Inhalt
Der Tormann Josef Bloch (Arthur Brauss) wird bei einem Auswärtsspiel seiner Mannschaft wegen eines Fouls vom Platz geschickt. Das wirft ihn völlig aus der Bahn. Er irrt durch die fremde Stadt, verbringt die Nacht mit einer Kinokassiererin (Erika Pluhar) und erdrosselt sie am nächsten Morgen. Aber statt sich zu stellen oder zu fliehen, fährt Bloch daraufhin zu einer Ex-Freundin aufs Land (Kai Fischer) und wartet dort passiv auf seine Verhaftung durch die Polizei.
Kritik
Ganz unbeleckt war Wim Wenders („Das Salz der Erde“) auch vor dem in Venedig ausgezeichneten „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ nicht mehr: Für das Fernsehen hatte er bereits gedreht und sein zweieinhalbstündiger Abschlussfilm „Summer in the city“ für die Hochschule für Fernsehen und Film in München, der ihn geradewegs darüber aufklärte, wie schnell in dieser Branche etwas nicht nach Plan verlaufen kann, drehte er auf 16-mm-Film, in Schwarzweiß und musste aufgrund von Unachtsamkeiten selbst die Szenen, in denen indirekte Rede vorkam, synchronisieren lassen. Dass es „Summer in the city“ irgendwann mal in den Handel schaffen wird, bleibt weiterhin mit dicken Fragezeichen versehen. „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ allerdings darf sich nun in das heimische Regal gesellen, wurde fachmännisch digital bearbeitet und das Original-35-mm-Farbnegativ in 4K-Auflösung gescannt. Und das erfreut natürlich schon, sich einen Klassiker des deutschen Autorenkinos nun endlich in dieser satten Qualität auf die Netzhaut brennen zu lassen.
Dass „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ so lange von der Bildfläche verschwunden war und keine entsprechende Auswertung für das Heimkino erfahren hat, lässt sich darauf zurückführen, dass Wim Wenders hier auf Musikstücke zurückgegriff, dessen Rechte er nicht besaß, was den Film dementsprechend über mehr als drei lange Jahrzehnte unzugänglich gemacht hat. Dass es nicht möglich war, die Rechte an all den Originaleinspieler einzukaufen (zum Teil war das schon im Bereich des Möglichen und wurde auch getan), versteht sich von selber. Stattdessen hat man in der Restaurierung von „Der Angst des Tormanns beim Elfmeter“ darauf gebaut, den Groove jener Tage im Tonstudio so exakt wie möglich zu erfassen und zu emulieren – Und das ist über alle Maße geglückt. Allerdings soll nun aber der eigentliche Film im Mittelpunkt stehen und nicht die Störfeuer, die diesen seit Dekaden heimsuchten. „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“, erster Bezugspunkt für Wim Wenders künstlerischen Durchbruch, jedenfalls betreibt reinrassigen Existenzialismus.
Wir begleitet die Figur des Tormanns, sein Name Josef Bloch (Arthur Brauss, „Knight Moves“), wie er bei einem Auswärtsspiel in Wien durch ein Foul vom Platz gestellt wird. Für Bloch ist der Platzverweis mit dem Verlust des Lebenssinns gleichzusetzen: Vom Spielfeld und damit auch aus dem Leben. Bloch streunt durch die urbane Kulisse, Anonymität reibt sich an Anonymität, und wenn ihm die Lust danach steht, dann steigt er auch schon mal einer Frau nach. Interessant ist dabei, wie es „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ gelingt, immer wieder ganz explizit Genres anzusteuern, ihre Konventionen aber so maßlos untergräbt, dass sich zu keiner Zeit eine erkennbare Spannungskurve etablieren möchte. Deutlich wird das vor allem an dem Punkt, an dem Bloch die Frau, mit der er zuvor noch genächtigt hat, in ihrer Wohnung erwürgt, ganz nebensächlich, ganz unbeteiligt. Von dort an nämlich begibt sich Bloch ins Ländliche und wartet auf die Gendarmerie, um für seine Tat inhaftiert zu werden.
Wim Wenders entweicht jeder dramaturgischen Zuspitzung, er unterliegt keinem Narrativ, sondern bleibt unstrukturiert und in seinem ungemein bildlichen Erzählen beinahe schon assoziativ. Dass es „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ selbstverständlich nicht um den Sport Fußball geht, sollten auch die unaufmerksamen Zuschauer nach fünf Minuten bemerken, stattdessen liegt das Hauptaugenmerk auf der Metapher hinter dem Titel: „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“, das lässt sich weiterspinnen als eine existentielle Angst davor, scheitern zu müssen, Erwartungen nicht zu erfüllen oder ganz grundsätzlich der Last ausgesetzt zu sein, im Mittelpunkt zu stehen. Und doch, so ansprechend „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ bisweilen auch erscheinen mag, gerade auch aufgrund des aufstrebenden Geistes, den Wim Wenders in diesen Film hat fließen lassen, ist der Film heftig behäbig, einfach weil es in keine klare Richtung geht, was ja nicht grundsätzlich nachteilig zu bewerten ist, das Trotten auf einer Stelle aber bremst die Lust am Interpretieren. Das hat der Wim später deutlich besser gemacht.
Fazit
„Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ ist zweifelsohne ein interessanter Film aus der Frühphase der schillernden Karriere des Wim Wenders: Selbstverständlich kein Sportfilm, geht es dem deutschen Autorenfilmurgestein um die Metapher, die der Titel bereithält. Das ist dann aber auch nur so lange packend, wie es dem Zuschauer ermöglicht wird, sich an die Fersen des Hauptdarstellers zu fesseln. Hat einen der unkoordinierte Taumelgang durch Österreich erst einmal verlassen, findet man auch nicht mehr zurück – Dafür ist der Film schlicht zu behäbig.
Autor: Pascal Reis