Inhalt
Der 4. Weltkrieg hat die Erdoberfläche in ein postapokalyptisches Ödland verwandelt. Die Zivilisation hat sich aufgelöst. Die wenigen Überlebenden kämpfen mit allen Mitteln um die letzten Nahrungsvorräte und Frauen. So ist auch der junge Vic (Don Johnson) immer auf der Suche nach der nächsten Nummer. Zur Seite steht ihm sein mutierter Hund Blood, der per Telepathie mit ihm redet. Als sie der freizügigen Quilla June begegnen, werden sie von Plünderern überfallen und Vic flüchtet mit ihr in eine unterirdische Stadt. Deren faschistoider Anführer Craddock (Jason Robards) hat jedoch eigene Pläne für Vic.
Kritik
Wie mag unsere Welt eines fernen Tages wohl aussehen?! Diese Frage dürfte im Laufe der Menschheitsgeschichte schon unzählige Male gestellt worden sein. Einige (potenziell) antwortgebende Überlegungen wurden derweil auf Papier oder aber Zelluloid gebannt. Manche zeichnen dabei ein äußerst positives, erstrebenswertes Porträt einer möglichen Zukunft. Andere wiederum geben sich weitaus pessimistischer, was in sogenannten Dystopien, einer Art Gegenentwurf zur Utopie, resultiert. Dystopien thematisieren negative Entwicklungen gesellschaftlicher Art und mahnen bzw. warnen davor, was einst Realität sein könnte. Dies wird erreicht, indem ein wenig wünschenswertes Zukunftsszenario kreiert wird, welches zum Nachdenken anregen soll. Im Bereich Film lassen sich unzählige Beispiele wie etwa die aus jüngerer Zeit stammenden Werke Twelve Monkeys, Equilibrium sowie Snowpiercer oder aber bereits ältere Werke wie Planet der Affen oder Flucht ins 23. Jahrhundert benennen. Doch kaum ein Film vermochte es, ein im Kern derart radikal negatives Bild zu zeichnen wie der aus dem Jahr 1975 stammende Film A Boy and His Dog.
A Boy and His Dog entführt den Zuschauer in ein durch den vierten Weltkrieg zerstörtes und nunmehr einer Einöde gleichkommendes Amerika. Die Erdoberfläche hat sich in eine Wüstenlandschaft verwandelt. Vegetation gibt es kaum noch, weswegen die karg und unwirtlich anmutende Umgebung in staubige Brauntöne gehüllt ist. In ihr leben die letzten Überbleibsel der amerikanischen Bevölkerung. Die Gesellschaft ist am Boden, Zivilisation beschränkt sich auf ein Minimum an kleinen Gruppen und Einzelgängern, von denen ein großer Teil dazu bereit ist, über Leichen zu gehen, um an das zu gelangen, wonach man gerade strebt. In dieser Welt lebt die Hauptfigur Vic. Der von Don Johnson (Miami Vice, Machete) verkörperte Vic ist ein Einzelgänger, der mit seinem auf den Namen Blood hörenden Hund durch das Ödland zieht. Immer auf der Suche nach nützlichen Dingen wie beispielsweise Lebensmitteln, welche nicht nur den Hunger stillen, sondern auch als Zahlungsmittel dienen. Doch Blood ist kein gewöhnlicher Hund, sondern einer, der sprechen kann. Allerdings kann nur Vic mit ihm kommunizieren, was über Telepathie geschieht. Eine plausible Erklärung für die Fähigkeit des Sprechens oder warum genau diese beiden sich unterhalten können, bleibt das Drehbuch abgesehen von der Aussage, dass die beiden (Zitat) „einen bestimmten Draht zueinander haben“, schuldig. Man muss es einfach so hinnehmen, was tatsächlich auch gar nicht so schwerfällt. Denn die Dialoge sind herrlich anzuhören, weswegen man sie auch gar nicht missen möchte.
