Inhalt
Wie wurde Bruce Wayne zu Batman? Als kleiner Junge musste Bruce Wayne (Christian Bale) mit ansehen, wie seine Eltern auf grauenhafte Weise umgebracht wurden. Deshalb kümmert sich der Butler Alfred Pennyworth (Michael Caine) um ihn und zieht ihn groß.Eines Tages macht er sich in aller Welt auf die Suche nach einem Weg, die Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Als er nach seiner Reise wieder in seine Heimatstadt Gotham City zurückkehrt, muss er feststellen, dass die Verbrechensrate deutlich angestiegen ist. Dieser Umstand und der Drang nach Rache am Mord seiner Eltern treiben ihn langsam aber sicher dazu, sich Kampftechniken beizubringen und ein Fledermauskostüm zu entwerfen, mit deren Hilfe er Nacht für Nacht die Kriminellen der Stadt zur Strecke bringt - als Batman.
Kritik
„Wenn ein Wald zu stark wuchert, ist ein reinigendes Feuer unvermeidbar.“
Aufgrund seiner ikonographischen Omnipräsenz erscheint es so manches Mal äußerst schwierig, ihn noch als Kunstfigur wahrzunehmen, anstatt als einen festen Teil unserer Gesellschaft: Batman ist allgegenwärtig, nicht nur in den populären Comicstrips, auch als Action-Figur in der Spielwarenabteilung und als maskiertes Konterfei, welches sich auf T-Shirts gedruckt schwerelos durch den Menschenstrom der Großstädte treiben lässt. In der Filmgeschichte aber hat Batman eine folgenschwere Vita vorzuweisen. 1966 noch von Adam West in „Batman hält die Welt in Atem“ mit Augenzwinkern und Trashappeal aufgezogen, gab Tim Burton dem Stoff mit „Batman“ und „Batmans Rückkehr“ die psychologische Tiefe und Sensibilität zurück. Joel Schumacher war es, der dem Batman-Mythos mit seinen quietschbunten und camphaften Vehikeln „Batman Forever“ sowie „Batman & Robin“ den durchschlagenden Sargnagel erteilt hat. Acht Jahre sollte es dementsprechend still um den Fledermausmann werden, niemand wollte sich so recht mit seiner Figur, einem von Hollywood gebranntes Kind, auseinandersetzen, bis Christopher Nolan die Initiative ergriff - Der Rest ist Geschichte.
.Aber jede Geschichte benötigt bekanntermaßen ihren Anfang. Als „Batman Begins“ 2005 in die Kinos kam, versammelten sich naturgemäß die Zweifler, misstrauten der Handhabung Christopher Nolans, der durch Filme wie „Following“ und „Memento“ von sich sprechen hat machen können und mit „Insomnia – Schlaflos“ 2002 auch sein Hollywood-Debüt äußerst solide absolvierte. Weniger ging es bei diesem Bedanken, ob Christopher Nolan der richtige Mann wäre, um seine Kompetenzen als Regisseur, als darum, ob der Brite in der Lage ist, dem Geist der Vorlage gerecht zu werden – Comic-Puristen sind gnadenlose Kritiker, schärfer in ihrem verbalisierten Groll, als jeder Feuilletonist imstande scheint. Tatsächlich aber ist „Batman Begins“ ein Film, der thematisch wie ein gefundenes Fressen für Christopher Nolan scheint: Die Frage nach der eigenen Persönlichkeit und ihrer möglichen Aufspaltung, die Suche nach einem Sinn und das Abgleichen der eigenen moralischen Parameter mit denen seiner Umwelt - all das sind Gegenstände, mit denen sich Christopher Nolan seit jeher zu beschäftigen scheint.
