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Quelle: themoviedb.org

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Inhalt

Das Ende der DDR stürzt Walter (Hilmar Thate) in eine existenzielle Krise. Er wird arbeitslos und versucht äußere Autorität und innere Selbstachtung wiederherzustellen, indem er "auf Patrouille geht". Wahrt er tagsüber noch den Anschein eines normalen bürgerlichen Lebens, rekrutiert er die Jugendlichen Gina und René zu nächtlichen Einsätzen in der U-Bahn. Mit ihnen wartet er gezielt auf jugendliche Rowdies, um sie mit körperlicher Gewalt zu bestrafen.

Kritik

Jetzt mal Hand aufs Herz: Wer würde bei der Beschreibung „deutscher Taxi Driver“ auch kreischend vor Entsetzen fliehen? Natürlich ist ein solcher Vergleich nur in den äußersten Schichten von Wege in die Nacht akzeptabel: Zwar wird Walter (Hilmar Thate, Die Sehnsucht der Veronika Voss) auf seine eigene Art zum Rächer der Enterbten, aber das war’s auch schon. Während Travis Bickle New Yorks Straßen „vom Abschaum säubern“ will, begnügt Walter sich damit, seine Handlanger auf andere zu hetzen, die Obdachlose, Ausländer und alle anderen schikanieren. Regisseur Andreas Kleinert (HEDDA) bleibt dabei oft geheimnisvoll. Er erzählt nicht alles aus und zieht den Zuschauer damit nur noch weiter in die Geschichte hinein - auch wenn sich dadurch offenbart, dass manche weitere Aussparungen dem Film noch besser getan hätten.

Zu Beginn sucht Kleinert durch die Kamera vom Neuen deutschen Film-Helden Jürgen Jürges (der mit Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders und Michael Haneke gearbeitet hat) in einem endlosen Schwenk die grau verschwommenen Wiesen auf dem Lande. Brandenburg? Irgendwann offenbart sich die Baracke eines ehemaligen Kraftwerks. Eine Raffinerie und mehrere Kühltürme stehen noch, der Rest ist zerstört und liegen gelassen. Das Kaputte wird als Ort der Sicherheit aufgesucht, die Betonbrocken könnten auch Totenschädel sein. Walter feuert seine Pistole in diesem Totenreich ins Nichts der Dunkelheit. Um seine Ankunft anzukündigen? Um die Weiten auszuforschen? Als Salut oder gar Rache? Sogar in den Kühltürmen finden wir uns wieder - es sind Bilder, die auch aus den Trümmerfilmen des deutschen Kinos stammen könnten. Wie die Tauben in den Türmen ist auch Walter in seiner Drecksbude eingezwängt. Er sitzt am Esstisch, kreist Job-Angebote an, traut sich aber nicht anzurufen. Radio und Wecker geben eine stetige Geräuschkulisse, unten am Haus wird der Müll durchsucht.

Arbeitslos, ängstlich, eigentlich frustriert und von seinem Leben enttäuscht. Immerhin durfte man drinnen noch rauchen. Walter hat kein Ziel, fühlt sich als Ausgestoßener eines doch eigentlich endlich wiedervereinten Systems. Einen ersten Ausbruch wagt er, als er zwei junge Männer beim Autoklau erwischt haben will. Er scheint Blut geleckt zu haben; plötzlich streift er mit seinem Jackett und zwei Handlangern durch die U-Bahnen Berlins und lässt andere Menschen vermöbeln, die sich wiederum über andere hermachten. Nazis boxen. Das hat dabei teilweise von Sekunde zu Sekunde unterschiedliche Qualitäten: Mal ist das eine angenehme Hommage an das Kriminalkino von Godard (Die Außenseiterbande) und damit zwangsweise Fassbinder (Götter der Pest), mal ist es eine moralisch glattgezogene Version von Taxi Driver. Glücklicherweise verfängt sich Wege in die Nacht nach und nach doch noch und gerät geschmeidig zwischen die Fronten aus Moral und Verzweiflung.

In stimmigen Bildern der Nacht, vom Berliner Asphalt-Moloch zur zerbröselnden Baracke mitten im Nichts, erzählt Kleinert von einem Mann, der die maroden Mechanismen der frisch vereinigten deutschen Gesellschaft analysiert und erkannt haben will und diese versucht auszuhebeln. Dabei wird der Figur teilweise eine ideologische Hochposition angedichtet, die allerdings in ihrer Wirkung verpufft. Manchmal reicht es nicht, immer eine schlaue Antwort zu haben. Jedoch bietet Kleinert zahlreiche Argumente, die die Fehler des Films vergessen machen. Die Figuren sehen nach einer Weile wie verblassende Leichen aus. Sie starren ins Nichts, sie sind fassungslos ob der Geschehnisse, laufen vor ihrem Leben davon, nehmen es anderen, fliehen, treten ihre Identität mit Füßen. Einfach, weil sie sich selbst nicht ausstehen können, weil sie meinen, nicht dorthin zu gehören, wo sie sind. Die Paranoia der Vergangenheit, auch der Scham für jene, werden zum Damoklesschwert für Walter. Wer sich selbst keinen Wert zugesteht, der sucht ihn in anderen - und sei es durch Gewalt.

Fazit

Mit „Wege in die Nacht“ ist Andreas Kleinert ein ungemein interessanter deutscher Beitrag zum Kriminal- und Neo-Noir-Kino gelungen. Er zeigt das Leben einer von der Wiedervereinigung enttäuschten Figur und dessen zielloser Hatz durch die Dunkelheit. Kleinert baut eine sinnlose Geografie gezielt auf, um die Orientierungslosigkeit von Walter zu bebildern. Eben noch in der Großstadt, plötzlich auf dem Lande. Eben noch zwischen Beton und Pflasterstein, plötzlich bereits im eigenen Garten. Kleinert beweist ein Auge für aufregende Bilder, inszeniert in stimmigem Schwarzweiß und lässt genug stille Fragezeichen, Andeutungen und Widersprüche offen, um Nachhall zu erzeugen.

Kritik: Levin Günther

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