Zumal Blood nicht einfach nur reden kann, sondern regelrecht gebildet ist und er Vic u. a. geschichtliche Hintergründe lehrt. Und während man manchen Tieren nachsagt, regelrechte „Frauenmagnete“ zu sein, trifft diese Aussage im Fall von Blood den Nagel auf den Kopf. Denn obgleich der zerzauste Flohteppich nicht sonderlich goldig aussieht, ist er durch eine Art sechsten Sinn in der Lage, Frauen über große Distanz hinweg aufzuspüren. Was wiederum für den dauergeil wirkenden Vic einen wahren Segen darstellt. Denn Frauen scheinen im postapokalyptischen Amerika rar gesät zu sein. Und wenn die Männer des Ödlands doch einmal ein weibliches Wesen aufstöbern sollten, so wird dieses sogleich rücksichtslos vergewaltigt. Im Laufe des Films verschlägt es Vic in eine unterirdisch liegende Anlage, in welcher eine von der Erdoberfläche isoliert lebende Gesellschaft existiert. Die dortige Lebenswelt stellt nicht nur optisch einen Kontrast zu der staubigen und anarchistischen Realität oberhalb dar. Denn unter dem Deckmantel eines gewählten Komitees herrschen tief unter der Erde starre hierarchische bzw. autoritäre Strukturen vor, wobei Binsenweisheiten und sogar Kochtipps wie Mantras gepredigt werden. Dabei lassen die „Unterirdischen“ mit ihren weiß geschminkten Gesichtern sowie den rosa gefärbten Pausbäckchen die tiefliegende Parallelwelt noch surrealer anmuten, als sie es ohnehin schon tut.
Regisseur L. Q. Jones, der primär als Schauspieler bekannt ist und in Filmen wie Casino oder Der Patriot mitspielte, skizziert mit seinem auf der gleichnamigen Kurzgeschichte basierenden Film eine äußerst bedrückende Zukunftsvision. Obwohl die Verfilmung nicht sonderlich spannend geraten ist und auch nur eine Handvoll Actionszenen zu bieten hat, erzeugen die Bildsprache sowie die glaubhaft umgesetzte, faszinierend wirkende Umgebung eine regelrecht fesselnde Atmosphäre mit Sogwirkung. In seiner Tonalität kann A Boy and His Dog dabei, ungeachtet des bedrückenden Settings, eine gewisse Ambivalenz attestiert werden. Einerseits gibt sich Jones‘ Werk im Kern äußerst zynisch und wartet mit einer nahezu bierernsten Grundstimmung auf. Andererseits wären da ein sprechender Hund sowie die witzigen, da neckischen Dialoge zwischen selbigem und Vic, welche die sonst so ernste Atmosphäre und an der Oberfläche vorherrschende Tristesse auflockern. Diese heiteren Momente offenbaren sich jedoch lediglich dem Zuschauer, ohne dabei direkte Auswirkungen auf die aufgezeigte Welt und die darin (über)lebenden Personen zu haben, weswegen der Szenerie nichts von ihrer Ernsthaftigkeit abhandenkommen kommt. Die Bezeichnung „komödiantisch“ wäre daher doch etwas zu hoch gegriffen, um diesen Film zu beschreiben. Auch das Erscheinungsbild der „Unterirdischen“ mit den bizarr anmutenden, barockartig geschminkten Gesichtern hat das Potenzial, auf den ein oder anderen humoristisch bis geradezu lächerlich zu wirken. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass dies die Idee dahinter war. Vielmehr lässt sich die These aufstellen, dass die Intention der gewählten Darstellung vielmehr darin liegen dürfte, auf optische Weise den subtilen Wahnsinn bzw. Irrsinn zu unterstreichen.
