Inhalt
Ella (Helen Mirren) und John (Donald Sutherland) sind schon viele Jahre verheiratet. Sie sind alt geworden, beide sind nicht mehr wirklich gesund, ihr Leben wird mittlerweile von Arztbesuchen und den Ansprüchen ihrer erwachsenen Kinder bestimmt. Um ein letztes richtiges Abenteuer zu erleben, machen die beiden ihr Oldtimer-Wohnmobil namens „The Leisure Seeker“ flott und verlassen stillschweigend ihr Zuhause in Wellesley, Massachusetts. Verärgert und besorgt versuchen die Kinder, sie zu finden, aber John und Ella sind schon unterwegs auf einer Reise, deren Ziel nur sie selber kennen: die US-Ostküste hinunter, bis zum Hemingway-Haus in Key West. Nachts sehen sie sich ihre Vergangenheit auf einem Diaprojektor an, tags begegnen sie dem gegenwärtigen Amerika in amüsanten und riskanten Situationen. Mit Furchtlosigkeit, Witz und einer unbeirrbaren Liebe zueinander liefern sich die beiden einem Roadtrip aus, bei dem zunehmend ungewiss wird, wohin er sie führt.
Kritik
„Du hast mich stehen lassen und Du hast mich allein gelassen. Ich hatte keine Ahnung wo Du hin willst mit Deinem leeren Kopf.“
So entfährt es Ella gegenüber ihrem Mann John, der sie an einem Rasthof einfach hat sitzen lassen und mit dem Wohnmobil davon gefahren ist. Was der Zuschauer an dieser Stelle schon weiß: John leidet an Alzheimer und sieht sich immer häufiger mit Momenten konfrontiert, in denen er alles vergisst und den Bezug zur Gegenwart verliert. Nachdem es sich Ella und John jahrelang daheim mit Tee und Gebäck gemütlich gemacht hatten und die einzige Abwechslung die Besuche von Kindern und Ärzten zu sein drohte, schnappten sich beide spontan den alten Camper aus der Garage um sich damit auf einen Roadtrip quer durch Amerika zu machen. Gezielt sucht Ella dabei Stationen des gemeinsamen Lebens heraus, an denen sie mit John besondere Momente erlebt hat, um seine Erinnerungen zurückzuholen. Mit im Gepäck ist ein alter Projektor, mit dem Ella bei jedem Stopp Diaabende mit Bildern von der Familie und gemeinsamen Freunden veranstaltet. Das Ende der Reise soll das Rentnerpaar nach Key West zum Haus Ernest Hemingways führen, der Lieblingsschriftsteller des ehemaligen Literaturprofessors John. Eine Reise, die die beiden bisher nie geschafft haben.
Das Leuchten der Erinnerung ist der erste amerikanische Film das Italieners Paolo Virzí (Die Überglücklichen). Die Tragikomödie basiert auf dem gleichnamigen Roman von Michael Zadoorian und reiht sich dabei in die Reihe bekannter Alzheimer Filme wie An ihrer Seite (2006), Honig im Kopf (2014) und Still Alice (2014) ein. Eine lange Exposition gibt es bei Virzí nicht. Der Film wirft den Zuschauer gleich mitten ins Abenteuer, bemüht sich jedoch um eine ruhige und entspannte Erzählweise, frei von jeglicher Hast und Effekthascherei. Ella, eine resolute, teilweise auch etwas sture und laute Frau aus den Südstaaten, hat John nie aufgegeben. Sie beharrt darauf, dass sich John auf der gemeinsamen Reise durch die Vergangenheit immer wieder an Orte, Namen und gemeinsame Erlebnisse erinnert. Für sie wie auch für die Zuschauer ist das oftmals ein großer emotionaler Kraftakt. Mal anstrengend, mal traurig, aber auch erheiternd, geade wenn John sich anhand der vielen visuellen Eindrücke plötzlich doch wieder erinnern kann. Richtig dramatisch wird es, als John seine Frau mit einer längst verflossenen Affäre verwechselt, die er jahrzehntelang verschwiegen hatte.
