Inhalt
Das Jahr 2035: Die Erdoberfläche ist entvölkert, seit eine Virenepidemie die Menschheit 1996 fast gänzlich vernichtet hat. Die wenigen Überlebenden existieren in einem Unterwelt-System. Mit der Hoffnung auf ein besseres Leben schickt man den Sträfling Cole als Zeitboten ins Jahr der Katastrophe zurück, um den Ursprung der Apokalypse herauszufinden. Versehentlich gerät er zunächst ins Jahr 1990 und in eine Irrenanstalt. Dort warnt ihn der verwirrte Jeffrey vor den "12 Monkeys". Haben sie mit den Viren zu tun? Endlich im Jahr 1996, spürt Cole mit der Psychiaterin Kathryn diese Vereinigung auf und macht eine verblüffende Entdeckung...
Kritik
Für den Ex-Monty PythonTerry Gilliam war Twelve Monkeys sein erster, waschechter Gehversuch im Mainstream-Kino, nachdem er sich schon längst abseits der „hauseigenen“ Produktionen mit Werken wie Brazil oder König der Fischer bereits seine Sporen als ernstgemeinter und vielversprechender Filmemacher verdient hatte. Gerade in diesem Sektor aber immer noch ein sehr spezielles Projekt, da es trotz des Einsatzes von damaligen Topstars wie Bruce Willis (Pulp Fiction) und Brad Pitt (Interview mit einem Vampir) „nur“ über ein Budget (gemessen an den dafür notwendigen Mitteln) von 29 Millionen $ verfügte, am Ende aber knapp 168 Millionen weltweit einspielte. Bis heute sein kommerziell größter Erfolg und Standbein für spätere, so vermutlich nie realisierte Experimente in gutbudgetierter Form, für die allein man diesen Film dankbar sein muss („Das ist Fledermausland!“).
Als Grundlage diente der in einer Art Fotocollage präsentierte, französische Kurzfilm La Jetée – Am Rande des Rollfeldes aus dem Jahr 1962, dessen Inspiration wiederum auf Alfred Hitchcock’s Meisterwerk Vertigo – Aus dem Reich der Toten basiert. Eine doppelt gewaltige Bürde, die jedoch durch eine zeitgemäße, geschickte und vor allem auch respektvolle Adaption der verwendeten Themenkomplexe aufgefangen wird. Twelve Monkeys greift die Grundidee von La Jetée – Am Rande des Rollfeldes auf, indem in einer postapokalyptischen Zukunft ein Inhaftierter in der Zeit zurückgeschickt wird. Diesmal nicht um den Ausbruch des Dritten Weltkrieges, sondern den einer Seuche zu verhindern. Oder zumindest genug Informationen darüber zu sammeln, dass eine effektive Bekämpfung in der Zukunft möglich ist. Dabei sorgen einige Missgeschicke in der Zeitreisemechanik für Ereignisketten von ungeahntem Ausmaß. Zudem entwickelt sich eine – zumindest grob – ähnlich-komplizierte Romanze zwischen Protagonist Cole (Bruce Willis) und seiner Psychiaterin (Madeleine Stowe, Wir waren Helden) wie in besagtem Jahrhundertwerk des Master of Suspense.
Twelve Monkeys erinnert zwangsläufig in seiner visuellen wie zynischen Gangart an Brazil, allerdings wesentlich düsterer und dezenter im überdeutlichen, karikierten Humor. Auch auf Kosten der surrealen Freiheiten, aber für (heimlich) angepeiltes (und tatsächlich erreichtes) Blockbusterkino ist dieser Film schon erfreulich eigenwillig. Eine dystopische Zukunftsvision wird durch die folgende Zeitreise nicht etwa in seiner Tonalität umgeblättert: Vor der Apokalypse ist gefühlt nach der Apokalypse. Erneut ist Protagonist Cole ungerechtfertigt von einer gesichtslosen, höheren Instanz eingesperrt und muss sich erneut, umringt von Wachpersonal, vor einem übermächtigen Tribunal rechtfertigen. Diesmal aber nicht um seine eigene Haut, sondern die von mindestens 5 Milliarden Menschen zu retten. Aber genau wie damals – oder später – stößt er nur auf Misstrauen, autoritäre Gewalt und Ungerechtigkeit. Obwohl er doch zur Rettung der Menschheit gesandt wurde. Deren Möglichkeit der Zeitreise doch jedwedes Problem in der Vergangenheit ausmerzen müsste. Aber aufgrund von totgeschwiegenen und immer wieder verleugnenden Unfähigkeiten zu genau dieser Fehlerkette führt, die die Menschheit rückwirkend – oder vorbestimmt – ins unausweichliche Verderben stößt.
Twelve Monkeys spielt mit dem bekannten Zeitreise-Dilemma vom Huhn und Ei sehr geschickt und entlarvt eine überautoritäre, diktatorische Staatsgewalt in Angesicht von extremen Krisensituationen als hilflose Machtinstitution, die sich aufgrund von mangelhaften Informationen auf ein Himmelfahrtskommando einlässt, die Bar jeder Vernunft ist. Das auf Kosten eines persönlichen Schicksals geht. Clever erzählt und dank der phantasievollen Inszenierung von Terry Gilliam wie der starken Leistung der Darsteller (Brad Pitt etwas zu hochtourig) bis zum grundsätzlich nicht zwangsläufig überraschenden, emotional wie narrativ jedoch exzellent pointierten Finale hochspannend und faszinierend.
Fazit
Monty Python war gestern: Schon mit „König der Fischer“ lieferte Terry Gilliam seine persönliche Reifeprüfung ab und „Twelve Monkeys“ war der logische, nächste Schritt in Richtung Mainstream, allerdings noch mit persönlicher Handschrift. In dieser Kombination und gerade im Bezug zu seinen großen Vorbildern ein Volltreffer. Eine spannende Mixtur aus experimentellem Genre-Kino, Klassiker-Hommage und Blockbuster-Versuch, die mit viel Liebe zum Detail und raffinierten Referenzen sich grandiose Ideen geschickt zu eigen macht.
Autor: Jacko Kunze