Die große Kunst der frühen HAMMER-Klassiker war das Arrangieren mit dem Möglichen und die clevere Anpassung des zugrundeliegenden Materials. So ist Frankensteins Fluch eigentlich gar nicht als Adaption der Romanvorlage zu verstehen, sondern als Neu-Interpretation der ersten UNIVERSAL-Verfilmung. Doch selbst diese war gemessen an ihrem Entstehungszeitraum wesentlich aufwändiger und somit bekommt man es hier mit der theoretisch abgespeckten Fassung einer ursprünglich schon rudimentären Literaturverfilmung zu tun. Mit ganz kurzen Ausnahmen spielt die gesamte Handlung im Anwesen von Baron Frankenstein, wodurch mit nur einem Minimum an Szenenbildern und Darstellern gearbeitet werden konnte. Ein enormer Vorteil für das Grundprinzip „Schnell und günstig“. Inhaltlich wird viel komprimiert, gestrichen oder radikal abgeändert, den Grundgedanken der Erzählung und somit dessen Quintessenz verliert man jedoch nie aus dem Auge.
Entscheidend für Qualität und Individualität ist dabei die Charakterisierung der Hauptfigur. Victor Frankenstein entpuppt sich schon früh als narzisstisches Scheusal, dem es nie um einen humanistischen Beitrag an der Wissenschaft geht. Gelegen ist ihm nur am eigenen Ruhm und dem Bestätigen seines gottesgleichen Egos. Stolperte die Figur des Frankenstein in den Vorlagen eher über seine menschlichen Schwächen und bereute dies später zutiefst, ist der von Peter Cushing grandios verkörperte Baron wie ein genialer Bond-Bösewicht. Charmant, eloquent, aber durchtrieben, berechnend und diabolisch. Nie schien die Kreatur weniger Monster zu sein als hier. Sie und Frankenstein sind nicht mal echte Gegenspieler. Eigentlich ist sie nur ein Werkzeug, das er in der Kürze der Zeit nur nicht schnell genug zu handhaben lernt. Beinah an der Grenze zum MacGuffin (womit Christopher Lee wirklich alles in seiner Karriere gespielt hätte). Das ist sicherlich nicht so ambivalent und differenziert wie in seinem Ursprung, in seiner Herangehensweise aber sehr konsequent und interessant. Dazu in seinem reduzierten Rahmen nahezu makellos inszeniert, obwohl ganz klar ersichtlich ist, dass man mit mindestens einem Arm auf dem Rücken hantieren musste.
Fazit
Deutlich entfernt von einem Meisterwerk, aber ein echter Meilenstein. Eine schlichte, dafür enorm effektive und wagemutige Interpretation eines großen Klassikers, ohne den es die stilbildende Welle des HAMMER-Horrors so wohl nie gegeben hätte. Allein filmhistorisch von einem unschätzbaren Wert und selbst isoliert davon noch eine sehr respektable Leistung, betrachtet man mal alle eigentlich zum Scheitern vorverurteilende Faktoren.
Autor: Jacko Kunze