Inhalt
Unendliches Eis, Drill sowie tägliches Training, dies ist Hannas (Saoirse Ronan) Welt. Die sechzehnjährige lebt mit ihrem strengen Vater Erik Heller (Eric Bana), einem ehemaligen Geheimagenten, in den ewigen schneebedeckten Wäldern Finnlands. Keine andere Menschenseele weit und breit. Seitdem Hanna auf der Welt ist, verstecken sich die beiden dort um eines Tages Rache an der CIA-Agentin Marissa Wiegler (Cate Blanchett) zu nehmen. Diese hat, als sie noch ein Baby war, Hannas Mutter kaltblütig ermordet. Worum es dabei ging oder wer Marissa Wiegler überhaupt ist, bleibt ein Geheimnis. Eines Tages allerdings, ist der Zeitpunkt gekommen. Hanna aktiviert einen Peilsender, der die CIA direkt auf die Spur der beiden führt. Erik macht sich unterdessen auf den Weg nach Berlin und lässt seine Tochter allein zurück. Fortan versucht Hanna das Geheimnis zu lüften, Wiegler zu töten und ihrem Vater nach Berlin zu folgen. Eine Hetzjagd durch ganz Europa beginnt…
Kritik
Der britische Regisseur Joe Wright befand sich seit 2005 im stetigen Aufwind. Mit Filmen wie Stolz & Vorurteil (Nominiert für vier Oscars) sowie Abbitte (Nominiert für sieben Oscars, gewonnen in Kategorie beste Filmmusik), konnte der einstige Kurzfilmer Publikum wie Kritiker gleichermaßen überzeugen. Die Literatur-Adaptionen waren ein voller Erfolg. Als jedoch 2009 mit Der Solist der nächste Streich folgen sollte, floppte das Werk schon am Starwochenende. Zu offensichtlich schielte Wright Richtung Oscars, zu sehr wirkte das Drama mit Robert Downey Jr. und Jamie Foxx konstruiert. Umso überraschender war es da, dass das nächste Projekt von Wright ein actiongeladener Thriller werden sollte. Weit ab seinem herkömmlichen Repertoire, war Wer ist Hanna? ein gewagtes Experiment. Doch mit einer märchenhaften Hanna, einer perfekten Inszenierung sowie einem genialen Soundtrack der Chemical Brothers, muss dieses als voller Erfolg gewertet werden. Wright findet die perfekte Mischung aus rasanter Genrekost sowie Arthouse-Kino-Elementen, die nicht nur wunderbar harmonieren, sondern Hanna auch zu einer einmaligen Kinoerfahrung machen, die es so schon seit einiger Zeit nicht mehr gab.
Wer bei Wer ist Hanna? ein Actiongewitter à la Salt erwartet, dürfte schon nach wenigen Minuten enttäuscht werden. Denn anders als viele Genre-Vertreter, geht Regisseur Joe Wright bei seiner Geschichte mit einer fast hypnotischen Behutsamkeit voran. Er lässt der Hauptfigur Hanna genügend Zeit sich zu entwickeln, den Zuschauer in den Bann zu ziehen und präsentiert fast beiläufig eine Winterlandschaft, die wie aus einem Märchen zu sein scheint. An einigen Stellen vielleicht zu gemächlich, entsteht so eine Sogwirkung, die einen in die geheimnisvolle Welt von Hanna hineinzieht. Doch sollte man sich hiervon keinesfalls täuschen lassen. Spätestens wenn die CIA sich an die Fersen von Erik und Hanna geheftet hat, darf man grandiose Action in ihrer aller besten Form erwarten. Keinesfalls übertrieben, sondern bodenständig, wie ein Walzer vor traumhaften Kulissen. Dies gepaart mit der effektvollen Musik der Chemical Brothers, lässt die rasanten Szenen wie ein Ballet wirken, welches durch Bild wie Sound in einem kunstvollen Treiben endet. Die Geschichte die hierbei erzählt wird, bietet in aller erster Form geheimnisvolle Thriller-Momente, die durch ein paar hervorragende Ideen aufgelockert werden. Wenn Hanna beispielsweise das erste Mal auf die zivilisierte Welt trifft, ist dies für sie ein Schock ohne gleichen. Fernsehen, Licht, Wasserkocher und Telefon scheinen sie in den Wahnsinn zu treiben. Eine Geräuschkulisse entsteht, die sie noch nie in den ruhigen Wäldern Finnlands vernommen hat. Überhaupt ist es genau diese Entdeckungs- und Coming-of-Age-Story, die viel vom Charme ausmacht. So lernt sie die ersten Menschen kennen, freundet sich erstmals an und entdeckt sogar die ersten Gefühle. Die Familie auf die sie dabei trifft, lockert die Geschichte in der Mitte zusätzlich auf und lässt Hanna fast unbekümmert ihre Welt erkunden.