Diese Achterbahnfahrt der Gefühle verlangt nach erfahrenen Schauspielern, die das ernste Thema rund um Krankheit und der Endlichkeit des Lebens nie ins Lächerliche ziehen und ihre Rollen für den Zuschauer nachvollziehbar und einfühlsam gestalten. Helen Mirren (R.E.D.) und Donald Sutherland (Kill the Boss) harmonieren wunderbar miteinander und spielen absolut glaubwürdig. Wie in Interviews mit den Darstellern zu erfahren ist, lies der Regisseur den beiden relativ freie Hand bei der Interpretation ihrer Rollen. Mirren als Ella kann nicht wirklich überwinden, ihren Mann bald an eine Krankheit zu verlieren. Sutherland als John war einst ein gebildeter Mann, der daran verzweifelt, dass er zwar noch Hemingway rezitieren kann, sich aber nicht mehr an die Namen seiner Kinder erinnert. Nie tappen die beiden Darsteller in die Falle, allzu gefühlsduselig zu werden und geben ihren Figuren die nötige Würde in der genau richtigen Dosis. Beide Darsteller zeigen, dass eine Krankheit nicht das gesamte Leben zerstören muss, sondern dass man sich trotzdem kleine tolle Momente der Liebe und des Glücks schaffen und den schweren Weg zusammen beschreiten kann.
Die Nebenrollen stattdessen sind alle mit relativ unbekannten Darstellern besetzt. Immer wieder streut Regisseur Virzí Szenen mit den Kindern des Paares ein und beleuchtet auch ihre Konflikte. Sohn Will (Christian McKay) hat sich jahrelang um die kranken Eltern gekümmert, sich regelrecht aufgeopfert, findet allerdings auch viel Rückhalt und Lebenssinn bei dieser Aufgabe. Tochter Jane (Janel Moloney) wirkt nur auf den ersten Blick nach der taffen Frau, die ihre Karriere vorantreibt und in die Fußstapfen ihres renommierten Vaters treten möchte. Im Vergleich zu den Eltern, die einen Schritt zurück in die Vergangenheit machen, heißt es für die Kinder einen Schritt nach vorne in die Zukunft zu gehen und sich weiterzuentwickeln. Auch ohne ihre Eltern, die ihre ganzes Leben an ihrer Seite waren.
"Das Leuchten der Erinnerung" ist vor allem Eines: Ein Schauspielerfilm, der seinen Reiz vor allem durch Donald Sutherland und Helen Mirren entwickelt. Vorwerfen kann man ihm bei gut zweieinhalb Stunden Länge doch eine gewisse Episodenhaftigkeit und somit einige Längen. Letzten Endes werden sehr ähnliche Szenen aneinandergereiht. Ella und John fahren durch die Natur, landen abends auf einem Campingplatz, führen Gespräche, John verliert sein Gedächtnis und sorgt für Turbulenzen etc. Dazwischen gibt es natürlich unzählige Streitereien wie auch Liebesbeteuerungen. Das ist trotz einiger amüsanter und emotionaler Momente insgesamt etwas zu seicht und es fehlt an Dynamik. Dafür sorgt auch die Kameraführung, die oft ruhige Bilder von schönen Landschaften liefert und bei Dialogen fast schon still und bewegungslos auf den Darsteller verharrt. Oft sind dies darüber hinaus auch Szenen ohne musikalische Untermalung. Es geschieht wenig, mit dem man nicht schon vorher gerechnet hat, auch wenn es zum Ende des Films hin einen unerwarteten und dramatischen Twist gibt.
Fazit
Es gibt Filme, die schaut man sich vor allem wegen den guten Schauspielern an, und nicht deshalb, weil sie ein aktuelles Thema besonders eindringlich und emotional vermitteln. "Das Leuchten der Erinnerung" ist solch ein Film. Es ist eine Freude, Donald Sutherland und Helen Mirren als altem Ehepaar auf ihrem letzten großen Roadtrip in den Sonnenuntergang ihres Lebens zuzuschauen. Die Geschichte rund um einen an Alzheimer erkrankten Literaturprofessor ist zwar sehr einfühlsam und mit feinem Humor erzählt, leidet jedoch auch an der etwas episodenhaften und vorhersehbaren Inszenierung, in die sich leider einige Längen geschlichen haben.
Autor: André Schiemer