Inhalt
New York, September 2004. Mary Mapes wird als Produzentin von "60 Minutes", des erfolgreichsten TV-Nachrichtenmagazins des Landes, allseits respektiert und geschätzt. Während sie im Beruf erfolgreich ist, führt sie privat ein glückliches Leben mit ihrer Familie. Doch als ihrem Team mitten im Präsidentschaftswahlkampf "Bush vs. Kerry" brisante Informationen über Dokumente aus den 1970er Jahren zugespielt werden, die belegen sollen, dass George W. Bush sich mit Hilfe seiner Familie vor einem Militäreinsatz im Vietnamkrieg gedrückt hat, gerät ihr Leben aus den Fugen. Mapes und der angesehene CBS-Anchorman Dan Rather enthüllen die Informationen im Rahmen eines investigativen Berichtes in "60 Minutes". Die Meldung schlägt ein wie eine Bombe. Doch innerhalb kürzester Zeit steht plötzlich nicht mehr Bushs Militärakte im Zentrum des Skandals. Es sind Mapes, Rather und ihr Team, die unter schärfsten Attacken von Medien und Öffentlichkeit ihre Story und deren Recherche verteidigen müssen. Während Dan Rather, Marys langjähriger Kollege und väterlicher Freund, vollstes Vertrauen in seine Produzentin hat, bringen die Angriffe Mary an ihre persönlichen Grenzen, als sich auch ihr Vater und selbst ihr eigener Sender gegen sie wenden. Es beginnt ein Kampf um persönliche und journalistische Integrität und Unabhängigkeit...
Kritik
Allein der Titel des neuen Journalistendramas von James Vanderbilt ("Zodiac – Die Spur des Killers") "Truth" (oder im Deutschen "Der Moment der Wahrheit") suggeriert: Hier soll Großes in Angriff genommen werden. Ganz im Stile des diesjährigen Oscargewinners "Spotlight" dreht sich "Der Moment der Wahrheit" um ein Team von Journalisten, das sich gemeinsamen gegen das System stellen muss, um an die Wahrheit eines politisch kritischen Themas zu gelangen und dies vor der Öffentlichkeit aufzudecken. Bei "Der Moment der Wahrheit" geht es allerdings nicht so sehr um ein moralisch zutiefst verstörendes und schwer zu behandelndes Thema wie Kindesmissbrauch durch die katholische Kirche, sondern um George W. Bush und die Frage, ob der zweimalige Präsident der Vereinigten Staaten seinen Wehrdienst in Vietnam geleistet hat oder nicht und inwiefern diese Vertuschung zur Widerwahl des Amerikaners beigetragen hat.
Den Film mit Tom McCarthys "Spotlight" zu vergleichen, mag also zunächst wir der richtige Schritt anmuten, immerhin versucht das Marketing von "Der Moment der Wahrheit" den Film auf oberflächlicher Ebene mit dem Oscargewinner zu verknüpfen. Gerade die Trailer und Inhaltangaben suggerieren dem Zuschauer einen investigativen Thriller, in dem unser Journalistenteam, auf ihrer Wahrheitssuche, ein Stein nach dem anderen in den Weg gelegt bekommt, während dieses aber trotzdem unbeirrt weiter forscht. Doch "Der Moment der Wahrheit" geht über dieses Set-Up hinaus, inszeniert sich nicht wie "Spotlight" als kühle und faktische Betrachtung der investigativen Journalistenarbeit, sondern befasst sich mehr mit den Konsequenzen einer politisch diskutablen Nachrichtenmeldung, die sich im Nachhinein als nicht gänzlich unangreifbar herausstellt. Da der Film auf dem Buch der Journalistin und Hauptfigur des Films Mary Mapes (hier stark gespielt von Cate Blanchett) basiert, lässt der Film das Team auch größtenteils links liegen und klammert sich primär an ihrer Figur als Protagonistin fest, porträtiert also den Aufstieg und Fall einer Journalistin, die sich mit großen politischen Mächten angelegt hat und mit den Konsequenzen ihrer Prinzipien leben muss.
