Inhalt
Ein zwölfköpfiges Jugendfußballteam und ihr Trainer werden bei einem Besuch der Tham-Luang-Höhle in Thailand von Monsun-artigen Regenfällen überrascht, die das Höhlensystem überfluten. Eine großangelegte Rettungsaktion beginnt, zu der auch zwei erfahrene, britische Höhlentaucher hinzugezogen werden. Die Zeit drängt und selbst wenn die Jungs lebendig gefunden werden sollten, stellt sich die Frage, wie man sie von dort evakuieren kann.
Kritik
Es mag abgedroschen klingen, aber die besten Geschichten schreibt immer noch das Leben selbst. Die dramatische, schier ausweglose Rettungsaktion einer thailändischen Jugendfußballmanschaft, die am 23. Juli 2018 bei der Besichtigung einer Höhle durch sinnflutartige Regenfälle und die daraus resultierende Überflutung eingeschlossen wurde, ging seiner Zeit durch alle Medien weltweit. Sollte es tatsächlich noch Menschen geben, die damals davon nichts mitbekommen haben, denen sei an dieser Stelle der Ausgang der Ereignisse nicht gespoilert. Letzten Endes ist es für das Sehvergnügen dieses Films allerdings sogar irrelevant, denn niemand der Beteiligten wird wohl darauf spekuliert haben, mit diesem historisch noch recht frischen Ereignis auf einen überraschenden Ausgang des Geschehens setzen zu wollen. Der Weg ist hier eindeutig das Ziel, doch gerade beim Blick auf diesen ist anfänglich eine gewisse Skepsis angebracht. Auch und gerade wahre Geschichten, speziell welche mit einer schier ausweglosen Prämisse, werden besonders in Großproduktionen gerne auf pathetische Weise gemolken und keine Chance ausgelassen, mit viel Theatralik die Realität publikumswirksam „aufzuhübschen“.
Regisseur Ron Howard (A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn) ist ja nun nicht gerade dafür bekannt, besonders kleine Brötchen zu backen. Seit Jahrzehnte eine feste Größe in Hollywood, gehören in sein Repertoire eher starbesetzte Studiofilme von der Stange, die sich selten durch besonders individuelle Merkmale auszeichnen, sondern schlicht die breite Masse auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner bedient. Oder anders gesagt: Handwerklich akkurates, zumeist aber konturloses Popcornkino, dass wie aus Schablonen gepresst wirkt. Bei dieser Personalie ließe sich befürchten, dass Dreizehn Leben genau diesem Duktus folgen würde und aalglattes, sentimentales Heldenkino à la Hollywood aus der Schublade holt. Doch siehe da: Es geht auch anders. Das es sich hierbei um eine britische Produktion handelt, mag dabei nicht unbedingt der entscheidende Faktor sein, vielmehr der für Howard ungewohnt schmale Vermarktungskorridor. Nur mit einem sehr limitierten Kinostart versehen, wurde der Film vorrangig für eine Auswertung auf Amazon Prime Video produziert. Was vielleicht auch seinen Regisseur antrieb, mal von den gewohnte Pfaden abzuweichen. Auf erstaunlich bodenständige Art und Weise, wie sich rückwirkend erfreut attestieren lässt.
Trotz der üppigen Laufzeit von rund 150 Minuten wird keine Zeit mit unnützen Kleinigkeiten verplempert, noch versucht, das Geschehen durch Nebenschauplätze und sentimentale Kabinettstückchen dramaturgisch aufzublasen. Die Gefahr lag nahe, stattdessen spurtet Ron Howard anfangs überraschend schnell durch den Plot, um sich auf die wesentlichen Faktoren der Rettungsaktion mit einer - dann auch notwendigen und erwünschten - akribischen Detailliertheit zu konzentrieren. Verblüffend nüchtern, dabei niemals zu trocken oder distanziert, verlässt man sich hauptsächlich auf die zu Grunde liegenden Fakten und erzeugt anhand derer eine spannende Dramaturgie, die den gewohnt schmückenden Firlefanz gar nicht benötigt – und das diesmal auch tatsächlich begreift. Wenn Ron Howard in die inszenatorische Trickkiste greift, dann lediglich bei den packendenden, im Verhältnis aber nicht überstrapazierten Tauchszenen, die das Gefühl von klaustrophobischer Panik ungemein effektiv vermitteln. Besonders das Sounddesign ist sensationell. Überall pocht, hämmert, knirscht und tropft es. Dazu eine enge und unmittelbare Kameraführung, dass man selbst beinah nach Luft ringt.
Eine weitere Überraschung ist die Inszenierung der Stars, bzw. ihre sehr dezente und gewollte Reduzierung. Sowohl Viggo Mortensen (Crimes of the Future), als auch Colin Farrell (The Banshees of Inisherin) oder Joel Edgerton (The Green Knight) nehmen sich sehr stark zurück. Spielen das geerdet, glaubwürdig, abseits jedweder selbstdarstellerischer Allüren und Manierismen und genauso sind auch ihre Rollen angelegt. Ihre Figuren sind nicht frei von Selbstzweifeln, sind keine alterslosen Superhelden, sondern ganz normale Menschen, die einfach nur helfen wollen. Und sich beinah mehr davor fürchten, die Kinder noch lebendig vorzufinden, da sie sich der Bürde bewusst sind, sie dann auch lebend da raus holen zu müssen. Sie vollbringen Heldentaten, ohne sich dadurch profilieren zu wollen. Und kehren am Ende einfach nach Hause zurück und machen da weiter, wo sie aufgehört haben. Diese Mischung aus Realismus, Bodenhaftung und notwendiger Dramaturgie ist es, die sich so positiv durch alle Facetten von Dreizehn Leben zieht. Was er hier veranstaltet, macht er einfach konzentriert, fokussiert und erliegt nicht der Versuchung, es als larger than life zu verschlimmbessern.
Fazit
„Dreizehn Leben“ ist nicht unbedingt der Stoff, den man von einem Ron Howard erwarten und erst recht nicht von ihm sehen wollen würde, doch aller Skepsis zum Trotz straft er seine Kritiker lügen. Er kann tatsächlich noch anders. Trotz einer stattlichen Laufzeit niemals auch nur eine Spur von Längen, ohne die üblichen Blockbuster-Mechanismen verblüffend bodenständig und gerade deshalb überwiegend einnehmend vorgetragen. Im oftmals ernüchternden Portfolio der Streaming-Exclusives schon ein eindeutiges Highlight.
Autor: Jacko Kunze