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Bilder des Zerfalls: Im Klammergriff der Kontroverse - Teil 18

von Pascal Reis

Paul Verhoeven ist genau die Art von Filmemacher, die wie die Faust auf das Auge in diese Kommentar-Reihe passt. Verhoeven, der Amerikaner und amerikanische Kultur in seinen Filmen stets kritisch bis satirisch überhöht genüsslich auf die Schippe nahm und damit unglaubliche Erfolge feierte. Zumindest so lange, bis ihn seine Abrechnung mit Käuflichkeit, Plastizität, Sexualisierung und Ausbeutung (zusammengefasst: Las Vegas) zu Fall brachte. Showgirls war ein riesiger Flop, verhöhnt von Kritikern, ignoriert an den Kinokassen. Heute gilt der Film als einer der schlechtesten aller Zeiten und wird aus diesem Grunde von einer kleinen treuen Gemeinde ironischer Fans immer wieder gesehen. Dabei tut man dem Film durchaus Unrecht, wenn man ihn kategorisch und vollkommen ablehnt, oder ihm jegliches Vorhandensein von Klugheit und Talent abspricht. Paul Verhoeven ist und bleibt schließlich Paul Verhoeven.

Dabei muss man zugeben, dass Showgirls es einem wirklich einfach gestaltet, sich über ihn zu pikieren und lächerlich zu machen. Grottig sind nicht nur die Darsteller, grottig ist vor allem das Drehbuch, von dem der Autor einmal betonte, er und Verhoeven wären es Zeile für Zeile durchgegangen und hätten es für überaus komisch und gewieft empfunden. Komisch ist es auch tatsächlich, gewieft eher selten und in den gelungenen Momenten scheint stets die talentierte Hand von Herrn Verhoeven durch das Dickicht aus absurd dilettantischen Momenten. Nomi (ziemlich amateurhaft dargestellt von Elizabeth Berkley, deren Auswahlkriterium in etwa „nackt“ gewesen sein muss) kommt nach Vegas um zu gewinnen. Nicht beim Zocken, sondern beim Tanzen; sie möchte ihren Traum verwirklichen und an die Spitze gelangen. Kurz: den American Dream durchleben.

Die satirische Abrechnung, die Showgirls werden sollte, sie ist hier Verhoeven-typisch satirisch überzogen und exploitativer als ähnliche Werke, wie zum Beispiel Martin Scorseses Casino. Scorseses Vegas ist ein Haifischbecken, Verhoevens Vegas ist ein Platz voller Menschen, deren Moral und Klischees sich selbst gleichzeitig zu Grabe tragen - gar nicht unbedingt um des eigenen Vorteils willen, in Verhoevens Film ist gar nicht unbedingt klar, wie viel die Figuren für ihre Taten können und wie viel die Stadt selbst in ihnen korrumpiert. Der Mensch ist eine Ware und war nirgends wertloser als in dieser Stadt der bunten Lichter und plastischen Frauen. Voyeurismus selbst existiert hier nicht mehr, denn es würde implizieren, dass das Beobachten moralisch mindestens fragwürdig wäre. Moral und Würde werden an den Stadtgrenzen abgegeben. Das ist so tief in der DNA der Stadt verankert, dass Nomis Zuhälter ehrlich nicht versteht, was ihr Stolz bedeutet und wo ihr Scham herkommt.

Nomi will Selbstverwirklichung - in Vegas aber wird ihr Selbst nur versteigert. Hier kommt wahre Schönheit von außen und innere Werte - Verzeihung, Kinder - können dich mal am Arsch lecken. Paul Verhoeven führt Amerika teilweise wunderbar direkt die eigene Prüderie vor. Von Herzen gemeinte nostalgische Erinnerungen an die alten Zeiten kommen da über ein „Es muss komisch sein, dass niemand mehr auf dich abspritzt.“ nicht hinaus. Dass Verhoeven die Konflikte stetig brodeln lässt und krasse Gewaltspitzen einsät, die in ihrer Unmenschlichkeit durchaus schocken, lässt einen bei dem Film jedoch nicht wehmütig nach Verhoevens älteren Filmen sehnen. Stattdessen bezeugen sie einmal mehr die Klasse des Filmemachers, der nach Amerika ging, um dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten von innen die Maske der Schönheit abzureißen. Das versteht nicht jeder Zuschauer und das ist nicht immer so treffsicher wie RoboCop, aber es macht verdammt viel Laune.

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