Inhalt
Hoch hinaus wollen wir doch alle irgendwie, und wenn es nur bedeuten mag, dass wir einen mit Helium gefüllten Luftballon in die Lüfte steigen lassen und dessen Weg beobachten. Wortwörtlich hoch hinaus wollte das Pixar Studio in ihrem 2009 erschienenen CGI-Werk „Oben“, wo Luftballons eine wahrhaft tragende Rolle spielten. Die Macher bewiesen auch, dass sie nach „Wall-E“ Geschmack an tragikomischem Stoff bekommen hatten, so hat sich dieses Mal das Thema Tod und Verlust mit eingeschlichen, was für Disney fast ein wenig zu tiefgründig erscheint.
Kritik
Carl Fredricksen lernt als Kind die flippige Ellie kennen und lieben. Sie heiraten später und verbringen ein erfülltes Leben miteinander, ohne jedoch ihren Traum verwirklichen zu können: eine Reise nach Südamerika, bei der sie ihrem Vorbild, dem Abenteuerer Charles Muntz, nacheifern. Nach Ellies Tod droht Carl die Abschiebung ins Seniorenheim, und sein Haus steht dem Ausbau etlicher Wolkenkratzer im Weg. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion bindet der einstige Ballonverkäufer seine Luftballons ans Haus und flieht nach oben in Richtung seines Lebenstraums – nach Paradise Falls. Zusammen mit dem zufällig an „Bord“ geratenen Pfadfinderjungen Russell erlebt der Rentner ein haarsträubendes Abenteuer…
Mit der sehr emotionalen Einführung geriet Pixar in Gefahr, den ganzen moralischen Inhalt vorweg zu nehmen. Denn das, was wir in der ersten viertel Stunde zu sehen bekommen, ist das Kennenlernen der Protagonisten als Kinder, anschließend als Rückblende auf ihr komplettes gemeinsames Leben. Hier zieht Pixar alle Register der Gefühlsduselei, ohne zuviel Pathos zu versprühen. Ein gewagter Schritt, denn man fragt sich ab dann nämlich, wie es danach weitergehen soll. Die Antwort ist bei Pixar-Kennern naheliegend: Selbst wenn der wackelige, aber etwas grantige Rentner seinem Schicksal entgegen sieht, entsinnt er sich seiner Träume und entschwindet gen Himmel. Es ist also nicht nur die Anfangssequenz, die inhaltlich viel zu bieten hat, sondern hält sein Niveau auch später noch bei. Natürlich steht hier das Abenteuer im Mittelpunkt, bleibt aber immer wieder auf den tieferen Sinn fokussiert und kann so nach „Wall-E“ als weiteres schreiberisches Meisterstück eingestuft werden.
Längen werden sich kaum einschleichen, da man als Zuschauer zu gerne dem Abenteuer beiwohnt. Alleine schon die Idee, dass Carl sein fliegendes Haus am Gartenschlauch hinter sich her zieht, sorgt für ein leichtes Grinsen und teils surreale Momente. Dabei hat die Fülle der Gags ein wenig abgenommen, so dass der Film eher als Abenteuer denn als Komödie durchgeht – trotzdem gibt es hier wieder ein paar nette Wortwitze und ein, zwei ordentliche Schenkelklopfer zu entdecken. Sympathisch ist das Werk allemal, auch wenn sich das Ganze etwas Pixar-/Disney-untypisch eher in Indiana Jones-Gefilden bewegt als in früheren CGI-Machwerken.
Dabei darf wieder die Technik betrachtet werden. Der einfache Stil erinnert mehr an „Die Unglaublichen“ und zeigt nur recht selten die volle Bandbreite der technischen Möglichkeiten, die regelmäßig zuvor für offene Kinnladen gesorgt hatten. Hier beschleicht sich das erste Mal das Gefühl, dass Pixar weniger Lust auf Bilder denn auf die Story gehabt hätte. Die Landschaften sind sehr spärlich gehalten worden, selbst in der südamerikanischen Wildnis hat man das schon besser und optulenter gesehen. Dennoch sorgen die Erzählweise, gewohnt gute Sprecher und das dramaturgische Know-How von Pixar dafür, dass man mit dem Film wie gewohnt nichts falsch machen kann.
Fazit
Endgültig hat sich wohl Pixar in Gefilde bewegt, die mehr Inhalt versprechen und nicht versuchen, mit den vordergründigen Aspekten wie Computergrafik zu punkten. Es sind die leisen Töne, die wie schon in „Wall-E“ für Verzückungen sorgen, und die funktionieren einfach prächtig. Der kantige Look mag hier sogar etwas fehl am Platze sein, aber soll es nur Mittel zum Zweck sein, die Handschrift von Pixar zu unterstreichen. „Oben“ ist märchenhaft anmutig, humorvoll, aber auch ungewohnt kleinspuriges Animationskino, das das Thema Tod und Verlust auch Kindern angemessen präsentiert.
Autor: Sascha Wuttke