Doch trotz der die vielen interessanten Aspekte von Wer ist Hanna?, wirkt spätestens zum Finale hin die Geschichte etwas zu konstruiert. Das aufklärende Schlussgeständnis ist kaum überraschend und bildet auch kein Kernelement mehr. Die Jagd steht im Vordergrund und genau die ist es, die allmählich das Tempo der Story steigert, bis diese in einem grandiosen Finale endet, welches eines der interessantesten Kulissen der letzten Zeit offenbart. Spätestens hier sind die Märchenanleihen nicht mehr zu übersehen. Hanna ist eben wie Rapunzel, die ihren einsamen Turm hinter sich gelassen hat, ihren Weg geht und auf eine unbekannte Welt trifft. Die Gebrüder Grimm sind hierbei allgegenwertig. So wird Marissa Wiegler perfekt als Hexe eingeführt, die Kinder verabscheut, keine Skrupel hat sowie masochistisch genau auf ihr äußerstes achtet. Wenn sich Hanna und Wiegler in einer verlassenen Geisterbahn gegenüberstehen, hinter Wiegler die Öffnung als Wolfsschlund gebaut, ist dies Bildsprache der besonderen Art.
Neben den vielen verschiedenen Orten (unter anderem Finnland, Marokko, Spanien sowie Deutschland), punktet Wer ist Hanna? auch durch den gezielten Einsatz seiner Action. Diese ist nicht nur grandios choreografiert, sondern auch durch den Einsatz besondere Kamerawinkel einzigartig gestaltet. Wenn sich Erik gegen eine Schar Angreifer ohne einen einzigen Schnitt zu Wehr setzt, dann lässt einen dies kurz den Atem anhalten. Hinzu kommt die perfekte Symbiose von Bild und Sound, welche das rege Treiben zusätzlich untermalt. Nicht zuletzt durch die hervorragenden Stücke der Chemical Brothers, die eigens für den Film ein Album kreiert haben. Die so entstehenden Szenen, lassen den Übergang von Film zu Musikvideo verschwimmen und bieten so Genrekost ohne großes Budget oder übertriebenen CGI-Einsatz, der deutlich Lust auf mehr macht.
Trotz nur weniger Auftritte, bildet Eric Bana eine Art Haltepunkt in Hannas Welt. Er gibt ihr Hoffnung, treibt sie an und lässt sie ihr Ziel nie aus den Augen verlieren. Bana spielt hierbei gewohnt routiniert. Er steckt viel Engagement in die Rolle des Erik, lässt ihn gefühlskalt wirken, aber doch stets sorgend um seine Tochter. Der perfekte Gegenpart bildet dabei Cate Blanchett als Marissa Wiegler. Eiskalt, mit einer beängstigenden Zielstrebigkeit sowie einer tödlichen Unnachgiebigkeit, verfolgt sie Erik und Hanna. Blanchett spielt ebenfalls routiniert, zeigt sich von ihrer bösen Seite und gibt ihr bestes. Doch trotz gutem Schauspiel, werden beide von Saoirse Ronan an die Wand gespielt. Sie haucht der Hanna eine grandiose Präsenz ein, der man sich nicht erwehren kann. Der Wechsel von ängstlich, verschreckt zu tödlich gelingt ihr mit Bravour. Ohne mit der Wimper zu zucken schießt sie sich durch die Agenten-Reihen, nur um danach mit ihrer neuen Freundin unter der Decke Gefühle auszutauschen. Schade ist indes die Rolle von Tom Hollander als offensichtlich gestörter Isaacs. Dieser bekommt zu wenig Einsatz, um seine doch beängstigende Rolle auszubauen.
Fazit
Mit "Wer ist Hanna?" setzt Regisseur Joe Wright seinen Siegeszug weiter fort. Trotz Genrewechsel und vieler Skepsis, kann er mit der märchenhaften Geschichte rund um die junge Hanna überzeugen und erschafft einen Film, der typische Genrekost mit kunstvollen Elementen paart. Die Action stimmt, die Bilder und die Musik sind grandios, aber auch die Inszenierung kann sich sehen lassen. Nur an ein paar Stellen lassen sich schwächen erkennen, die gekonnt mit dem Sound der "Chemical Brothers" übertönt werden. "Hanna" ist ganz klar eines der Geheimtipps des Jahres.
Autor: Thomas Repenning