Inhalt
Es ist das Bild einer amerikanischen Vorzeigefamilie, das der angebliche Computervertreter Harry Tasker samt Frau und Tochter verkörpert. Doch zugegeben beherrscht er die Rolle des fürsorglichen Vaters nicht sehr gut, dafür ist er in etwas anderem viel besser. Als Topagent im Dienste der US-Regierung bereist er die Welt, um sie vor fanatischen Terroristen zu schützen. Die Ereignisse überschlagen sich, als der Topterrorist Salim Abu Aziz die USA mit einer Nuklearwaffe bedroht. Doch bevor die Sache richtig ins Rollen kommt, muss sich Harry mit einer viel aufreibenderen Aufgabe herumschlagen: Seine Frau Helen scheint ebenfalls ein Doppelleben zu führen…
Kritik
Wem James Bond mal wieder zu stilvoll und elegant erscheinen sollte, bekommt mit True Lies – Wahre Lügen adäquates Agenten-Alternativprogramm geboten, in dem Arnold Schwarzenegger (Eraser) als Harry Tasker die bullige Schrankwand-Ausführung der ikonischen Doppelnull geben darf: Es gehört zu den täglichen Aufgaben des amerikanischen Top-Spions im Dienste einer Anti-Terror-Organisation dazu, sich unsichtbar zu machen. Wie gleich zu Anfang veranschaulicht wird, klappt dies allerdings nicht immer. Harrys wahre stärke liegt ohnehin vielmehr im Durchsetzungsvermögen; und wenn er genötigt wird, sich durchzuschlagen, dann gelingt ihm das auch mit überaus gewalttätiger Bestimmtheit. Seine Frau Karen (Jamie Lee Curtis, Halloween) weiß von seinem abenteuerlichen, permanent lebensbedrohlichen Dasein als Terroristenjäger hingegen rein gar nichts. Für sie ist Harry nur ein stinknormaler Handelsvertreter für Computer.
Aufgrund dieses Doppellebens ist die Ehe von Harry und Karen nicht nur ordentlich ins Stocken geraten, sondern weitestgehend eingeschlafen. James Cameron (Avatar – Aufbruch nach Pandora) hat sich für seine Action-Komödie aus dem Jahre 1994 von dem französischen Film La Totale inspirieren lassen und liefert ein Feuerwerk an Schauwerten ab, dessen oberster Anspruch es zu sein scheint, beeindruckende Set Pieces aufzubieten, die sich im Verlauf der Handlung immer wieder selbst zu überbieten versuchen. Als Genre-Spektakel versteht es True Lies – Wahre Lügen auch formidabel, überaus vergnüglich auf den Zuschauer einzuwirken. Altbacken wirkt allerdings nicht nur das antiquierte Feindbild, sondern auch der Umgang mit Karens Unzufriedenheit. Dass diese von ihrem ständig abwesenden Mann nämlich nicht nur gelangweilt, sondern auch enttäuscht ist, möchte man hier partout nicht akzeptieren.
Stattdessen – und dafür nimmt sich True Lief – Wahre Lügen auffällig viel Zeit – wird Karen demütigt. Nachdem Harry herausbekommt, dass seine Gattin sich mit dem Autoverkäufer Simon (Bill Paxton, Dämonisch) trifft, dessen Masche es ist, Frauen in den Glauben zu versetzen, er würde sein Geld als Agent verdienen, brennen ihm die Sicherungen durch. Zusammen mit seinem Omega-Sector-Team, so der Name der Behörde zur Terrorbekämpfung, versetzt er Simon nicht nur in Todesangst, er stellt Karen auch in ihrer Verletzlichkeit bloß, in dem er sie in einem entwürdigenden Verhör über ihr „Fehlverhalten“ ausquetscht. Im Vergleich mit diesem Ausbund unsagbar lächerlicher Männlichkeitsvorstellungen, wirken Salim Abu Azizi (Art Malik, Wolfman) und seine terroristische Gefolgschaft als Antagonisten fast schon, nun ja, angestammt und zweckdienlich.
Lupenrein ist True Lies – Wahre Lügen sicherlich nicht, in Wahrheit ist er oftmals irritierend und verwerflich. James Cameron aber ist ein meisterhafter Filmemacher und schafft es trotz aller erzählerischer und ideologischer Verirrungen, diese Agenten-Parodie zu einem einnehmenden Großergeinis zu erheben. Unmöglich ist hier für den blendend aufgelegten und voll im Saft stehenden Arnold Schwarzenegger rein gar nichts, selbst John Rambo würde angesichts der Geschütze, die hier teilweise aufgefahren werden, vor Neid erblassen: Eine berittene Verfolgungsjagd durch ein Luxushotel ist da nur der Anfang. Im großen Finale besteigt Harry dann schließlich sogar ein Kampfflugzeug und mäht alles kurz und klein, was sich ihm und dem Wohle seiner Familie in den Weg stellt. Da offenbart sich True Lies – Wahre Lügen so überzeichnet, dass es eine reine Freude ist.
Fazit
"True Lies – Wahre Lügen" ist eine echte Unterhaltungsgranate. Die Set Pieces sind grandios, Arnold Schwarzenegger und Jamie Lee Curtis absolut blendend aufgelegt und James Cameron beweist erneut, dass er einer der Regisseure, die sich mit Fug und Recht Action-Spezialisten nennen dürfen. Problematisch erweist sich allerdings nicht nur das antiquierte Feindbild, sondern auch der Umgang mit den Eheproblemen zwischen den Hauptdarstellen. Diese dienen nämlich vor allem dazu, die unzufriedene Frau gnadenlos bloßzustellen. Es bleibt eben doch ein Macho-Film mit lächerlichen Männlichkeitsvorstellungen. Aber was für einer!
Autor: Pascal Reis