Inhalt
US-amerikanischer Horrorfilm von Carter Smith aus dem Jahr 2008, in dem vier US-amerikanische Jugendliche im Urlaub in Cancún den Deutschen Mathias kennenlernen, der seinen Bruder Heinrich sucht, welcher bei einem Maya-Tempfel verschollen sein soll. Sie begleiten ihn dorthin, nichtsahnend, dass dort unheimliche Pflanzen grassieren, die sehr gefährlich werden können.
Kritik
Ach, was sind wir zivilisiertes Volk doch manchmal für blamable Schießbudenfiguren. Primär der Horror-Film lehrte uns in der Vergangenheit zu genüge, dass es nicht immer die beste Idee ist, seinen alltäglichen Dunstkreis zu verlassen, um einer gepflegten Sightseeingtour in fremden Landen beizupflichten. Und doch: Es scheint dem Zuschauer aus aller Welt einem bedeutungslosen Faktum gleichzukommen, dass genau dieses Motiv schon bis zum Zerbersten durchgekaut wurde, immerhin lockt es nach wie vor Unmengen an Interessenten an, die noch einmal davon überzeugt werden wollen, dass die Überquerung der eigenen Stadtgrenze nur zu Problemen führt. Nachvollziehbar, nicht nur um dem sadistischen Gusto Folge zu leisten, sondern auch, weil diese in der Theorie weitreichend ermattete Prämisse einfach viel zu oft Plattform für hervorragendes Genre-Material war:„Beim Sterben ist jeder der Erste“, „Blutgericht in Texas“und auch der heute leider zu Unrecht in Vergessenheit geratene „Vier im rasenden Sarg“. Freizeitspaß impliziert nach genreinhärenten Parametern nun mal einen Höllentrip.
Carter Smithund sein Horror-Film „Ruinen“ von 2008 mussten seiner Zeit reichlich Schelte kassieren, adaptierte man doch den beliebten Roman „Dickicht“ vonScott Smith und strich jedwede tiefenpsychologischen Quell aus der Konzeption. Eine radikale Entschlackungskur, das ist „Ruinen“ zweifelsohne, die der literarischen Breite nicht gerecht wird und filmisch auf ein Minimum herunterbricht. Was viele aber wohl gerne übersehen wollen: Scott Smith steuerte höchstpersönlich das Drehbuch zu „Ruinen“ bei und funktionierte seine Geschichte zum genreaffinen Konzentrat um, welches sich in seiner motivischen Offenlegung offensichtlich dem grobkörnigen 1970er-Jahre-Horror-Kino angenommen hat und als Orientierungsanker benutzte. Eine vierköpfige Truppe amerikanischer Touristen (darunter Jonathan Tucker, Jena Malone,Shawn Ashmore und Laura Ramsey) lassen die Seele im mexikanischen Cancún baumeln, erfreuen sich des stetigen Sonnenscheins, den mit schmucken Schirmchen drapierten Cocktails und den Schwimmpartien im karibischen Blau. Aber was wäre ein Ausflug nach Mexiko, wenn man nicht wenigstens mal eine präkolumbianische Ruine der Maya-Kultur zu Gesicht bekommt?
Gerade das heute äußerst beliebte Cancún müht sich darum, die historischen Wurzeln ihrer Lokalisation in Ehren zu wahren. Und wie es der Zufall so will, trifft man den Deutschen Mathias (Joe Anderson), der passenderweise eine handgefertigte Karte mit sich führt, die zu einem der heißbegehrten Maya-Tempeln führt. Also die Rucksäcke umgeschnallt, die Wanderschuhe zugeschnürt und ab in das Innerste der grünen Hölle. „Ruinen“ verschwendet keine Zeit damit, seine Figuren charakterlich mühsam zu etablieren – Natürlich einzig zugunsten der narrativen Eigendynamik. Unsere Protagonisten werden über schroffe Schlagworte hergeleitet, vom Studenten zum Blondchen, was aber keinesfalls negativ konnotiert werden muss, sondern Teil der Romanstraffung ist und erst recht zum reduzierten Survival-Trip führt. „Ruinen“ ist nicht sinnstiftend, ihn voller Gram zum 'Totalausfall' zu verklären, hat sich der flapsige Öko-Terror von Carter Smith, in dem die wuchernden Pflanzen des Tempels ihrer naturwidrigen (Menschen-)Fleischeslust frönen, aber nicht verdient. Seine Effizienz zieht „Ruinen“ aus seinem kompetent eingefangenen Setting samt integrierter Bedrohung, anstatt auf reißerisches Blutvergießen zu plädieren.
Fazit
Kein berauschender, aber ein absolut wertiger Genre-Beitrag, der nicht durch Splatter, sondern Feeling packend möchte. Die Gewalt wird dabei wohldosiert, schlägt in ihren Veräußerungen dafür umso grässlicher zu. An und für sich ist das Szenario natürlich heftiger Humbug, wer dem Horror-Sujet aber mit den Gesetzen der Logik begegnet, kann nur verlieren. „Ruinen“ ist knackige Kolportage, aber nichts, was man gesehen haben muss.
Autor: Pascal Reis