Was verzuckerte Heldendichtungen auf den amerikanischen guy's guy betrifft, hat Michael Bay mit dem Gespann aus Peter Berg und Mark Wahlberg mittlerweile seine Nachfolger im Geiste gefunden. 1998 aber schwelgte er noch selbst mittendrin: In Armageddon raufte er einen wilden Haufen unkonventioneller Weltretter zusammen und ließ mit ganz viel verschwurbeltem Wissessenschaftsblabla die bevorstehende Auslöschung der Erde erklären, ehe er sich erstmalig in seiner Karriere in digitalen Spektakelbildern verlor. Auf dem Meteoriten angekommen, geht die humorvolle Dynamik des Ölbohrerteams, die die erste Hälfte des Films sogar ganz amüsant gestaltet, zwischen viel Wind, Krach und Geschrei verloren. Zwar ist man nicht mehr den schmerzhaften Liebesszenen von Liv Tyler und Ben Babyface Affleck ausgesetzt, aber der schmalztriefende Pathos, mit dem Bay am Ende das Überleben der Menschheit zelebriert (nachdem noch rasch in einer hastig weginszenierten Sequenz große Teile von Paris zerstört wurden), ist so reichhaltig und überhöht, dass jede ernsthafte Reaktion darauf ausgeschlossen ist.
Bereits ein Jahr zuvor war James CameronsTitanic in den Kinos gestartet, an dessen Megaerfolg Bay und Bruckheimer mit ihrem nächsten Projekt anzuschließen versuchten. Ein dreistündiges Liebesepos vor dem Hintergrund einer der größten amerikanischen Tragödien aller Zeiten: dem Luftangriff auf Pearl Harbor im Jahr 1941. Drei Jahre zuvor mag ein US-Bürger with the power of Aerosmith den Planeten gerettet haben, am Ende von Armageddon stand aber nicht zwingend ein nationaler Sieg, sondern sogar eher ein menschlicher - ein beinahe schon humanistischer Optimismus, der in Bays Karriere einzigartig bleiben sollte. Auch am Ende von Pearl Harbor steht, so bitter er vom Tod einer seiner Hauptfiguren auch gezehrt sein mag, ein Sieg. Nur dieses Mal handelt es sich um einen vergifteten und blutgetränkten. Drittelt man den Film in jede seiner sehr langen Stunden, so ist der erste Teil größtenteils nur Liebesgeplänkel vor Sonnenuntergangskulisse, mit dem der vergebliche Versuch einhergeht, ein love triangle zu entwerfen, in dessen Ausgang der Zuschauer emotional zu investieren bereit ist. Miteinander geschlafen wird bei Kerzenlicht hinter weißen Seidenvorhängen, Liebesbriefe zur heraufspritzenden Gischt am Strand gelesen, Blicke mit gequälter Schmachtmiene in die Ferne geworfen. Es ist ein einziger Graus.
Der Angriff auf Pearl Harbor nimmt das zweite Drittel des Films ein - Bay ist in seinem Element! Mit einem Nonplusultra an digitaler Pyrotechnik nimmt er den hawaiianischen Hafen auseinander und beschwört ein gigantisches Feuerwerk an Explosionen herauf. Krieg gedacht als mitreißende Action, die niemals mitreißend ist, weil die Figuren langweilig und ihre Schicksale bedeutungslos sind. Immerhin gelingen inmitten des Effektgewitters zumindest kleine denkwürdige Momente, nicht zuletzt mit John McClanes rätselhaftem Blink-and-you-miss-it-Gastauftritt. Eine wirklich abstoßende Qualität entwickelt der Film tatsächlich erst in seinem letzten Drittel, wenn er sich mithilfe der Japaner, deren Dämonisierung er bis dahin peinlichst vermied, ein Feindbild konstruiert und der militärische Rückschlag Amerikas zum todbringenden Triumph einer ganzen Nation wird. Patriotische Selbstertüchtigung, die den Krieg, zu dem der Film bis dahin ein zwiespältiges Verhältnis aus Verdammung und Verherrlichung pflegte, endgültig zu einer glorreich gerechtfertigten Mannestat erhebt. Sehr viel schlimmer sollte das Kino von Michael Bay in folgenden Jahren nicht mehr werden.