6.6

MB-Kritik

Berlin Falling 2017

Thriller

6.6

Tom Wlaschiha
Ken Duken
Kida Khodr Ramadan
Tim Wilde

Inhalt

Frank hat seine Existenz als Elitesoldat hinter sich gelassen und will sein Leben neu ordnen. Nach langer Zeit darf er endlich seine Tochter Lilly wiedersehen, die er in Berlin am Hauptbahnhof abholen wird. Auf dem Weg dorthin nimmt er an einer Tankstelle widerwillig Andreas mit, der eine Mitfahrgelegenheit sucht - mit verheerenden Konsequenzen.

Kritik

Dem Fremden zu begegnen spielt in Berlin Falling eine zentrale Rolle. In dem Moment, in dem der befremdlich wirkende Andreas (Tom Wlaschiha, Game of Thrones) in das Auto steigt wird uns das klar. Der Film arbeitet hier mit der Angst, der Befürchtung vor dem fremden Ungewissen und ist damit unheimlich nah am Zeitgeist dran: Angst vor Flüchtlingen, Misstrauen in die Politik, Misstrauen in den Menschen in seinen ethischen Grundsätzen. All das klingt dieser Tage in der Gesellschaft an. Andreas ist dabei der Pol der Angst und das Opfer des Misstrauens zugleich. Wir misstrauen ihm und er- das wird im Laufe des Filmes immer deutlicher- misstraut den Menschen ebenso. Als Zuschauer möchte man ihn während des gesamten Filmes in eine ideologische Schublade einordnen. Man fragt sich, ob das nun ein Reichsbürger, Nazi oder ein Amokläufer mit ideologischem Hintergrund ist. Doch ist das überhaupt von Relevanz?

Gewaltsamer Extremismus- egal aus welchem ideologischen Hintergrund- gilt es abzulehnen. Die Beweggründe sind dabei zu vernachlässigen, weil wir von der gewaltsamen Handlung eben nicht wollen können, dass sie generell erlaubt sei. Demzufolge ist es komplett irrelevant, welche ideologische Gestalt Andreas annimmt, die Twists rundum seine Identität dienen also  eher der Unterhaltung und fallen zugegebenermaßen auch ein wenig zu konstruiert aus. Davon abgesehen zeigt der Film wunderbar, dass sich die Kritik an der Gesellschaft aus verschiedenen extremistisch ideologischen Perspektiven gleicht oder zumindest ähnelt und daher genauso zu verurteilen ist. Diskussionen darum, ob nun Linksextremismus oder Rechtsextremismus schlimmer seien, ob extreme Christen oder extreme Muslime schlimmer seien, sind trivial.

Ebenfalls interessant neben dem Charakter rundum Andreas ist Frank (Ken Duken, Inglourious Basterds), auch wenn nur durch Andreas Ausführungen. Er ist der gesellschaftliche „Zombie“, den Andreas immer wieder charakterisiert, jedoch ohne es zu merken. Darum ist es nur konsequent, dass er zum Opfer Andreas wird, dessen Kritik an ihm und der Gesellschaft ähnlich gestaltet wird wie in Uwe Bolls Rampage- Trilogie. Hier wie dort wird der Antagonist (bzw. bei Boll sogar eher Protagonist) als völlig wahnsinnig dargestellt, wobei sie inhaltlich im Ansatz nicht ganz Unrecht  haben. Diese Grauzeichnung beider Charaktere hat Taxi Driver- Anwandlungen und ist deshalb so gelungen. Dem Film gelingt letztlich der Spagat zwischen Gesellschaftskritik und Kritik an Extremismus in jeglichem Gewand. So ist Berlin Falling ein sehr interessanter und vor allem spannender Thriller geworden, der zum Ende hin mit einer sehr differenzierten Haltung glänzt.

Technisch wie ästhetisch ist der Film dementsprechend recht solide gelungen. Die eine oder andere Aufnahme von Andreas wirkt zwar etwas übertrieben, den einen oder anderen Twist hätte man sich sparen können und auch die durchweg düstere Atmosphäre hätte man in einigen Szenen etwas abwechslungsreicher gestalten können. Davon abgesehen bleibt ein spannendes und musikalisch treibend unterlegtes Kammerspiel, das gut inszeniert und gespielt wurde. Als Tom Wlaschiha bei einer der leider wenigen Kino-Vorstellungen in Berlin in einem anschließenden Q&A gefragt wurde, warum er die Rolle angenommen hat, beschrieb er schon sehr treffend, dass Berlin Falling endlich mal wieder ein richtig guter deutscher Genre-Film ist. Und dem ist nichts hinzuzufügen.

Fazit

„Berlin Falling“ ist ein inhaltlich pazifistischer wie interessanter Thriller, der durch eine sehr dichte und atmosphärische Inszenierung, einer guten Idee und zwei sehr starken Darstellern zu überzeugen weiß.

Autor: Maximilian Knade
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