Inhalt
Touch Me Not ist ein semidokumentarischer Experimentalfilm von Adina Pintilie aus dem Jahr 2018. Die europäische Koproduktion, das Langfilmdebüt der rumänischen Regisseurin, erforscht die Spielarten und Grenzen menschlicher Sexualität.
Kritik
Touch Me Not gewann auf der diesjährigen Berlinale den Goldenen Bären, eine Entscheidung, die nicht ganz unumstritten erschien. In der allgemeinen Rezeption polarisierte der Film stark und wurde von der einen Seite als gewagter Experimentalfilm mit befreiender Wirkung und von der anderen Seite als aufgeblasen und wenig fundiert aufgefasst. Das erregt im ersten Moment die Aufmerksamkeit und lässt auf einen diskutablen und in jedem Fall interessanten Film hoffen, was sich auch ein Stück weit bewahrheitet. Doch tatsächlich muss man sich der Kritik anschließen, wenn man frustriert und uninspiriert den Kinosaal verlässt, nachdem die Vorhänge endlich fallen. Denn das Debüt von Regisseurin Adina Pintilie stellt sich als ebenso ambitioniert wie gescheitert heraus.
Laura (Laura Benson, I Want To Go Home) hat Angst vor Berührungen und menschlicher Nähe, möchte jedoch durch Begegnungen mit verschiedensten Personen und Konfrontation mit Berührungen die Ursachen dieser Angst ergründen und sich von ihnen befreien. „How do you feel right now?", wird sie dauerhaft gefragt. Tatsächlich wirkt die Antwort Lauras zumeist derartig holprig, als wüsste sie ganz genau, dass die ausgesprochene Antwort nicht ihr Inneres spiegeln kann. Und dennoch sieht der Film nicht davon ab und stellt diese Frage immer wieder, sucht stets den kommentierenden Dialog, der das Innere nach Außen zur Analyse bereitstellen soll. Das misslingt und führt zu einer esoterischen Abhandlung verschiedenster Themen wie Toleranz, Freiheit und Schönheit in der Sexualität. Die Gedanken zu diesen Themen wirken nicht nur konfus und ungeordnet, sondern auch prätentiös.
Touch Me Not kontextualisiert nicht, greift viele nachdenkliche Fragen auf, ohne sie als solche explizit zu machen oder gar eine Antwort zu finden, und unterliegt dem Irrglauben, durch reines Nachfragen hinter die Oberfläche der Menschen blicken und die Grenzen der Intimität ausloten und überwinden zu können. Das ergibt in der Endkonsequenz nicht nur einen leeren, schwer fassbaren Film, sondern auch einen ärgerlichen, der einen anmaßenden Charakter hat: „How do you feel right now?" zu fragen reicht eben nicht, um zu verstehen, wie sich jemand wirklich fühlt. Diese Art des Fragens wird durch einen semidokumentarischen und sehr wortlastigen Stil nur noch untermauert. Dabei wäre es wohl der bessere Ansatz gewesen, die prägende Frage umzuformulieren: Statt danach zu fragen, wie sich jemand in dem Moment fühlt, hätte man die Frage verhandeln sollen, warum wir nicht auf die intimen Gefühle von außen zugreifen können. Dann wäre tatsächlich auch das entstanden, was intendiert war: Einen Diskurs über das Verhältnis von Körperlichkeit, Intimität und Sexualität.
Fazit
„Touch Me Not" wählt den einfachsten Weg und liegt damit falsch. Die Frage „How do you feel right now?", die den Film stets wie ein Schatten verfolgt, ergründet eben nicht körperliche Begegnungen und das Verhältnis von Innen und Außen, sondern führt zu esoterischen Gedankengängen, die im Leeren schweben.
Autor: Maximilian Knade