Inhalt
In der schroffen Wildnis des Indianer-Reservats "Wind River" findet US Wildlife Agent Cory Lambert den vergewaltigten Körper eines jungen Mädchens. Der Mord erinnert ihn an den gewaltsamen Tod seiner eigenen Tochter. Zur Untersuchung des Falls schickt das FBI die frisch aus der Ausbildung kommende Agentin Jane Banner. Doch die ist nur ungenügend auf die rauen Wetterbedingungen und die Isolation durch den vorherrschenden Winter vorbereitet und engagiert Lambert als Fährtensucher und Führer, um ihr bei den Ermittlungen zu helfen. Gemeinsam dringen sie tief in eine Gegend, die stark von latenter Gewalt und den Elementen geprägt ist. Während Jane gezwungen ist, sich von ihrer Ausbildung zu lösen und mehr auf Ihre Instinkte zu vertrauen, wird Cory mit lange verdrängten Emotionen konfrontiert, als sich ihm die Möglichkeit bietet, nicht nur diesen Mord, sondern auch das Verschwinden seiner Tochter aufzuklären.
Kritik
Von der konstanten Argwohn in einem drogenverseuchten Mexiko über die staubige Hitze eines anachronistischen Texas bis hin zu den eisigen Kälten eines trostlosen Indianerreservats – in den Drehbüchern von Taylor Sheridan wird der Handlungsort selbst zur wichtigsten Figur. Omnipräsent diktiert er nicht nur die Szenerie, sondern findet seinen Weg vom Hintergrund ins Innere der Figuren. Die Naturgewalten bestimmen das Denken und Handeln. Entscheidend ist nicht was du kannst, sondern wo du herkommst. Doch egal ob Einheimischer oder Fremder, letztlich muss sich jeder den Gesetzen der Lokalität beugen. Mit Wind River beendet Sheridan nun seine inoffizielle Trilogie, die mit Sicario und Hell or High Water begonnen hat. Dass er dabei nun selbst hinter der Kamera Platz nimmt, ist nur konsequent - und dennoch kaum der Rede im Wert.
Im positiven Sinne, denn wie schon seine beiden Vorgänger, ist auch Wind River handwerklich formidables Thrillerkino. Wenn eine Handvoll Waffen aus nächster Nähe abgefeuert, ihre Besitzer chaotisch durch die Menge preschen oder blutend im Schnee zusammensacken, dann sitzt dabei jede Einstellung, jeder Schnitt. Gleichförmigkeit in Perfektion, ein Gespür für Dynamik und Anspannung, welches auch schon Denis Villeneuve und David Mackenzie mit der selben Durchschlagskraft zur Vollendung brachten. Den Atem anhalten, am Sitz festkrallen, die Fingernägel malträtieren und schlussendlich doch wieder ausatmen. Immer wieder von vorn. Immer wieder das Gleiche. Dahinter nur Leere, denn was fehlt ist Charakter, Substanz hinter den auf Hochglanz polierten Spannungsmomenten.
Problempunkte, die im Kino Sheridans wohl keine Neuheiten mehr sind. Während Puls und Adrenalin ansteigen, werden Charakterzeichnung und Subtext schmerzlich vernachlässigt. Egal welches Gesicht (aufstrebender) Hollywoodstars man diesen leeren Hüllen verpasst, als greifbare Charaktere versagen sie vollends. Reduziert auf ihre Wirkung sind sie reine Funktionsträger, frei von Zwischentönen, frei von Widersprüchen…genau das, was man von ihnen erwartet und wofür sie auch gebraucht werden. Das mag so durchaus funktionieren, punktuell mitreißen und als geradliniger Genrefilm überzeugen. Die Frage, die sich dabei stellt, lautet jedoch, wie lange? Und zu welchem Zweck? Wo liegt der Reiz, wenn jeder Nachhall schon beim letzten Schuss verflogen ist? Wahrscheinlich im Moment, in der reinen Seherfahrung…eben dort, wo das Werk zu seiner Stärke findet.
Es besteht eine Schere zwischen Umsetzung und Anspruch. Eine Schere, die sich in den stärksten Momenten von Wind River zwar erstaunlich nahekommt, aber nie vollends schließt. Etwa wenn es der Film für wenige Augenblicke wagt sein Korsett zu verlassen und beginnt sich tatsächlich für seine Figuren zu interessieren. Beginnt die Konflikte zu etablieren, die seinem Setting als natürliche Instant innewohnen und die er über weite Strecken dennoch schmerzlich vernachlässigt. Aber Wind River will kein Drama sein, keine Charakterstudie und erst recht kein Milieubericht. Wahrscheinlich ist das auch gut so, schließlich versteht Sheridan durchaus was er macht. Etwas fehlt trotzdem, etwas, das den Kinosaal verlässt und nach 90 Minuten nicht sofort wieder vergessen ist. So bleibt lediglich heiße Luft, kaum der Rede wert und in diesen kalten Wintermonaten trotzdem ein Segen.
Fazit
„Wind River“ erzählt von Idealisten, deren Werte in einem unmenschlichen Umfeld auf eine rigorose Probe gestellt werden. Taylor Sheridan beweist indes, dass er auch hinter der Kamera ein geschickter Handwerker ist, während sein Drehbuch mit den gleichen Problemen zu kämpfen hat, die auch schon „Sicario“ und „Hell or High Water“ befallen haben. Nichtsdestotrotz ist „Wind River“ kurzweiliges, intensives und mitreißendes Spannungskino, welches vor allem auf der großen Leinwand seine Wirkung bestens entfalten kann.
Autor: Dominic Hochholzer