Sam Raimis Spiderman von 2002 wird im Allgemeinen dafür gerühmt, die immer noch anhaltende Ära des von Kritikern und Publikum geliebten Superheldenfilms eingeläutet zu haben. Seitdem gab es bereits eine volle und eine halbe Trilogie von Kinofilmen über den freundlichen Spinnenmann aus der Nachbarschaft sowie drei Zeichentrickserien: Spider-Man: The New Animated Series, The Spectacular Spider-Man und Ultimate Spider-Man. Aber bereits davor zählte Spider-Man zu den beliebtesten und meist adaptierten Comichelden überhaupt. Diese Masse bedeutet nicht nur eine große Nachfrage, sondern auch die Gefahr einer Übermüdung am Stoff. Gleichzeitig weiß ein großer Anteil des Publikums recht genau, wer Spider-Man ist und was man von einer guten Adaption zu erwarten hat: Spideys zentraler Konflikt besteht meist darin erwachsen zu werden und gleichzeitig seine zwei Leben in Einklang zu bringen. Die Filme reflektieren immer aktuelle amerikanische Problematiken und binden ikonische Sehenswürdigkeiten ein. Ein Spidey-Film sollte dramatisch und spannend, aber irgendwie auch lebensfroh und optimistisch sein. Ach ja, nebenbei muss sich der Film auch noch in das mittlerweile weit fortgeschrittene MCU einfügen.
All diese Faktoren führten dazu, dass die Erwartungen an "Spider-Man: Homecoming" bereits im Vorfeld sehr hoch waren. Auf diesem Film lastet ein unglaublicher Druck. "Homecoming" wird mit diesem Druck aber nicht nur fertig, sondern kann damit sogar spielerisch umgehen. Neben ikonischen Szenen wie dem "Köpfüber-Kuss" oder Gags über Spider-Man á la "Was macht Spider-Man eigentlich, wenn keine hohen Gebäude in der Nähe sind?" gibt es auch einen Gastauftritt von Donald Glover, der 2009 als möglicher Spider-Man gehandelt wurde. Neben solchen Eastereggs werden aber auch viele andere Aspekte schlüssig und schnell aufgegriffen und abgehandelt, ohne dabei störend zu sein:
Wer beispielsweise die Formelhaftigkeit eines Origins-Films befürchtet, kann beruhigt sein. Dieser Aspekt nimmt nicht übermäßig viel Raum ein, weil der Film einen anderen Fokus hat. Spideys Ursprung wird nicht beleuchtet - weil das Publikum den ohnehin kennt - und am Ende steht auch kein vollendeter Spider-Man. Die Story besteht nicht darin, Peter Parker zu Spider-Man werden zu lassen, sonder ist eine abgeschlossene Geschichte mit einem Peter Parker, der noch lernt Spider-Man zu sein. Dieser kleine aber feine Unterschiede befreit den Film nicht nur von vielen dramaturgischen Zwängen eines Origins-Films, sie beschert dem Film auch seine Slapstick-Elemente und lässt dem Helden noch Raum für Wachstum in den späteren Filmen.
Insofern ist auch die Wahl mit Tom Holland einen ziemlich jungen Spider-Man darzustellen recht klug. Anfänglich gab es bezüglich dieser Entscheidung ja gemischte Reaktionen. Bei einigen Fans stand die Befürchtung im Raum einen nervigen Kiddie-Spidey mit Teenager-Problemen zu erhalten und damit die Sympathie für den Charakter verloren geht. Stattdessen ist aber das Gegenteil der Fall: Durch die Lebensrealität eines 15-jährigen wird der Faktor "Teenage Angst" eher reduziert, weil vieles in dem Alter einfach nicht so ernst ist. Klar, Peter Parker wird gelegentlich damit konfrontiert, dass er Bereiche seines Lebens vernachlässigt und einige Sachen auch gerade heraus verbockt - aber die Resultate davon sind nicht besonders gravierend und schon gar nicht irreparabel. Diese verringerten Einsätze bescheren dem Film eine Leichtigkeit, die extrem gut zum Charakter passt. Denn trotz der vielen Probleme, die Spider-Man immer belasten, ist er grundsätzlich ein ziemlich heiterer Charakter. Selbst in den dramatischsten Kämpfen findet er Gelegenheit einen lässigen Spruch abzulassen - in diesem Zusammenhang diente er ursprünglich sogar als Inspiration für Labertasche Deadpool. Ein Debütfilm über ihn sollte diese ausgelassene Stimmung auch verbreiten. Die Macher waren sich dieser Grundausrichtung so bewusst, dass an einer passenden Stelle Ferris macht blau referenziert wird. Diese Leichtigkeit überträgt sich sogar auf die Action. Die meisten Actionszenen sind eher witzig und mit den bereits erwähnten Slapstick-Elementen versehen - das funktioniert aber nur im Zusammenhang mit der übermenschlichen Widerstandskraft von Spider-Man und der Film versteht das. Sobald nämlich andere Menschen in Gefahr sind oder ein gewisses Maß an Gewalt überschritten wird, werden die Ereignisse ganz anders dargestellt und wirken entsprechend nicht mehr lustig, sondern sorgen dafür, dass man sich ein bisschen im Kinosessel vorbeugt.
Alle Begeisterung beiseite gelassen, müssen aber doch noch mal ein paar kleine Schwächen angemerkt erden. Ich zweifle beispielsweise daran, dass der Film bei einem mehrmaligen Sehen gut hält. Es gibt ein paar Schlüsselszenen, deren emotionaler Einschlag stark von Überraschung und Ungewissheit lebt und das sind Faktoren, die bei einem erneuten Sehen numal wegfallen.
Ein weiterer, kleinerer Kritikpunkt ist, dass der Bösewicht besser entwickelt werden könnte. Michael Keatons Vulture ist erstmal gut gespielt und passt gut in eine Reihe von Spidey-Schurken, die mehr entrechtet und frustriert als wirklich böse sind. Aber er ist an verschiedenen Stellen so unterschiedlich inszeniert, dass es eigentlich kaum möglich ist, in irgendeiner Richtung besonders eindrucksvoll zu sein. Das bedeutet nicht einmal, dass er inkohärent ist, aber seine Handlungen und Motivationen verursachen eher gemischte als starke Gefühle. Es gibt nicht einmal einen absolut zwingenden Grund für Spider-Man Vulture aufzuhalten - in diesem Zusammenhang wurden eben auch die Einsätze verringert um eine Leichtlebigkeit zu gewährleisten. Dazu muss man aber sagen, dass "Homecoming" auch nur der erste Spidey-Film der Reihe ist. Es erst mal langsam und locker angehen zu lassen ist viel wünschenswerter als zu schnell oder zu viel hochdramatisches Material in einem Film zu verballern.