Programmatisch dafür, dass „Batman Begins“ der grelle Anstrich beinahe komplett genommen wurde, ist die erste Szene, in der Bruce Wayne (Christian Bale, „American Hustle“) in einem chinesischen Gefangenenlager durch den Dreck robbt, während er sechs Mithäftlinge die Grenzen aufweist. Kämpfen kann der Mann, aber offenkundig ist er noch nicht in der Verfassung zu sagen, gegen was er überhaupt kämpft. Als Kind musste Bruce mitansehen, wie seine Eltern von einem Straßenräuber kaltblütig erschossen wurden, seitdem hat er sich in den Händen von Butler Alfred (Michael Caine, „Die Unfassbaren – Now You See Me“), seinem Ziehvater, begeben. Mit dem zwielichtigen Henri Ducard (Liam Neeson, „The Grey – Unter Wölfen“) trifft er dann auf eine neue Vaterfigur, die weniger daran interessiert ist, ihn auf das Leben vorzubereiten, als ihn zum Zahnrädchen in den Reihen der Schatten zu machen. Schon hier wird deutlich, dass sich „Batman Begins“ vielmehr für den Einfluss einer maskulinen Dominanz auf Bruce Wayne interessiert, als für die Rolle der Frau in seinem Leben (dementsprechend unnütz wirkt Katie Holmes als Rachel Dawes).
Von Henri Ducard aber muss sich Bruce Wayne bald trennen, obwohl dieser es in gewisser Weise ist, der ihn zu dem macht, was er später sein wird (oder anders gesagt: Was er versucht, zu sein): Ein Stabilisator der Gerechtigkeit. Henri Ducard Verständnis von Recht und Ordnung steht diametral zu den Idealen von Bruce Wayne, seine Zeit im Tempel der Schatten aber hat ihn maßgeblich geprägt und auf einen Pfad geleitet, auf dem er lernen wird, dass Moral niemals im Auge des Betrachters liegt. „Batman Begins“ ist infolgedessen auch eine Variation des Coming-of-Age-Topos und Bruce Wayne der Dreh- und Angelpunkt der Handlung, an dem das Narrativ mit Gesichtspunkten wie Furcht, Zorn, Schuld und Verantwortung kontinuierlich rührt. Bruce Wayne stellt sich seinen Ängsten und Traumata und vollbringt es so, seine die Seele vergiftende Wut ob der Geschehnisse in der Vergangenheit zu überwinden und zum geduldigen Krieger heranzuwachsen, dem immer eine Wahl in seinem Handeln geblieben ist. Wir fallen, um das erneute Aufbäumen zu lernen.
Metaphorisch wird diese Rise-and-Fall-Parabel in „Batman Begins“ in der Szene auf den Punkt visualisiert, in der Bruce zum zweiten Mal in den Brunnen hinabsteigt und in der Höhle dahinter in einen aufgescheuchten Fledermausschwarm gerät, dem er sich allerdings nicht angstvoll verschließt, sondern durch das Aufrichten in der Mitte des Sturmes endgültig neugeboren wird: Die Ängste wurden überwunden und können nun verwendet werden, um als Machtinstrument zu fungieren. Mit „Batman Begins“ zeichnet sich Christopher Nolan noch für einen Film verantwortlich, der sich tatsächlich für seinen Hauptakteur interessiert und ihm so eine Eigendynamik zugesteht, die Werken wie „Inception“ oder „Interstellar“ vollkommen abhandengekommen ist, weil sich Christopher Nolan vollends als klinischer Technokrat auszeichnet und weniger Acht auf eine saubere Entwicklung von charakterlicher Motivation gibt: Allein auf die technische Idee ist er versessen. Die Psychologisierung von Bruce Wayne respektive Batman wird in „Batman Begins“ nachvollziehbar und fesselnd dargeboten, mit der Selbstfindung breitet Nolan eine produktive Identifikationsfläche aus – Die Wiederbelebung im realistischen (politische Analogien mit eingeschlossen) Gewand darf beglückwünscht werden.
Fazit
„Batman Begins“ ist der beachtliche Auftakt einer Superhelden-Trilogie, die inzwischen Filmgeschichte geschrieben hat. Christopher Nolan zeichnet sich dadurch aus, dass er der psychologischen Motivation seiner popkulturellen Koryphäe die nötige Aufmerksamkeit zollt und die obligatorische Rise-and-Fall-Geschichte mit Coming-of-Age-Anleihen verknüpft und somit schlüssig in ein weitaus realistischeres Gewand kanalisiert, als man es von Comic-Verfilmungen dieser Größenordnung bisher gewohnt war. Dass „Batman Begins“ kein perfekter Film ist, machen allein schon die äußerst dürftig geschriebenen Nebenfiguren deutlich, aber die düstere Wiederbelebung des Fledermausmannes ist mehr als geglückt.
Autor: Pascal Reis