Letztendlich zeichnet A Boy and His Dog ein trostloses Bild einer Welt, in der einzig und allein das Recht der Stärkeren zu gelten scheint. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Dieses Sprichwort passt bei Jones‘ Werk wie die Faust aufs Auge. Wer schwach ist, wird zum Spielball plündernder sowie mordender Banden und hat sein Leben dadurch quasi schon verwirkt. Es sei denn man schafft es durch geschickte Manipulation von der Stärke anderer zu profitieren. Die Nächstenliebe scheint ausgerottet. Gruppenbildung findet nicht statt, weil man sich mag, sondern aus purem Eigennutz, um die eigenen Überlebenschancen zu erhöhen oder um das eigene Leben auf Kosten anderer so angenehm wie möglich zu gestalten. Wer sich dem jeweiligen Anführer nicht folgen will oder keinerlei Nutzen mehr bringt, ist unbrauchbar. In dieser Realität überlebt man nicht einfach bloß durch glückliche Fügungen. Wer noch lebt, tut dies nicht zufällig und niemand ist einfach nur grundlos freundlich zu anderen. Ein Gewissen beziehungsweise einen moralischen Kompass kann man oder will man sich nicht mehr leisten. Werte und Ideale sind Relikte einer längst vergangenen Zeit, an die sich kaum noch einer zu erinnern vermag. Wo andere Dystopien diese Konsequenz zugunsten einer sympathischen Hauptfigur aufbrechen, bleibt A Boy and His Dog standhaft. Denn auch der jugendliche und rein optisch unschuldig wirkende Vic ist kein netter Mensch, sondern einer, der es faustdick hinter den Ohren hat. Darüber vermögen auch die amüsanten Dialoge zwischen ihm und Blood nicht hinwegzutäuschen. Er ist ein Dieb, der andere bestiehlt. Ein Lügner, ein Mörder. Einer, für den weibliche Wesen lediglich Lustobjekte zur Triebbefriedigung darstellen, denen er regelrecht nachjagt und auch nicht davor zurückschreckt, Frauen unter Androhung von Gewalt zum Sex zu zwingen. Jemand, der in erster Linie, um nicht zu sagen einzig und allein auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist.
Damit ist Vic meilenweit von einem strahlenden Helden und auch von endzeitlichen Antihelden wie beispielsweise Mad Max entfernt, in dem man als Zuschauer ungeachtet der rauen Schale und seiner Taten mit Leichtigkeit Gutes erkennen kann. Dafür passt Vic jedoch perfekt in die von Jones‘ auf Zelluloid gebannte Dystopie, ohne dabei als eine Art Hoffnungsschimmer der Menschlichkeit zu fungieren. Dies sorgt für ein homogenes Bild einer am Boden liegenden Zivilisation, die frei von Nächstenliebe und dem, was wir gemeinhin unter dem Begriff Humanität verstehen, zu sein scheint. Jones bleibt dabei in seiner Darstellung nüchtern und unterlässt es, den Zeigefinger zu erheben oder anzuklagen. Braucht er auch nicht. Denn seine Veranschaulichung von Nihilismus gepaart mit Misanthropie ist derart plakativ, dass sie unmöglich zu übersehen ist. So ist die Welt nun einmal und so sind die Menschen, die darin leben. Ein Produkt einer unwirtlichen und lebensfeindlichen Umgebung, die der Mensch selbst geschaffen hat.
Fazit
„A Boy and His Dog“ ist eine trostlose Zukunftsvision, die mit stimmigen Bildern und einer ungemein vereinnahmenden Atmosphäre zu fesseln vermag. Dabei stört es überraschend wenig, dass Regisseur L. Q. Jones‘ Werk weder hohes Tempo noch ausgefeilte Actionszenen zu bieten hat. Was "A Boy and His Dog" darüber hinaus so besonders macht, sind der sich schier durch den kompletten Film ziehende Nihilismus sowie ein ungemein negatives Menschenbild, das in Sachen konsequenter Umsetzung seinesgleichen sucht. Wer auf Dystopien steht, es deprimierend mag und ohne Identifikationsfiguren auskommen kann, sollte unbedingt einen Blick riskieren.
Autor: Constantin Wieckhorst