In diesem Sinne ist "Der Moment der Wahrheit" dann auch viel mehr ein reinrassiges Drama, welches sich eher auf pompöse und oft sehr dramatische Momente verlässt als auf eine subtile Figurenzeichnung und Narrative. Hier steht nicht die Behandlung der Frage um Bush im Vordergrund, sondern die Veranschaulichung und Bemängelung der heutigen Nachrichten als von Kommerz und Gier getriebenes System, welches ihre eigentliche Aufgabe, die Beschaffung der Wahrheit für das wenig informierte Volk, in den Hintergrund gedrängt hat. Und mag sich "Der Moment der Wahrheit" daher mit einem durchaus respektablen Thema auseinandersetzen (steuert der Film sozusagen auf eine durch und durch nachvollziehbare und interessante Botschaft hin), fehlt den Machern hier das nötige Feingefühl diese Botschaft wirksam zu übertragen. Wenn das Lesen von bösen Internetkommentaren im Film audiovisuell beispielweise zum reinsten Horrorfilm avanciert oder unsere Figuren ernst dreinblickend zu dröhnenden Trompeten in Zeitlupe den Flur hinunterlaufen, verfällt "Der Moment der Wahrheit" ein einen unnötigen Pathos, der die Botschaft des Films, aufgrund seines unfreiwillig komischen Effekts, in den Hintergrund drängt.
Somit kommt die erste Regiearbeit des Drehbuchautoren Vanderbilt nicht ohne ein paar gehörige Holprigkeiten aus. Zum Einen zählt dazu der Verlust eines echten Fokus, den der Film im Fortlauf seiner zahlreichen Storylines ereilt, zum Anderen wirken manche Szenen des Films unangenehm gestelzt und teilweise etwas hölzern. Das überträgt sich dann auch auf den Cast an Nebendarstellern, der aus seinen stereotypischen Figuren nur wenig herausholen kann (was umso schlimmer ist, wenn man bedenkt, dass diese Charaktere auf echten Menschen beruhen). Ob nun Topher Grace ("American Ultra"), Elisabeth Moss("High-Rise") oder ein unheimlich entrückt wirkender Dennis Quaid ("Vegas"), sie alle verkörpern charakterliche Zweckmittel, die hinter den großen Namen Blanchett und Redford verschwinden. Die beiden sind es dann auch nur, die wirklich die Chance bekommen sich zu profilieren, was bestens gelingt. Ob nun Robert Redford ("Elliot, der Drache") oder die immer großartige Cate Blanchett ("Carol") , beide Darsteller holen viel aus ihren Figuren heraus und machen sie emotional greifbar.
Am Ende bleibt ein Film mit einer respektablen und interessanten Botschaft sowie zwei tollen Hauptdarstellern im Gepäck, der sich aber viel zu sehr der Plakativität verschreiht, der seinen Fokus zunehmend verliert und der dadurch seinen eigenen Anspruch fast ein wenig untergräbt. Dieser Film rudert mit den Armen, will penetrant auf sich aufmerksam machen und dem Zuschauer vor allem inszenatorisch immer wieder deutlich machen, wie wichtig das hier gezeigt doch ist (der Film heißt nicht ohne Grund "TRUTH "). Und da ist man als Zuschauer schon fast dazu geneigt diesen unruhigen Störenfried in der Menge nur herablassend zu belächeln , was schade ist, da man es hier zweifellos mit jeder Menge Potenzial zu tun hat.
Fazit
"Der Moment der Wahrheit" respektiert Journalisten und das, wozu diese Leute mit ihrer Arbeit in der Lage sind. Er respektiert die wahre Geschichte hinter der Fassade, die echten Menschen hinter den Figuren. Aber er glorifiziert sie auch, gibt sich in vielerlei Punkten nur wenig differenziert und manipuliert den Zuschauer durch Pathos und Kitsch in Richtung seiner Aussage. Diese Aussage bleibt ohne Zweifel respektabel und interessant, aber sie wird durch das audiovisuelle Aufmerksamkeitsgeheische des Films in den Hintergrund geschoben. Wichtig scheint am Ende nicht die eigentliche Botschaft, sondern der Versuch Mitleid und Schock beim Zuschauer hervorzurufen. Der Zuschauer soll hier nicht überzeugt, sondern in Richtung der richtigen Botschaft gezwungen werden, damit er sie auch ja akzeptiert. "Der Moment der Wahrheit" wirkt daher ein wenig so wie der kleine, laute Bruder von "Spotlight", der wild mit den Armen wedelnd auf sich aufmerksam machen will und der ohne das nötige Feingefühl und ohne die nötige Subtilität seine Botschaft in den Raum rotzt. Dass die Botschaft dabei die gleiche bleibt, ist unbestritten, aber sie ist weit weniger wirksam, als sie es sein müsste.
Autor: Thomas Söcker