8.0

MB-Kritik

Es war einmal... nach Roald Dahl 2016

Comedy, Short, Animation, Family

8.0

Tamsin Greig

Inhalt

Jedes Kind kennt die Märchen von Rotkäppchen und Schneewittchen, aber was sich wirklich zugetragen hat, weiß der Wolf! Die alte Kinderfrau Miss Hunt ist ganz Ohr, als sich der höfliche und doch sehr zivilisiert wirkende Wolf im Cafe zu ihr setzt und zu erzählen beginnt. Wer hätte gedacht, dass Rotkäppchen den Wolf das Fürchten lehrt? Oder dass Schneewittchen blond und obendrein Rotkäppchens beste Freundin ist? Dass die sieben Zwerge spielsüchtige Ex-Jockeys sind, verwundert da kaum noch. Auch das nächste Publikum des Wolfs ist gebannt von den wahren Geschichten hinter den Märchen: Hans verdankt der magischen Bohnenranke und einem gründlichen Bad seine Freiheit, die ihn schnurstracks zu seiner heimlichen Liebe führt, dem Nachbarsmädchen Cindy, die niemand anderes ist als Cinderella...

Kritik

Roald Dahl ist als Autor wahrlich weltweit durch seine kreativen wie ungewöhnlichen Geschichten bekannt. Kein Wunder also, dass seine Werke auch regelmäßig für Filmvorlagen genutzt werden und so Kinozuschauer begeistern: Egal ob Hexen hexen, Charlie und die Schokoladenfabrik, Matilda, Der fantastische Mr. Fox oder auch BFG: Big Friendly Giant. Seine atemberaubenden Abenteuer liefern immer wieder Stoff zum Träumen und zeigen auch gerne ironisch andere Welten auf, die so kaum vorstellbar sind. Und auch seine Gedichte sind ein wahrer Traum. So auch die Gedichtsammlung Roald Dahl’s Revolting Rhymes aus dem Jahre 1982, welches als Klassiker der englischsprachigen Kinderliteratur gilt. Rotkäppchen, Schneewittchen, der böse Wolf, die sieben Zwerge, Hans und Cinderella, all die berühmten wie bekannten Figuren der Grimm-Brüder bekommen hier einen neuen Anstrich verpasst. Teils zynisch, teils modern, teils überraschend und immer faszinierend. Es war einmal... nach Roald Dahl, Teil 1 sowie Teil 2 sind unterdessen im Auftrag der BBC entstanden und sollten zum Weihnachtsfeste 2016 das Publikum begeistern. Mit einem angenehmen wie weichen Zeichenstil (der in unserer heutigen Zeit angesiedelt ist), einer gelungenen wie aufregenden Geschichte und eben der Reime von Roald Dahl entstand kurzerhand ein fabelhaftes Kurzfilmfest.

Nominiert für den Oscar in der Kategorie bester animierter Kurzfilm, zeigen uns Jakob Schuh und Jan Lachauer eine fabelhafte Welt, die nicht nur die bekannten Märchen auf den Kopf stellen, sondern auch moderne Themen in ihre Geschichte einwebt. Diese ist wiederrum – anders als im Original – komplett miteinander verbunden, sodass der Wolf zum roten Faden für die Geschichte wird, in dem er den Zuschauer durch die insgesamt zwei Teile mit je 29 Minuten begleitet. Zu Beginn dreht sich dabei alles um Rotkäppchen, eine arme Blumenverkäufern, die eines Tages auf die traurige Schneewittchen trifft, die ihre Mutter verloren hat. Zu Beginn gibt sich dabei Es war einmal... nach Roald Dahl noch recht klassisch. Wenn dann aber Rotkäppchen ihr Schicksal in die eigene Hand nimmt und mit Waffengewalt gegen den Wolf vorgeht und auch Schneewittchen ihren eigenen Weg zusammen mit den sieben Zwerge – oder eben sieben Jockeys – geht, ändern sich vor allem die moralischen Botschaften sehr. So ist zum Beispiel Glückspiel nur eine Sünde, wenn nicht ständig gewonnen wird und Rotkäppchen braucht keinen Jäger, sondern wird selbst zum Symbol des Widerstandes. Das ist manchmal zynisch, manchmal ironisch, aber immer treffend formuliert und durch die angenehme Stimme von Christoph Maria Herbst und den Worten von Roald Dahl untermalt. Und dennoch: Nicht jede Pointe zündet gleich stark und wäre nicht der Wolf als Erzähler, würden den Kurzfilmen eine Menge Substanz fehlen.

Denn gerade der Wolf kann im zweiten Teil der Reihe gekonnt den Zuschauer als Geschichtenerzähler in seinen Bann ziehen. Während so Hans und Puttel ihre Geschichten erzählen dürfen, und gerade letztere für ein Sinnbild moderner Frauen wird – Stichwort „ein Mann den sie verdient hat“ und eben kein Prinz, ist der Blick auf den Wolf wohl der spannendste. Hier gibt es nicht nur eine Rückbesinnung auf den ersten Teil der Geschichte, sondern auch ein gelungenes Lehrstück über Rache und Versöhnung. Stets mit leisen Tönen und daher umso kraftvoller. Der Rest ist dann besonders durch die schönen Reime ein Highlight und durch den ironischen Humor, der immer wieder an vielen Stellen durchblitzt. Wer bislang den Gedichtband nicht kannte, wird hier auf jeden Fall nicht enttäuscht werden. Die ganz kleinen unter uns werden aber noch wenig mit dem Stoff anfangen können, zumal ein gewisser düsterer Ton nicht zu verleugnen ist. Für alle anderen ist Es war einmal... Nach Roald Dahl ein kurzweiliges, teils tiefgründiges, berührendes und fesselndes Lehrstück über Märchen und Kurzfilme an sich. Denn so viel Bildgewalt in knapp eine Stunde zu packen ist schon eine beachtliche Leistung, die vielleicht dieses Jahr sogar mit einem Oscar ausgezeichnet werden könnte. Verdient wäre es.

Fazit

Etwas düster, stets erheiternd und angenehm modern bringt uns „Es war einmal... Nach Roald Dahl“ ein hervorragendes Kurzfilmfest für alle, die die berühmten Märchen einmal in einen anderen Gewandt sehen möchten. Das ironische, mal auch zynische, Spiel der Figuren weiß zu gefallen und gerade der „böse“ Wolf lässt den Zuschauer bewegt zurück, sodass es Roald Dahl abermals geschafft hat seine Zuschauer (oder Leser) zu verzaubern.

Autor: Thomas Repenning
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