Inhalt
Bei einem nächtlichen Einbruch in einem Drugstore erschießt Maggie Hayward (Bridget Fonda) völlig unter Drogen einen Polizisten. Von der Regierung wird sie vor die Wahl gestellt, auf Kommando zu töten, oder zu sterben. Maggie entscheidet sich für ein Leben als Killer. Ihr Codename: Nina. Diskret und ohne Spuren zu hinterlassen, beseitigt sie fortan Personen des öffentlichen Lebens, bis sie den Fotografen J.P. (Dermot Mulroney) trifft...
Kritik
In der (nicht nur damals) eher spärlich besiedelten Actionfilm-Landkarte Europas setzte Luc Besson nach seinem Taucher-Abenteuer Im Rausch der Tiefe mit Nikita im Jahr 1990 ein auch international deutlich wahrgenommenes Ausrufezeichen. Damals wurde Anne Parillaud (Der Mann in der eisernen Maske) als drogensüchtige Cop-Killerin nach ihrem Scheintot zur Hit-Woman im Auftrag der Regierung ausgebildet, die nach ihrer echten Resozialisierung immer mehr mit ihrer Rolle haderte. Auch 2024 noch ein toller Film (mit leichten Abnutzungserscheinungen), aber da man jenseits des großen Teichs nun mal nicht gerne Untertitel ließt und sich vermutlich erst recht keinen Actionfilm aus Frankreich aufschwatzen ließe (zur damaligen Zeit vermutlich noch weniger als heute), wurde postwendend ein einheimisches Remake produziert. Codename: Nina (international auch vermarktet als The Assassin oder Point of No Return) kam drei Jahre nach Nikita in die deutschen Kinos, konnte aber insgesamt nicht annährend den Erfolg erzielen wie das Original von Luc Besson.
Inhaltlich hält man sich – wie bei solchen „rein für den US-Markt“ angefertigten Remakes – wie gewohnt sehr dicht an der Vorlage, denn warum sollte man sonst einen aktuellen Film nochmal neu verfassen? Somit stellt sich für das Publikum aus Europa unmittelbar die Frage: muss ich das sehen, wenn ich doch problemlos die Wahl habe? Pauschal könnte das sofort mit Nein beantwortet werden und wer jetzt aufhört zu lesen: bitte sehr, gern geschehen und viel Spaß mit Nikita. Wer jetzt die Gründe hören will: vielen Dank, denn die gibt es durchaus und um fair zu bleiben, hier ist ja auch nicht alles schlecht. Richtig schlecht im eigentlichen Sinne sogar gar nichts, aber der Sinn und Zweck dieser Fassung stellt sich für den Nicht-US-User (oder die mutigen Amis ohne Scheu vor fremden Sprachen) im Direktvergleich zwangläufig. Wie gesagt, der Plot ist nahezu identisch und wird nur durch wenige Details abgeändert, die im Grunde genommen vollkommen irrelevant sind. Da wird beim Trainings-Part ein wenig mehr Amüsantes eingefügt (was es nicht unbedingt besser macht, aber die Szene beim Kampfsport ist tatsächlich witziger als im Original), dafür gibt es an entscheidenden Punkten auch deutliche Downgrades, und die nicht zu knapp.
