1. Highlights aus den Kinosälen:
The Night of the Virgin - Einer der unterhaltsamsten Extrem-Kracher des Jahres, der die Menge im prall gefüllten Kinosaal zum Toben und Grölen bringt. Was zu Beginn aufgrund des herrlich ungehemmten Schauspiels von Hauptdarsteller Javier Bódalo durch ständige Situationskomik für viele Lacher sorgt, steigert sich immer stärker zu einem dämonischen Ritual der besonderen Art, bei dem irgendwann alle Dämme brechen. Blut, Sperma, Kotze und andere Körperflüssigkeiten werden in horrenden Mengen über die Leinwand gefeuert, während die Inszenierung aufgrund der abstoßenden Bilder, teilweise stakkatoartigen Montagen und einem beinahe unentwegt wummernden Bass sämtliche Nerven zerschreddert und mit einem späten Höhepunkt aus allen Rohren schreit, kotzt und presst.
mother! - In seinem skandalumwobenen Film, der bisher definitiv die spannendste, weil unberechenbarste Rezeption des Jahres hervorrief, stellt Darren Aronofsky das Schrille, Überbordende und Skandalöse, Schockierende auf gleiche Weise nebeneinander wie das Zärtliche, Zerbrechliche und Intime, Verletzliche, wodurch der Regisseur genauso zum offenen Kern des Kinos vordringt wie zum Inneren der Menschheit, die er hier wahlweise verdammt oder retten will. Möglich wäre natürlich beides.
Porto - Gabe Klinger mag im Umgang mit experimentellen Spielarten und natürlich klingenden Dialogen noch auf der Suche nach der für ihn perfekten Form sein, doch das einzigartige Wesen der Liebe, das der Regisseur sowohl in seiner einzigartigen Schönheit als auch fatalen Kurzlebigkeit heraufbeschwört, beleuchtet er in seinem Spielfilmdebüt schon jetzt wie einer von den ganz großen Filmemachern. Und nebenbei ermöglicht er seinem Hauptdarsteller ungewollt einen würdigen Abschied, in dem sich die unvollständige Sinnsuche des Protagonisten auf treffende, emotionale Weise mit Anton Yelchins eigenem Schicksal zu verbinden scheint.
2. Flops aus den Kinosälen:
Körper und Seele - Mit berauschenden Bildern, in denen Kameramann Máté Herbai die unterschiedliche Einsamkeit der Figuren in den kargen Schauplätzen des Schlachthauses spiegelt und erst in weißlich schimmernden Traumwelten aufzuheben vermag, strahlt der Film eine andersartige Poesie aus, der man sich als Zuschauer wie in Trance hingibt. Bedauerlicherweise verläuft Ildikó Enyedis Werk ab der zweiten Hälfte immer wieder Gefahr, zur puren Farce zu werden, wenn die Regisseurin die autistische Hauptfigur für manipulative Lacher missbraucht. Am Ende hintergeht sie gar ihren eigenen Ansatz, dem das Potential einer wahrlich wundersamen Form alternativer Zwischenmenschlichkeit innewohnt, und verrät die betörende Kraft des Unergründlichen an konkret werdenden Kitsch, der die eigentümliche Anziehung des Unterbewussten in der letzten Einstellung endgültig aus dem Film verbannt hat.
Logan Lucky - Auch wenn sich Steven Soderbergh für sein filmisches Comeback ein äußerst vielversprechendes Ensemble beschaffen konnte, unter dem immerhin Channing Tatum das Maximum aus seiner unterentwickelten Figur herausholt, wirken Adam Driver, Daniel Craig oder Riley Keough beispielsweise eher bemüht als ausgelassen und kauen sich zeitweise wie Karikaturen durch ihre falschen Südstaaten-Dialekte. Es ist ernüchternd mitanzusehen, wie dem Regisseur die Balance aus vielversprechenden Figuren und der eigentlichen Handlung misslingt, weshalb sich der Film nach einem gelungenen Auftakt in müde Heist-Mechanismen fallen lässt, in denen Soderbergh eher über die Figuren lacht, anstatt mit ihnen.
The Circle - Als beklemmende Dystopie ist die Geschichte von James Ponsoldts Romanverfilmung der Realität kaum noch voraus, so dass ein Blick in soziale Netzwerke genügt, um sich einen authentischeren Überblick über die momentane Situation des Online-Verhaltens zu verschaffen. Als Thriller wiederum bleibt das Gesamtwerk trotz eines pulsierend wummernden Scores seltsam unbelebt, während die Bilder nur vereinzelt dazu imstande sind, die Grenzen zwischen Realität und Virtualität beängstigend aufzuheben und ein Drehbuch zu kaschieren, das höchstens technikfremde Zuschauer am Rande des Rentenalters in Alarmbereitschaft versetzen dürfte.
3. Highlights im Heimkino:
Mein Nachbar Totoro - Eine liebevolle Ode an das einzigartige Lebensgefühl der Kindheit, ein verspielter Appell an die Kraft der Fantasie und eine verständnisvolle Auseinandersetzung mit familiären Problemen innerhalb schwieriger Zeiten. Wie beinahe jedes Werk aus der Produktionsschmiede von Hayao Miyazaki ist auch dieser Film ein unverzichtbares Werk für Liebhaber besonderer, kreativer sowie einfühlsamer Animationskunst.
4. Flops im Heimkino:
Die Rache der Kannibalen - Wirkt aufgrund des nur ein Jahr zuvor erschienenen Nackt und Zerfleischt von Ruggero Deodato wie ein bemühter, misslungener Abklatsch. Abgesehen von einem gelungenen Score sowie einigen atmosphärischen Aufnahmen bietet Umberto Lenzi kaum mehr als plakative Gewaltmomente, abstoßenden und fragwürdigen Tier-Snuff, bemühte Gesellschaftskritik, unbeholfene Schauspieler und ein misslungenes Pacing, bei dem sich eine Nebenhandlung in New York schließlich als völlig überflüssiges Füllmaterial entpuppt, um vermutlich überhaupt irgendwie in die Nähe der angestrebten Laufzeit zu gelangen. Kompletter Müll aus der untersten Kannibalenfilm-Schublade.
5. Alles über Serien:
Aktuell schaue ich nichts an Serien. Zumindest bis Ende des Jahres will ich aber gerne noch Search Party, Big Little Lies und The Handmaid's Tale nachholen.
6. Für den Oktober plane ich:
Blade Runner 2049, Happy End, Schneemann, The Square
7. Filmschaffender des Monats:
Anton Yelchin - Das vermutlich besonderste Erlebnis dieses Kinomonats war, die ebenso kantige wie verletzliche Präsenz des viel zu früh verstorbenen Schauspielers noch einmal auf der Leinwand bestaunen zu dürfen.
8. Mein Monat hat mich irgendwie an diesen Film erinnert: