Auf die bisher ungewöhnlichste (und vielleicht beste) Pre-Title-Sequenz folgt der bisher vielleicht beste Bond-Song - eine furioser Auftakt für den zweiten Einsatz des oft gescholtenen Timothy Dalton. Und obwohl hier zum fünften und letzten Mal John Glen auf dem Regiestuhl sitzt, schlägt auch der darauffolgende Film erzählerisch und thematisch gewaltige Haken. Das negative Echo, das ihm heute noch nachhallt, ist nur dadurch erklärbar, dass damals noch niemand wirklich für eine Neuerfindung der Doppelnull bereit war. Denn "Licence to Kill" ist als erster Teil der Reihe ein durch und durch unangenehmer Film - und das im besten Sinne. 007 handelt hier nicht im Auftrag ihrer Majestät, sondern begibt sich auf einen persönlichen Rachefeldzug gegen den Drogenbaron Sanchez (schmierig-bedrohlich: Robert Davi). Dabei geht es so brutal und zynisch vor, wie in noch keinem Bond-Film zuvor: Es hagelt Kinnhaken bei wilden Kneipenkeilereien, Schurken werden zerhäckselt, in Brand gesteckt, von Gabelstaplern aufgespießt und in Haifischbecken geworfen - 007, so scheint es, ist selbst zum Bösewicht geworden. "Licence to Kill" wurde stets vorgeworfen, ein zu kalter und harter Film zu sein - dabei könnte er doch im Kern nicht emotionaler sein. Bond ist "sentimental" (O-Ton M), weil er Vergeltung für das Unglück eines Freundes sucht. Leider verpasst der Film die Chance, seine Hauptfigur auch emotional endgültig von der Leine zu lassen - statt gefühlvoller Szenen gibt es doch wieder nur eingestreute, für die Reihe typische Albernheiten, die hier fehl am Platz wirken. Timothy Dalton spielt einen entfesselter Berserker, wütet nur so durch den Film, und kommt dem originalen Fleming-Bond dabei so nahe wie nie zuvor. Und doch gehört jemand anderem die große Bühne: Der wunderbare Desmond Llewelyn (Q) tritt erstmalig nicht nur als Gadget-Lieferant auf, sondern wird direkt Teil von Bonds inoffizieller Mission. Alleine das hebt "Licence to Kill" aufs bisherige Bond-Siegertreppchen.
von Nikolas Friedrich