Am entschiedensten ist wohl die emotionale Gleichgültigkeit, die sich im Vergleich zum Original schon früh einstellt. Luc Besson ist und war nie ein wirklich guter Drehbuchautor, aber seine früheren Filme zeichnete meistens eine spürbar hohe Leidenschaft und immer ein Hang zum Märchenhaften aus, was über Logik-Lücken und Sinn und Verstand oftmals problemlos hinwegtäuschen konnte. Auch Nikita mutete wie ein kleines, irgendwie melancholisches Action-Märchen an. Fern jedem Realismus, aber in seinem Kontext absolut effektiv und mit einer natürlich-empathischen Ebene versehen, die einen bis zum Ende tragen konnte. Codename: Nina geht dies trotz überwiegend identischer Handlung sehr deutlich ab. Das liegt auch ein Stückweit an den Darsteller*innen, auch wenn man ihnen dafür kaum die Schuld geben mag. Grundsätzlich war die leider schon lange im Vorruhestand verschwundene Bridget Fonda (Jackie Brown) immer massiv underrated, aber dieser Film ist nicht gerade ideal, um diese These zu stützen. Sie müht sich redlich und hat generell das gewisse Etwas, aber sie kann nie an die einerseits toughe, extrovertierte, aber im gleichen Atemzug auch unglaublich verletzliche, fragile und manchmal sogar intime Performance von Anne Parillaud anknüpfen. Das bietet ihr das in dem Punkt wesentlich oberflächlichere Drehbuch und vor allem auch die rein zweckdienliche Regie von John Badham (Drop Zone) aber schlicht und ergreifend auch gar nicht an.
Neben ihr ist der Cast mit Gabriel Byrne (Hereditary – Das Vermächtnis), Dermot Mulroney (Scream VI) und Anne Bancroft (Die Reifeprüfung) – für so eine Produktion – qualitativ insgesamt sehr gut aufgestellt und als Goodie gibt es noch Harvey Keitel (Reservoir Dogs) in der Rolle des Cleaners. Was leider wieder ein deutlicher Minuspunkt im Direktvergleich ist, ohne es an Keitel selbst festmachen zu wollen. Im Original übernahm diese Rolle Jean Reno und dies führte unmittelbar zu Luc Besson’s Opus Magnum Léon – Der Profi, in der er mehr oder weniger dieser ultra-markanten Nebenfigur ihr eigenes Märchen spendierte (auch wenn ganz anders präsentiert als, aber die Inspiration zählt). Keitel kann im Vergleich dazu nur abstinken – obwohl sein Part durchaus amüsant ist. Nicht ganz fair, aber eben eine Tatsache. Fun Fact am Rande und etwas versöhnlich: Quentin Tarantino inspirierte diese Performance wiederum, um Keitel die ähnlich gelagerte Rolle in Pulp Fiction zu geben. So schließt sich der Kreis irgendwie.
Wer nur auf handwerklich und weniger auf inhaltliche Ebenen achtet, kommt leider auch kaum um deutliche Vergleichs-Mängel herum. Selbst heute noch überzeugt Nikita durch erstklassig inszenierte Actionszenen, bei denen es nur ein paar anständiger Schusswechsel und einer knackigen Inszenierung bedarf, um entsprechende Wirkung zu erzeugen. Codename: Nina hat diese Skills offenkundig nicht und flüchtet sich bei den (überwiegend einfach kopierten) Actioneinlagen gerne in völlig überflüssigen Slowmotions, vermutlich um die erheblich geminderte Dynamik halbherzig zu kaschieren. Sogar die Musik eines Hans Zimmer (Interstellar) klingt wirkt wie völlig belangloses Gedudel gegen den einprägsamen und emotional immer passend abgestimmten Score von Eric Serra aus dem Original, der viel zu dessen Wirkung beitrug. Unterm Strich muss man aber auch sagen: nur für sich betrachtet ist Codename: Nina – auch heute noch – einfach kein richtig schlechter Film. Es ist ein halbwegs solider Actionthriller im Stil der frühen 90er, der isoliert von seinem Original durchaus anschaubar ist. Der nur eben wenig Sinn macht, wenn man nicht auf ihn „angewiesen“ ist.
Fazit
Die Krux von Remakes, die ausschließlich aus „territorialen“ Gründen erzeugt wurden. Bleibt dicht am Original, stinkt aber im Direktvergleich in den entscheidenden Punkten massiv ab. Müsste somit eigentlich als völlig belanglos abgestempelt werden, ist aber isoliert davon betrachtet zumindest okay. Ob das reicht oder nicht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Es gibt deutlich schlechtere (US)Remakes, was aber auch kein Argument ist, um sich dieses anzusehen – insbesondere mit der Option zum Original.
Autor: Jacko Kunze