Inhalt
Gegen seinen Willen wird Toni aus der Schweiz nach Italien ausgewiesen. Jahrelang lebt er bitterarm in den Po-Auen. Die Leidenschaft fürs Zeichnen gibt er aber nie auf. Die Geschichte von Antonio Ligabue, einem revolutionären Einzelgänger der modernen Kunst.
Kritik
„Jeder Mensch hat eine Gabe. Jedes Leben hat einen Sinn“ bekommt der berühmte, italienische Maler und Bildhauer Antonio Ligabue (Elio Germano, Suburra) bereits als Kind zugesagt. Diese Worte der Aufmunterung sind eine der wenigen Lichtblicke seiner düsteren Kindheit, in der er wegen seiner körperlichen und geistigen Benachteiligung zum Tretobjekt seines Umfelds wurde. Die Existenz von Giorgio Dirittis (Der Wind zieht seinen Weg) Biopic über Ligabue, Hidden Away, nimmt bereits vorweg, dass die wohlwollenden Worte, zumindest in diesem Fall, recht behalten sollten. Erst einmal entdeckt beginnt er Tiere- und Naturimpressionen von großer Schönheit zu malen und wird zur kulturellen Sensation. Auch das ist dem Publikum noch vor dem Vorspann wahrscheinlich bereits bekannt und Dirittis Film kann diesem eventuellen Vorwissen leider fast gar nichts hinzufügen, was nicht bereits Gegenstand zahlreicher anderer KünstlerInnen-Biographien war.
Dabei ist der Film inszenatorisch relativ ambitioniert. Malerische Bilder und schöne Eindrücke von Landschaften gehören für Filme über Kunst und KünstlerInnen ja inzwischen zum guten Ton, in Dirittis Film darf die Kamera sich auch manchmal auf Gänse und andere Tiere im Stil einer subjektiven Perspektive fokussieren. Das ist ein interessanter Einfall, da so zumindest versucht wird, ein Gefühl für Ligabues Blick auf die Welt zu vermitteln, wenn auch nur die Oberfläche des künstlerischen Prozesses angekratzt wird. Ansonsten spielt Hidden Away in der Einleitung sehr mit sich vermischenden Zeitebenen: Ligabues Erniedrigung durch die Hände der Anderen findet sich sowohl als Kind in der Schule, als auch als erwachsener Patient in der psychiatrischen Klinik. Ständig missversteht man ihn und der Film wird nicht müde sein Leiden zu betonen, in dem besten Wissen das wir, das Publikum, ihn verstehen. Dadurch wird die eigentlich komplexe Figur des gescholtenen Künstlers in eine Opfer Position gedrückt, um letztendlich Sympathien zu erzeugen, welche der Film nicht auf intelligentere Art zu ergattern vermag.
Bei all dem Fokus auf den schwierigen Lebensweg des Künstlers fällt nämlich der entscheidendste Aspekt seines Vermächtnisses unter den Tisch: Seine Kunst. Zwar versucht Hidden Away Ligabues Welt- und Kunstsicht durch bedeutungsschwangere, mit aufbrausender Musik unterlegten (unter anderem eine Motorradfahrt zu „Freude Schöner Götterfunke“), Montagen zu verdeutlichen, aber nie generiert sich etwas Handfestes daraus. Stattdessen fühlt sich der Film in seinem selbstgeschaffenen Anspruch kunstgewerblich und oberflächlich an. Die Szene, in der Ligabue im Angesicht des Ablehnens seiner Werke diese zornig zerstört ist nur eine von vielen Klischeeszenen des Biopic Genres, an welchen der Film sich genüsslich bedient. Da neben dem Schaffen auch der Charakter unbeleuchtet bleiben, wird Hidden Away immer mehr zur filmischen Blaupause, bei der man statt des Namens Liagbue auch wahllos einen anderen, beliebigen Namen hätte drüber dubben können. Einen Unterschied hätte wahrscheinlich niemand bemerkt.
Fazit
„Hidden Away“ sieht gut aus und dürfte Freunde von Wikipedia Artikeln und Schullehrer für den letzten Tag vor den Ferien zufrieden stellen, wer aber eine wirklich tiefgreifende Behandlung des schwierigen Lebens eines Künstlers erwartet, der bekommt lediglich hohles Kunstgewerbe und Plattitüden vorgesetzt. Ligabue wünscht man einen besseren Film.
Autor: Jakob Jurisch