Inhalt
Man schreibt das Jahr 2292. Die Erde besteht aus zwei Teilen: einem perfekten Utopia namens Utopia, in dem die intellektuelle Elite in einer künstlichen Unsterblichkeit lebt, und den verödeten Außenländern, wo Sklaven unter barbarischen Umständen gehalten werden und Menschen aufeinander Jagd machen. Sie haben dafür zu sorgen, dass die Ernährung der Unsterblichen sichergestellt ist. In den Außenländern regiert die Gewalt und es gilt nur die Stimme des von den Unsterblichen geschaffenen Gottes Zardoz. Dem Kämpfer Zed (Sean Connery) gelingt es, in den Streng gehüteten Bereich der Vortex einzudringen, wo er von den Bewohnern mit Neugier, Abscheu und Verwunderung betrachtet wird…
Kritik
Es gibt diese Filme, bei denen sich eine klare Trennlinie zwischen Genie und Wahnsinn kaum ziehen lässt und am Ende nicht klar ist, ob man das Gesehene letztlich als visionären Meilenstein oder lachhaft misslungenen Quatsch betrachten soll. In genau diese Kategorie fällt John Boormans ("Point Blank") verschrobenes, schräges und zutiefst gewöhnungsbedürftiges Science-Fiction-Werk "Zardoz" von 1974. Zwei Jahre zuvor hatte sich der Regisseur mit dem überwiegend massiv gefeierten "Beim Sterben ist jeder der Erste" einen Freibrief erarbeitet, wurde zum genialen "Auteur" ernannt und durfte bei seinem darauffolgenden Film schließlich machen, was er wollte.
Das Resultat ist eine ebenso kühne wie abgedrehte Endzeit-Vision, in der die Erde im Jahr 2292 in zwei Teile gespalten wurde. Die dekadente Oberschicht ist mittlerweile unsterblich geworden, lebt in einer isolierten Blase in totalem Stillstand vor sich hin und hat jegliche Art der Fortpflanzung und somit sämtliche Varianten des Fortbestehens einer nachfolgenden Zivilisation unmöglich gemacht. Der andere Teil der Erde ist ein karges Wüstenland, in dem die Menschen einen schwebenden Steinkopf namens Zardoz als Gott anbeten, der sie mit massenhaft Schusswaffen versorgt, wofür diese die Obrigen im Gegenzug mit geernteter Nahrung belohnen. Zwischen den Menschen in diesem Teil herrscht zudem ständiger Krieg, denn die bewaffneten und von Zardoz auserwählten Krieger machen immer wieder Jagd auf die einfachen Bürger, welche für den Anbau der Nahrung verantwortlich sind, und töten diese.
Das grundsätzliche Konzept dieser doch mehr als ungewöhnlichen Dystopie klingt nicht nur reichlich abgefahren, sondern wird von Boorman mit äußerstem Größenwahn zu wahnwitzigem Leben erweckt. Der Regisseur schildert die Reise eines kriegerischen Auserwählten, der das göttliche System in Frage stellt und durch eine List in das Reich der Oberschicht gelangt, wo ihn unglaubliche Szenarien erwarten. "Zardoz" ist dabei ambitioniert und völlig durchgeknallt zugleich, mit zahlreichen Ideen des Regisseurs durchsetzt und extrem unentschieden, welche erzählerische und vor allem tonale Richtung eingeschlagen und beibehalten werden soll. Boorman schneidet zeitweise scharfe Zivilisationskritik und philosophisches Gedankengut an, wühlt sich mitunter durch eine haarsträubend esoterische Hippie-Mentalität und taucht immer wieder tief in psychedelische Phantasmagorien ein, die beispielsweise dem Verstand eines Alejandro Jodorowsky ("El Topo") entsprungen sein könnten. Der Stil schwankt zwischen einem unglaublich kreativen Produktionsdesign und trashig überzogenen Albernheiten, sodass eine Reaktion zwischen erstaunter Bewunderung und unfreiwillig komischer Lächerlichkeit keine Seltenheit ist.
Inmitten des wilden Treibens stolpert ausgerechnet Sean Connery ("Der Name der Rose") in der Hauptrolle durch die Handlung. Der Schauspieler, der eigentlich bei jedem als James Bond im Gedächtnis verankert war, trägt hier nicht nur üppige Brustbehaarung und Pferdezopf, sondern außerdem eine Kombination aus hohen Stiefeln und knallrotem Slip als Outfit, das praktisch unvergesslich wurde. Der Mut, sich so schrill und radikal gegen das eigene Image besetzen zu lassen, müsste in dieser Hinsicht eigentlich bereits honoriert werden. Seine Darstellung des entschlossenen Widerstandskämpfers trägt aber auch dazu bei, dem bisweilen wirklich sehr unausgegorenen und sichtlich daneben greifenden Spektakel nötige Ernsthaftigkeit zu verleihen.
Fazit
Größenwahnsinniger Fehlschlag, faszinierende Endzeit-Vision oder mutige, experimentelle Science-Fiction-Extravaganz? "Zardoz" verweigert sich eindeutigen Zuordnungen, spaltet die Meinungen bis heute und hat ebenso viele Bewunderer wie Hasser. Regisseur John Boorman hat seinen Film mit derart vielen Ansätzen, Ideen und gestalterischen Elementen vollgestopft, dass am Ende eine Explosion des psychedelischen, abgedrehten Irrsinns entstanden ist. Das wirkt manchmal unentschlossen und nicht konsequent zu Ende gedacht, ist aber einzigartig, faszinierend und abgefahren genug, um in jedem Fall für höchste Aufmerksamkeit zu sorgen. Positiv wie negativ natürlich.
Autor: Patrick Reinbott